06.05.2019, 22:28
Vielleicht war es kein Thema, das sie weiter vertiefen sollten. Der Tonfall machte das deutlich und Tanis hatte nicht das Bedürfnis, Elian in eine Ecke zu drängen. Nicht metaphorisch zumindest und – nein, nein, er hatte nicht das Bedürfnis. Punkt.
„Man kann nicht eine ganze Epoche nach Doktor Händel bewerten. Oder, man doch, aber wohin führt das einen? Am Ende des Tages wäre das so, wie den Rest der Menschheit nach dir zu bewerten. Man bereitet sich am Ende nur auf Enttäuschungen vor. Außerdem wollte Groethe mit Doctor Händel hoffentlich niemanden erziehen und ich sehe die Geschichte grundsätzlich anders, als er sie gesehen hat.“ Er wartete einen Moment, schnaubte dann. „Es ist einfach nur sehr kunstvolle Prosa. Von einem dramatischen Standpunkt betrachtet absolut minderwertig und generell überbewertet, aber dilletantisch genug Themen anschneidend, dass jeder eine Diskussionsgrundlage findet, über die man sich beim Abendessen zerstreiten kann.“
Er wusste im ersten Moment nicht, was er falsch gemacht hatte. Vielleicht war es zu früh gewesen, die Art, wie er sich angelehnt hatte, vielleicht würde das nie wieder in Ordnung sein. IDIOT!
Und er konnte es natürlich dennoch nicht aufhalten, dass er es sofort wieder tun wollte. Aber Elian war…etwas war wirklich ganz und gar nicht in Ordnung. Tanis verstand nicht ganz, was der andere ihm sagen wollte. Dass er sich darauf gefreut hatte, ihn wieder zu sehen. Es war erbärmlich, wie sein Herz aufschlug bei dem Gedanken.
Und dann ging die kleine Rede weiter und Elian sah so…zerbrochen aus, so verzweifelt. Seine Hände zitterten. Tanis hatte diese Hände noch nie anders als ruhig gesehen.
Er machte einen Schritt auf Elian zu und fasste sie, bevor er sich davon abhalten konnte. Er wusste immer noch nicht genau, was vor sich ging.
„Es tut mir Leid.“ Auch das war neu. Bedauern. Für irgendetwas. Aber es tat ihm Leid und er wusste manchmal nicht, ob es besser für Elian gewesen wäre, wenn Tanis ihn niemals getroffen hätte. Er konnte sich diese Welt nicht wünschen, aber die Frage war manchmal da und peinigte ihn. Er versuchte einen Weg zu finden, etwas zu sagen, dass es besser machen würde, aber was gab es zu sagen, außer dass es ihm Leid tat, dass er WUSSTE, dass er etwas falsch gemacht hatte?
„Für dich wäre ich Rhys geblieben, wenn es gegangen wäre.“ Er hatte so oft darüber nachgedacht. Er wusste, er wäre so lange geblieben, wie es gegangen wäre. Das Auftauchen der Versetzungsliste war…nun, bis jetzt hatte er gedacht gehabt, dass das zumindest für Elian gut gewesen war, aber nun… Er verstand es nicht. Elian hatte andere Freunde, er konnte so viele Freunde haben, wie er wollte, vor allen Dingen dann, wenn Tanis nicht eifersüchtig alles ankläffte, was ihm zu nahe kam.
Aber Rhys war sein bester Freund. Das war es, was Eli hier sagen wollte oder? Etwas daran klickte nicht, ergab nicht wirklich Sinn, aber Tanis konnte den Finger nicht darauf legen. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich dafür zu schämen, dass es einen kleinen Teil von ihm freute, wie sehr Elian an seinem Tod verzweifelt war. Selbst er wusste, wie falsch das war und zum Glück überwog der Wunsch, alles gut zu machen, besser zu machen, Elian lächeln zu sehen statt irgendetwas anderes.
„Ich verstehe nicht ganz.“ Die Entfernung zwischen ihnen zerrte an ihm. „Trauer ist nichts, wofür man sich schämen müsste oder was dich schlechter machen würde. Was meinst du?“