06.05.2019, 13:02
Die Fragen hielten ihn vom Grübeln ab.
"Sie ist bei Abene und Nahia und dem Rest -unserer Cano'eyba im Caney, ein guter Ort um aufzuwachsen."
Das Lächeln kehrte zurück, als er an seine vielen Aufenthalte dort dachte, schwankte kurz, blieb aber.
"Nein, nicht bei ihrer Mutter. Caracoya ist eine Ají, und eine Jägerin. Sie wollte damals weder ein Kind, noch die Cano'eyba wechseln, und keiner von uns beiden hatte damit gerechnet, dass eine einzige heiße Nacht solche Folgen haben würde.
"Ich nehme an, dass sich ihre Cano'eyba nicht darauf einigen konnte, dass Kind eines Herzogtümlers, und sei der auch nur ein Halbblut, anzuerkennen. Also brachte sie das unbenannte Neugeborene zu unserer, erklärte den Sachverhalt und ging.
"Nahia war zunächst geschockt, aber dafür sie anzuerkennen und als Abene meinte, es käme auf keinen Fall in Frage, dass eines ihrer Kindeskinder ausgestoßen bliebe, egal von wem es wäre, gab es keine weitere Diskussion darüber."
Enrique rang nach Atem und versuchte gleichzeitig den Schmerz zu ignorieren, den das viele Reden mit sich gebracht hatte, was ihm auch recht gut gelang, achtete er doch weiterhin strickt darauf nur flach Luft zu holen.
Cornelis fiel es nicht ganz so leicht, durch die Traditionen einer solch fremden Kultur durchzusteigen.
"Die... Kanuaiba war die... wie noch mal?.... Bootsgemeinschaft?", fragte er deshalb nach. Dann strich er sich die noch feuchten Haare kurz aus der Stirn zurück.
"Oh Mann, das müssen wir irgendwann nochmal ausführlicher durchkauen..."
Dann grinste er.
"Eine einzige heiße Nacht.... bist ein ganz schöner Filou geworden..."
Doch dann wurde er wieder ernst, aber froh:
"Bei Nahia ist sie auf jeden Fall gut aufgehoben. Wie alt ist sie überhaupt? Ach, ich wünschte, wir könnten sie sofort besuchen..."
"Filou?! Weißt du überhaupt, was dieses Wort bedeutet? Außerdem hat sie _mich_ verführt! Ich —"
Er war ein wenig aufgefahren, musste jetzt den Arm auf das Zentrum des Schmerzes drücken und seufzte.
"Es war mein erstes Mal, verdammt!
"Nahia hat mir eigentlich beigebracht aufzupassen, aber ich habe es damals komplett verbockt. Cara hat mich dann noch damit beruhigt, dass sie garantiert nicht in der heiklen Phase wäre.
"Und dann komme ich das nächste Mal nichts ahnend nach Hause und plötzlich ist sie da und alle ganz aufgeregt um die Kleine und ich denke nur: 'Was ...? Woher ...? Wieso ...?'"
Abermals seufzte er.
"Doch bald schon wurde mir klar, dass sie das Beste war, was uns passieren konnte."
Grinsend fügte er an: "Ich würde sie um keinen Preis der Welt mehr hergeben."
'Nicht mal für deine Schwester?'
Der Gedanke kam plötzlich und warf schwere Zweifel auf. Schnell redete er weiter, verzog dabei das Gesicht, als er zu tief Luft holte:
"Sie ist jetzt Acht—"
Und prompt rannte er gegen die nächste Wand:
Er hatte ihren Namenstag verpasst, war nicht wie sonst dagewesen. Dazu stürzten all die Versprechen, die er ihr gegenüber gebrochen hatte wieder auf ihn ein und ließen ihn mit einem geknurrten Fluch in den Sand schlagen.
Hätte er nur über etwas mehr Kraft verfügt, er wäre nicht liegen geblieben.
"Ich—", setzte er erstickt wieder an, "ich hatte ihr versprochen, sie jedesmal, wenn wir Esmacil anlaufen, zu besuchen, nach Hause zu kommen, doch die letzten Male hat mich Harper nicht vom Schiff gelassen.
"Zum Glück kann Nahia etwas lesen und ist auch willens dazu. So konnte ich ihnen wenigstens Nachrichten und die Fundstücke schicken ...
"Und jetzt, bei der letzten Fahrt, habe ich zugelassen das jemand mei— die Morgenwind sprengt, den Capitán tötet und bin mit Piraten verschwunden ...
"¡Maldita! Falls sie schon davon gehört haben müssen sie glauben, dass ich tot bin ..."
Cornelis lachte herzlich auf, als sich Enrique so schön über den "Filou" aufzuregen begann. Und ein breites Grinsen verblieb auf seinem Gesicht, als das Lachen verklang.
Dann wurde er wieder ernst, als Enrique von seinen Problemen zu sprechen begann. Und vor allem bei dem letzten Satz verzog sich sein Gesicht leicht, als ihm der Gedanke durch den Kopf schoß, daß es seinem Freund im Moment genauso erging wie ihm damals, als er auf die Capitana gewechselt war.
"Irgendwie klingt dein Harper nach meinem Russell...."
"Du solltest ihnen so schnell wie möglich eine Nachricht zukommen lassen. Du weißt, wie es dir damals mit mir ergangen ist..."
Für einen Moment spürte er einen Stich in der Brust, als er daran dachte, wie Enrique vor drei Tagen auf sein plötzliches Erscheinen reagiert hatte. Er wollte nach Möglichkeit verhindern, daß es seinem Freund irgendwann so wie ihm ergehen mußte.
"Am besten... aber ich weiß nicht, inwieweit die Käpt´ns mit sich reden lassen würden. Trotzdem wäre es am besten zu versuchen, daß man Esmacil einmal anlaufen würde. Du weißt, Briefe können verloren gehen..."