06.05.2019, 13:06
"Harper ist — war —"
Er brach ab und schüttelte den Kopf. Da war noch zu viel Unerklärtes, seine Gedanken zu konfus, als das er das jetzt richtig rüberbringen würde.
"Das habe ich vor."
Verlangen und Sehnsucht schwangen in diesem Satz mit.
Dann kam plötzlich dieser Vorschlag:
Das zu tun, was er so unbedingt wollte und doch nicht durfte, so lange zumindest, bis das PROBLEM nicht beseitigt sein würde. Das worüber er die letzten Tage und Nächte fast unaufhörlich nachgedacht hatte.
"¡NO!", entfuhr es ihm.
Halb hatte er sich bereits hochgestemmt, bevor Entkräftung und Schmerz ihn wieder zu Boden schickte.
"Das dürfen wir nicht! Auf keinen Fall", kam es gepresste und halb erstickt.
'¡Maldita mierda!'
Cornelis bohrte nicht weiter nach, nachdem Enrique nicht weiter über Harper sprach. Sein alter Freund würde schon irgendwann damit rausrücken, wenn er es wollte oder konnte.
Dann zuckte er leicht zusammen, als Enrique ihm das aufgebrachte "No!" an den Kopf warf, da er in dieser Situation in keinster Weise damit gerechnet hatte. Sein Blick flog herum, von der See zu Enrique, und seine Augen verengten sich mißtrauisch.
"Warum nicht? Was ist los?"
Er brauchte eine ganze Weile, ehe er antwortete, sowohl um seinen Körper zu beruhigen, als auch um wieder klar denken zu können. Tränen standen in seinen Augen und darüber reden wollte er eigentlich nicht. Doch ihm war klar, dass er das früher oder später eh musste.
Also drehte er sich auf den Rücken, sah zum Himmel hinauf und hob schwerfällig eine Hand, ehe er zu sprechen begann, den andere Arm eng um sich geschlungen. Seine Finger brachen das silbrige Mondlicht, dass sich über die Landschaft ergoss, den Sand weiß färbte und auf der Brandung tanzte.
"Ki'cuyo", formten sein Lippen tonlos.
Geisterlicht.
Die Ahnen schauten auf sie herab, abwartend, was er jetzt täte, würden werten, ob es gut wäre und entscheiden, ob sie es unterstützen würden.
"Ich weiß inzwischen, dass ich, falls ich oder dieses Schiff, was man mit mir in Verbindung bringen könnte, zu ihr gehen sollten, dann — dann besteht die Gefahr, dass Jemand mitbekommt, wo sie ist. Ich—"
Wie sollte er das jetzt über die Lippen bringen? Sein Verlangen, seinen größten Wunsch, den schlimmsten Alptraum und seine Unfähigkeit zusammenfassen?
"Ich — ich will zu ihr, will, dass sie glücklich und sicher ist.
Aber—"
Es fiel ihm sichtlich schwer Worte zu finden, weiter zu sprechen, nicht einfach alles und jeden abzublocken.
"Aber das ist sie nicht.
"Sie ist nicht glücklich, wenn ich nicht zu ihr komme, wie versprochen, und sie ist nicht s-sicher wenn ich bei ihr bin, nicht so lange — so lange ..."
'I habe versagt.'
Überdeutlich machte sich dieses Gefühl in ihm breit und ließ ihn sich wieder auf die Seite drehen und zusammenkrümmen.
'Schon viel zu oft. Wenn ich ihn zu ihr führe und ihr etwas zustößt, dann habe ich auch als Vater versagt. Das darf ich um keinen Preis!'
Falls er das nicht schon längst hatte:
"Es ist schon schlimm genug, das mein Testament sie und meine Mutter beinhaltet und meine Mutter, wenn sie denn wollte, Zugriff auf mein Konto hat.
"Weit schlimmer aber ist, dass ich sie auch bei der Marine als meine nächste Verwandte angegeben habe, für den Fall, das mir was passiert, denn dazu musste ich eine Adresse angeben. Ich—"
'Mach WEITER!', schrie er sich an, während er das Gefühl hatte dass sich sein Magen in einen einzigen schmerzhaften Knoten verwandelt hatte. Gegen Übelkeit ankämpfend rang er sich die nächsten Worte ab:
"Ich habe meinem Vater nicht von ihr erzählt, weil ich fürchte, er könnte sie irgendwie zu sich locken und sie dann als Druckmittel gegen mich verwenden, damit ich zurückkehre und dann nach seiner Pfeife tanze.
"Aber er würde ihr wenigstens nicht wirklich was antun, auch wenn Einsperren schon schlimm genug wäre. Er ..."
Ihm fehlte Wut um seine Verzweiflung abzuhalten. Stille Tränen rannen unbemerkt in den Sand und ließ seine Schultern beben. Eine ganze Weile lang brachte er keinen Ton mehr heraus.
Noch verstand er den Zusammenhang nicht, doch war es offensichtlich, daß irgendetwas in Bezug auf seine Tochter Enrique noch mehr belastete als es sein Vater tat - und das wollte schon etwas heißen. Cornelis überlegte, entschied sich dann jedoch dafür, Enrique nicht mit Worten zu unterbrechen. Vielleicht würde sein Bruder sich überwinden können und ihm davon erzählen - und wenn nicht, hätte es auch noch Zeit, bis er soweit war.
Also hob er nur stumm die Hand, legte sie auf Enriques Oberarm und drückte diesen kameradschaftlich, während er abwartete, wie sich sein alter Freund entscheiden würde.