05.05.2019, 22:14
Das Mädchen blieb schreckhaft und still. Für einen Moment war er sich sicher, dass sie den Handschlag ablehnen würde, und als sie ihn dann doch zuließ, ließ sie so hastig wieder los, als habe sie sich an ihm verbrannt. Elian kommentierte es nicht. Sie würde ihre Gründe haben und war vermutlich klug, einen ihr fremden Mann nicht sofort nah an sich heran zu lassen. Frauen hatten es so viel schwerer dahingehend.
Er hatte nicht das Gefühl, dass seine Worte gut ankamen. Was genau es war, warum sie sich so versteifte, war ihm natürlich nicht klar, aber dass etwas nicht stimmte, war offensichtlich. Elian kannte sie nicht einmal, aber wie er sie da so stehen sah, stach es in seinem Herz vor Mitleid und Sorge... nicht nur, weil sie ihn an seine kleine Schwester erinnerte, aber ein wenig vielleicht auch deswegen. Sie war so blass, so dünn... er erwartete fast, im Gegenlicht die Knochen durch ihre Haut hindurch scheinen sehen zu können.
Als sie dann nach Essen fragte, war es keine richtige Überraschung... oder doch, vielleicht schon. Sie wirkte nicht wie jemand, der leicht bettelte. Eher im Gegenteil, auch wenn er nicht sicher sagen konnte, woran er seinen Eindruck von Stolz an ihr festmachte. Vielleicht irrte er sich auch. Vermutlich tat er das. Aber er hatte das Gefühl, ihr Rücken war allen Entbehrungen zum Trotz etwas zu gerade für ein Mädchen, das es gewohnt war, im Staub zwischen den Stiefeln anderer herumzukriechen und deren Abfälle zu ergattern.
"Ich... leider nicht bei mir", musste er zu seinem eigenen Leidwesen zugeben. "Ich wollte mir heute Abend hier in der Stadt was suchen. Wenn du magst und einen guten Ort kennst, können wir dort hin gehen... aber wenn du nicht mit einem Fremden mitgehen magst, verstehe ich das. Du kannst hier warten, während ich etwas besorge, und ich bringe es her? Wäre das besser?"
Er vermutete eigentlich eher, dass sie jetzt die Flucht ergreifen würde. Sie sah so aus, als hätte sie einige schlechte Erfahrungen gemacht und würde nur darauf warten, dass er ihr wehtun oder sie irgendwie übers Ohr hauen würde. Ein so gehetzter Blick kam sicher nicht von ungefähr. Was auch immer sie erlebt hatte, worüber auch immer sie nicht reden wollte... sie war wohl kaum in Stimmung, mit einem Fremden fröhlich in eine Taverne zu gehen, nur weil er ein paar nette Lieder für sie gegeigt hatte.