15.06.2019, 20:48
Amüsiert verfolgte Farley das Geplänkel zwischen Shanaya und Liam. Erst in den letzten Wochen war er so richtig dazu gekommen, sich mit den Charakteren auf dem Schiff richtig zu beschäftigen. Sie waren ein buntes Sammelsurium aus allerlei Köpfen – und während die einen wie Liam eher gemäßigt und gelassen daher kamen, gehörten Aspen und Shanaya für ihn eher zur lauteren und aufbrausenderen Sorte. Wobei sein Jugendfreund wohl kaum zu schlagen war, was das Aufbrausende anging. Allerdings waren das nur erste Beobachtungen. Der junge Dieb würde sich – selbst wenn er von sich selbst behauptete eine einigermaßen gute Fähigkeit zu haben, andere Leute schnell einzuschätzen – niemals anmaßen nach so kurzer Zeit ein abschließendes Urteil über die anderen Crew-Mitglieder zu fällen. Er hatte bei dem einen oder anderen das Gefühl, dass noch das eine oder andere Geheimnis hinter der Piratenmaske schlummerte. Shanaya gehörte sicherlich zu diesen Mitfahrern. Liam dagegen… nun, sagen wir, dem jungen Gauner war selten eine so scheinbar ehrliche Seele begegnet. Auch das war recht erfrischend. Als die Schwarzhaarige ihn ansprach, schüttelte Farley nun erneut ein wenig amüsiert den Kopf und gab mit einem verschmitzten Schmunzeln zurück:
„Ich bin wie ein Wolf – nimm, was du kriegen kannst und schaufle dir den Wanst voll, solange etwas da ist. Was meinst du, warum wir jetzt schon Nachschub holen müssen? Irgendwer muss das ganze Zeug ja schon vorhin in sich hineingeschaufelt haben.“
Er deutete auf seinen Magen und machte einige breitbeinige Schritte, die ihn aussehen ließen als hätte er einen kugelrunden Bier- und Fressbauch, den er vor sich herschieben musste. Was irgendwie ja stimmte, nur eben nicht auf so übertriebene Weise. Dennoch hätte er zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs einen Sprint hinlegen wollen, wenn er nicht musste. Nicht angetrunken und mit vollem Bauch. Da half auch Liams Vorsprungs-Angebot nichts.
„Lauf nur, ich halte ihn für dich auf. Dann kannst du heldenhaft in die Taverne zurückkehren und alle Anwesenden werden dir für den Rest der Woche dankbar zu Füßen liegen. Oder betrunken, je nachdem.“
Er machte eine einladende Geste mit den Händen, als ob er Shanaya den Weg bereiten wollte - hielt aber inne, als ein lauter Ausruf an sein Ohr drang. Farley richtete sich wieder auf und der amüsierte Blick war von seinem Gesicht verschwunden, als er an den Gestalten vor ihnen vorbei die Gasse entlang spähte. Der junge Dieb runzelte die Stirn, machte aber keine Anstalten bei den Aufräumversuchen zu helfen – zurecht, denn offensichtlich schienen die anderen Herumschlendernden schließlich den Weg des geringsten Widerstandes nehmen zu wollen und bogen einfach in eine andere Gasse ab. Farley ignorierte das Lachen des Mannes vor ihnen und runzelte erneut die Stirn, auf der sich einige tiefere Falten bildeten. Dann hob er das Fass von seiner Schulter, setzte es vor sich ab und blickte über seine Schulter zu den Inselbewohnern, die hinter ihnen warteten.
„Und nun? Suchen wir unseren eigenen Weg oder folgen wir diesen Gestalten durch die düstere Gasse?“
Er ließ geflissentlich unerwähnt, dass ihm diese Aussicht gar nicht behagte. Viel lieber würde er sich den vermeintlich betrunkenen Kerl bei den Fässern ansehen und überprüfen, ob der wirklich einfach betrunken eingeschlafen war. Irgendwie roch das alles bedrohlich nach einer Falle – aber vielleicht war Farley auch einfach nur noch paranoid von ihrem letzten Landgang. Daher hielt er lieber den Mund – und ließ die anderen beiden entscheiden.
[Gabelung zur dunklen Gasse | Shanaya und Liam]