03.07.2019, 15:25
Er ließ sich von Shanayas skeptischen Ausdruck ganz sicher nicht die Laune verderben. Dass sie nicht so recht wusste, wovon er redete, war immerhin nicht weiter verwunderlich. Bislang existierte besagte Skala sowieso nur für ihn. Was ihn vielleicht ein bisschen störte, war der Unterton in ihrer Stimme, dass sie tatsächlich glaubte, er hätte sich derart am Alkohol vergriffen, dass er nicht mehr wusste, was er sagte oder tat. Armes Mädchen, da fehlte ihr wohl eindeutig die Erfahrung. Ihm kamen manche Dinge vielleicht schneller über die Lippen, als sie es unter normalen Umständen getan hätten, aber daran war nichts Schlimmes an einem Abend wie diesem. Hätte sie nicht derart darauf bestanden, das Angebot der Feier auszuschlagen, hätte sie vielleicht auch ähnlich gute Laune gehabt wie er. Liam zuckte mit der Schulter, erwiderte ihren Blick mit einem wissenden Lächeln, ehe er wieder nach vorne sah und überlegte, wie er es ihr am besten erklären sollte.
„Naja. Bekannt ist, dass du nicht unbedingt viel Alkohol verträgst. Meist reicht schon ein bisschen, bis du die Stufe-1-Shanaya erreicht hast. Ein bisschen angeheitert, meistens gut gelaunt und lässt dir keinen Spaß entgehen. Ein bisschen mehr führt dich zur Stufe-2-Shanaya, die hat’s dann nicht mehr so mit all den fiesen Beleidigungen und Androhungen, jemanden auszusetzen. Im Vergleich fast schon ein Lämmchen.“, neckte er mit einem flüchtigen Seitenblick, ehe er fortfuhr. „Und was danach kommt… Werden wir vielleicht irgendwann mal erfahren. Interessant wäre es schon.“
Die gute Laune nahm aber auch bei ihm einen jähen Abbruch, als er gemeinsam mit der Schwarzhaarigen den direkten Weg ansteuerte und abrupt zum Stehen kam, als die Szenerie hinter den umgestürzten Fässern zum Vorschein kam. Wäre er alleine unterwegs gewesen, hätte er sich vermutlich ungeniert weiter den Fässerberg hinaufgearbeitet, um sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen. Bei all dem Interesse, den der betrunkene Abschaum allerdings schon auf die Entfernung an Shanaya hegten, war es wohl für sie alle das Beste, der Konfrontation einfach aus dem Weg zu gehen und die Einladung einer Eskorte zurück zur Taverne anzunehmen. So sehr er selbst Gefallen am Trinken hatte – wie man sich so gehen lassen konnte, war ihm ein Rätsel. Ein Hauch an Verstand war doch das mindeste, was man sich behalten wollte, um mögliche Begegnungen auch bis zum Ende genießen zu können. Zum Glück aber war sein Verstand dennoch derart benebelt, dass er sich nicht lange am Anblick der Männergruppe aufhielt, sondern viel lieber ein bisschen Wortakrobatik betrieb, um seine Begleitung damit bei Laune zu halten. Und Shanayas Lachen war genau das, was er damit hatte erreichen wollen; da fiel es ihm auch einfach, über ihr schmerzhaftes Aufstöhnen hinwegzusehen und den Scherz trotz allem als Erfolg abzutun, selbst wenn er sich gleich darauf wieder anhören durfte, er hätte seine Grenze überstrapaziert.
„Du hast ja keine Ahnung.“, seufzte er und sah davon ab, sich diesbezüglich zu rechtfertigen.
Bloß, weil er ein bisschen gut gelaunt war? War das nicht der Sinn und Zweck eines Festes? Mit einem unscheinbaren Kopfschütteln wandte sich Liam dieses Mal lieber Sineca zu, deren Blick noch immer sehnsüchtig auf den Häppchen lag, die inzwischen aber aus ihrer Pfotenreichweite gerutscht waren. Ihre Rute peitschte kurz zur die Luft, als sie sich umwandte, kurz den Blick des Lockenkopfes erwiderte und schließlich mit den Vorderläufen auf seine Schulter kletterte, um ihre Verfolger aus wachsamen Augen heraus zu beobachten. Liam hingegen sah sogar davon ab, Shanaya darauf aufmerksam zu machen, das Farley sich eher um die Bierbanditen sorgen musste, folgte stattdessen kurz dem Blick seiner pelzigen Begleiterin, ehe er die beiden Gestalten vor ihnen im Blick behielt, um zu sehen, wenn sie abbogen und ihr Weg zurück auf die Hauptstraße führen würde.