26.05.2019, 20:55
Frei wie der Wind
Früher Abend des 23. Aprils 1822Shanaya Árashi, Skadi Nordskov & Liam Casey
Der Trubel des Tages war längst verebbt. Der Hunger hatte die meisten in die Kombüse getrieben, um dort darauf zu warten, bis Rayon das Essen zu Tisch brachte. Bloß Liam hatte sich auf dem Weg abgekapselt, hatte sich zu seinen Sachen gestohlen und war mitsamt der Geige von Egbert zurück an Deck geschlichen, um die Zeit bis zum Abendessen ein wenig zu nutzen. Mit Pergament und einem Stift bewaffnet ließ er sich am Bug nieder, breitete das Papier vor sich auf und korrigierte das, was dort bereits stand, mit den Gedanken, die ihn den Tag über begleitet hatten. Hier und da wurde ein Wort gestrichen, eines angehängt oder gar eine ganze Zeile eliminiert, ehe der junge Künstler wieder zur Geige griff, die er griffbereit neben sich aufs Holz gelegt hatte. Mit einem letzten Blick gen Pergament hob er das Instrument an und fuhr sachte mit dem Bogen über die Seiten, während seine Lippen lautlos Worte zur Melodie formten, die meist recht abrupt wieder abbrach. Dann legte er den Bogen zur Seite, kritzelte erneut auf dem Papier herum und startete seinen Versuch von vorn.
Die Zeit verging und während das Gekritzel auf dem Zettel nach und nach etwas mehr wurde, vergaß der Lockenkopf, dass er eigentlich nur die Zeit bis zum Abendessen hatte nutzen wollen. Zu sehr war er in seine Gedankenarbeit vertieft und darauf konzentriert, das, was seine Aufzeichnungen sagten mit dem Klang der Geige und dem, was er vor seinem inneren Auge hatte, zur Übereinstimmung zu bringen. Wie viel Zeit verging und dass das Abendessen mittlerweile längst vorbei war, nahm er nicht wahr. Die andauernde Ruhe hingegen schon, ohne sich groß darüber zu wundern. Stattdessen nahm er es dankbar hin, sich solange mit seinen eigenen Dingen beschäftigen zu können.