05.05.2019, 22:51
Bist du nachher noch da.
Das hatte Elian gesagt. Er hatte es nicht gefragt. Nicht wirklich. Es hatte sich nicht wie eine Frage angehört gehabt. Also hatte er genickt und dann Gregory seine Arbeit machen lassen. Er hatte gewartet, bis das vorbei gewesen war, bis sicher war, dass alles gut werden würde und hatte sich dann einen anderen Platz gesucht. Einen Platz, um zu warten.
Er schuldete Elian ein Gespräch, so viel war sicher.
Es war nicht mehr so, dass er ihn in ein Leben außerhalb des Gesetzes ziehen würde. Da war Elian schon. Alles, was er jetzt brauchte, war jemand, der ihm half bei der ganzen Scheiße. Jetzt zu gehen, wäre reines Davonlaufen gewesen.
Vielleicht wäre es dennoch besser gewesen.
Tanis hatte nicht hingesehen, als die Kugel aus Elis Körper geholt worden war. Er hatte nur dabei gestanden, die Hände in den Taschen vergraben, zu nahe und zu weit weg. Es war alles zu viel und es war alles viel zu wenig und er wusste nicht mehr, wie er früher Elis Nähe ausgehalten hatte, ohne wahnsinnig zu werden, ohne ihn alle paar Sekunden zu berühren oder zu umarmen oder ihm zu sagen, wie…wie… Er wusste nicht einmal, was er ihm sagen wollte. So vieles. Zu viel.
Die Geige half. Die Geige half immer. Er vergrub sich in Musik, draußen auf dem Dock, in dem Geruch des Meeres, dem Rhythmus im Holz unter sich und dem merkwürdig repetitiven Gefühl des Bogens.
Als er jemanden hinter sich spürte und sich nicht verspannte, nicht bereit dazu machte, sich zu verteidigen, wusste er, wer es war.
Wird das immer so sein, frage ich mich? Werde ich ihn erkennen, wo auch immer wir uns treffen und ihm vertrauen, auch wenn ich ihm keinen Grund gebe, mich nicht zu verraten?
Das war nicht die wirkliche Frage. Die wirkliche Frage war, ob Elians Anwesenheit irgendwann aufhören würde, bittersüß zu sein. Es war nie genug, wenn der Mann da war. Es war gut, es war schön und gleichzeitig war es schmerzvoll. Es war der Blick zum Horizont, ein Fernweh, das nie gestillt wurde, da man niemals dort ankommen konnte.
Er stockte, ließ den letzten Ton verklingen.
„Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.“
Er stockte wieder, schüttelte den Kopf. „Ein wenig kitschig, aber ich fürchte, eine sonderlich bessere Antwort gibt es nicht. Ich bin nicht tot, aber ich…ich bin vermutlich auch nicht der, den du hättest wiedersehen wollen.“
Tanis fand nicht die richtigen Worte. Es war nicht überraschend. Es wäre einfach gewesen. Er hätte anfangen können mit Mein Name ist Taranis Ives. Das wäre…das wäre ein Anfang gewesen. Stattdessen hielt er noch ein wenig an Rhys fest, an der Vergangenheit.
„Bei unserem letzten Abschied hätte ich nicht erwartet, dich in so einer Scheiße wieder zu treffen.“
Nicht das, was er sagen wollte oder sollte, aber es stimmte zumindest. Hatte niemand ahnen können, dass Aspen den alten Montrose umbringen würde.
Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Du bist ein zu guter Mensch und du umgibst dich mit beschissenen Hurensöhnen, das ist die Wurzel des Übels. Wobei du es dir bei deinem Bruder wohl nicht aussuchen konntest und ich vermute, dass dein Vater es verdient hat und… und ich bin zu nervös, um diese Unterhaltung wie ein anständiger Mensch zu führen.“
Er würde sich später betrinken. Er würde sich betrinken und darauf hoffen, dass einfach alles duster wurde und er puff, puff, puff alles vergessen würde.