19.05.2019, 14:18
Sie wagte kaum wirklich zu hoffen, er könne etwas zu Essen dabei haben. Wo auch? Vielleicht in seinem Geigenkoffer, der offen vor ihr stand? Und selbst wenn er doch etwas hervorzauberte, warum sollte er ihr etwas abgeben? Weil sie mit ihm gesungen hatte? Weil sie ihn nett darum gebeten hatte? Kein Mensch auf irgendeiner Insel war so freundlich. Es gab niemanden, der einem etwas gab, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Das hatte sie schmerzlich lernen müssen.
Als sie aber seinen leidgeprüften Gesichtsausdruck sah, wusste sie schon, was er sagen würde. Das was er aber schließlich sagte, überraschte sie und machte sie auf unerklärliche Weise wütend. Es war nicht die Tatsache, dass sie so aussah, als bräuchte sie ganz dringend Nahrung. Ihr Magen hatte ihm die Antwort schon gegeben und was andere Menschen dachten, war ihr reichlich egal. Vermutlich war es eher die Tatsache, dass sie ihn nicht verstand, weshalb er sie wütend machte. Deshalb platzte auch das erste aus ihr heraus, was ihr durch den Kopf ging.
„Warum bist du so nett zu mir? Du kennst mich doch gar nicht. Was hast du davon? Was bringt es dir, mich zum Essen einzuladen?“ Die Fragen kamen vielleicht mit einem zu hartem Unterton heraus, aber das war ihr egal. Sie wollte, musste es wissen, was ihn dazu veranlasste.
Als sie ihn noch einmal von oben bis unten musterte, wurde sie immer noch nicht schlauer aus ihm, denn nichts an ihm sah aus, als wolle er sie packen und für seine Freundlichkeit zu etwas zwingen. Wieso schien es ihm Leid zu tun, dass er ihr nichts Gutes tun konnte? Sie verstand das einfach nicht. Es ergab nicht einmal wirklich Sinn.