05.05.2019, 23:44
"Im Gegenteil. Du bist der einzige Mensch, der sich gleichzeitig als Zyniker bezeichnen und derart fest an einem Idealbild von mir festhalten kann, das an einen Sohn der Alten Götter erinnert." Es war fast wie früher, die Poesie und das gegenseitige Necken. Ein Spiel der Geister, in dem sie beide gut gewesen waren, auch wenn Rhys in aller Regel am Ende den Sieg davontrug - sei's weil er seine Argumente konsequenter durchdachte, oder weil Elian ihn manchmal auch gewinnen ließ, um etwas Hitze aus ihrer Konversation zu nehmen.
"Es ist kein Geheimnis, dass Funkel eines meiner Idole ist." Elians Mundwinkel zuckten. "Den frühzeitigen Tod vielleicht nicht mit eingerechnet. Und wenigstens hatte er eine klassische Phase, die dich mit seiner wilden Jugendlyrik versöhnen könnte."
Was taten sie hier? Sie warfen sich diese süßen Nichtigkeiten hin, tauschten Gedichte aus... wozu? Wenn Elian ehrlich war, wusste er es. Es war ihre Art, sich einerseits zu versichern, dass sie noch dieselben waren, obwohl Elian möglicherweise seinen Vater umgebracht hatte und obwohl Rhys seinen Tod vorgetäuscht hatte - zu welchem Zweck, war immer noch nicht heraus; und andererseits die Unterhaltung, die sie dringend führen mussten, noch für einige Minuten vor sich her zu schieben. Vielleicht sollte ich doch fragen... aber will ich es überhaupt wissen? Nein. Nicht so richtig. Wenn ich das wollte, hätte ich ihm längst ein Messer auf die Brust gesetzt. Aber wenn er es mir sagt und es ist etwas das ich auf keinen Fall verzeihen kann... was bedeutet das dann für unsere Freundschaft? Verliere ich ihn erneut? Kann ich das ertragen? Vermutlich nicht. Auf der anderen Seite bin ich vielleicht einfach nur zu feige der Tatsache ins Auge zu sehen, dass es längst zu spät ist. Ich HABE ihn verloren. Deswegen sind wir überhaupt hier.
"Taranis." Er probierte es aus, schmeckte es auf der Zunge. Es passt zu ihm. Besser als Rhys, auch wenn es einiges an Gewöhnung kosten wird, ihn so zu nennen. "Also... Tanis. Oder Taranis. Was dir lieber ist. Ich denke, du bist sehr wohl ein guter Mann. Vielleicht einer der Fehler gemacht hat oder immer noch macht, aber..." Elians Fuß machte einen kleinen Kreis über der Wasseroberfläche, dann Richtungswechsel, eine liegende Acht. Das Zeichen der Unendlichkeit. "Wenn du wirklich ein schlechter Mensch wärst, wäre das hier nicht so verdammt schwer."