26.06.2019, 19:58
Die Reaktion der Schwarzhaarigen fiel unerwartet still aus. Eine Stille und Ausdruckslosigkeit, die er von ihr nicht gewohnt war. Sie wich sogar seinem Blick aus, erinnerte ihn damit wahrscheinlich mehr, als sie ahnte, an seine kleine Schwester. Und gerade das ließ ihn wissen, wie tief und mächtig das war, was sie wirklich empfand. Was sie nur nicht nach außen trug. Sie lehnte sich in seine Berührung, entlockte ihm ein unerwartet sanftes Lächeln. Der ernste Ausdruck in den tiefgrünen Augen blieb. Nur mischte sich jetzt auch wärmende Zuneigung hinein. Er war erleichtert, so ungern er das auch zugeben wollte. Einfach nur erleichtert darüber, dass ihr nichts geschehen war. Nicht mehr zumindest, als die blutende Wunde an ihrer Seite.
Und dann ging alles ganz schnell. Von einem Moment auf den anderen ließ Shanaya ihren Degen fallen und kam ihm entgegen, überrumpelte ihn kurzerhand damit, dass sie ihn umarmte. Aber vor allem damit, dass er die Umarmung ganz intuitiv erwiderte. Er legte die Arme um ihren schlanken Körper, zog sie vorsichtig an sich und lehnte das Gesicht in ihr dunkles Haar. Sein Herzschlag, der noch nicht einmal damit angefangen hatte, sich zu beruhigen, beschleunigte sich erneut. Kräftig und gleichmäßig.
Das Lächeln auf seinen Lippen, verborgen in ihrem Haar, vertiefte sich unter Shanayas Worten ein wenig. Sie sollte längst wissen, dass man ihm ein solches Versprechen nicht leichtfertig machen durfte. Er würde es nicht vergessen, es irgendwann einmal einfordern. Aber in diesem Moment interessierte ihn vorrangig, ob sie in Ordnung war. Und vielleicht ein kleines Bisschen, was überhaupt dahinter steckte.
Also löste er sich vorsichtig von ihr. Gerade so weit, um ihr ins Gesicht sehen zu können, mit der Hand flüchtig über ihre Wange zu streichen. Die andere lag noch immer an ihrer Taille – der unverletzten – und hielt die junge Frau dicht an seinem Körper.
„Sehen wir erst einmal zu, dass wir von der Straße runter kommen.“, erwiderte Lucien, zunächst ohne direkt auf ihr Angebot zu antworten. „Wir müssen uns deine Verletzung ansehen. Und überlegen, wie wir zum Schiff zurück kommen.“
Damit ließ er sie los. Langsam zwar, aber dennoch bestimmt. Nur kurz blieb sein Blick auf ihr ruhen, dann bückte er sich nach dem Dolch, den Mardoc hatte fallen lassen und den er als ihren erkannte.
„Und unterwegs...“ Er reichte ihr die Waffe mit dem Heft voran. „Kannst du damit anfangen, mir zu erzählen, wer dieser Kerl überhaupt war.“