04.05.2019, 21:18
Ihre neuen Bekannten mussten nichts sagen, damit Lissa die Antwort kannte. Sie sahen beide aus, als hätte sie statt nach einem Namen gefragt, ihnen mit einem Hammer auf den Schädel gehauen. Einem sehr schwerem Hammer. Der eine der beiden – nicht ihr Hübscher – ließ sogar seine Pinzette fallen. Und der Quirlige schmiss alles um. Sie brauchte wirklich keine Antwort, aber sie gaben sie ihr.
Lissa wusste nicht, ob es ihr in so einer Situation erlaubt war, zu lachen. So lange sie den verloren Gegenständen auch schon half, die Reaktionen der Menschen fielen immer unterschiedlich aus. Hass, Verleumdung, weil sie Dinge aufwühlte, die vergessen werden wollten. Trauer, Wut, weil sie an Erinnerungen rüttelte, die zu schmerzhaft waren. Pure Freude, weil sie die eine Sache brachte, die Hoffnung auf Veränderungen gibt. Aber eine Emotion war immer gleich: Unglaube, bis es dann schließlich Realität wurde. Sie sah diesen Moment auch bei den Beiden. Die Hoffnung, es wäre etwas, was sie brauchten. Es beruhigt sie, dass die beiden ihr nicht den Kopf abreißen wollten, weil sie ihnen den Zettel hinhielt.
Ein beruhigendes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als ihr Hübscher einfach quasselte und quasselte. Er wusste nicht wohin mit sich, was er tun sollte, dass sah sie. Also würde sie ihm eben seine Fragen so gut sie es konnte beantworten.
„Es ist schwierig deine Fragen zu beantworten. Nein, ich habe ihn nicht gelesen, nie. Aber...“ Sie drehte das Papier und legte es dann auf ihre Flache Hand. Etwas vergilbt standen die Namen Trevor und Gregory darauf. „Ich kann lesen. Und abgesehen von der Tatsache, dass eure Namen da stehen, schreit der Brief nach euch.“
Woher sie wusste, dass es von jemandem Namens Aranne war, ließ sie an der Stelle besser unkommentiert. Das würde zu viele Erklärungen mit sich bringen, die sie nicht geben konnte.
Kurz darauf blinzelte sie erstaunt und neigte dann kaum merklich den Kopf.
„Ich kann ihn vorlesen, natürlich.“ Langsam entfaltete sie das Blatt, sodass noch ein zweites darin zum Vorschein kam. Mit einem leisen Räuspern, hob sie die beiden Blätter.
„30.4.741
Mein lieber Trevor,
ich schöpfe wieder Hoffnung. Nach den Strapazen unserer Reise, haben wir endlich einen sicheren Ort erreicht. Es gäbe so viel zu berichten! Die Menschen, die hier leben, ihre Kultur, ihre Kleidung, so vollkommen einzigartig. Die Stadt, die Umgebung, alles ist so neu und ganz anders, dass ich dir am liebsten alles bis ins kleinste Detail berichten würde. Ich möchte, dass du spürst, wie sich die trockene Luft auf der Haut anfühlt, wie die Tiere hier klingen – es würde dir gefallen. Es gäbe so vieles zu berichten und doch ist es mir verboten dir mehr zu erzählen. Oh, Trevor, du würdest es bestimmt lieben! All die Abenteuer, die hier auf einen warten, es ist unglaublich. Schade, dass Daniel und ich keine Zeit für das haben werden, sondern uns wieder unserer Aufgabe widmen müssen, nachdem wir uns erholt haben. Ich kann dir immerhin so viel erzählen, dass wir ab hier mit einem Schiff mit dem schönen Namen Solas na Maidne weiter zu neuen Gefilden aufbrechen können. Es ist schon lustig ein Schiff der 5. Welt hier zu finden. Aber lass mich von Anfang an erzählen, so weit ich es kann:
Dein Onkel – er grüßt dich und Gregory lieb – und ich waren vor einem Monat auf der anderen Seite dieser von allen verlassenen Insel gestrandet. Wir mussten unser Schiff zurücklassen, damit...
...
Kannst du das glauben? Diese Pflanzen haben uns das Leben gerettet! So etwas faszinierendes habe ich noch nie erlebt. Daniel hat ein paar von ihnen einpacken wollen, um sie sich später genauer anzusehen und sich dabei natürlich verletzt. (Ich konnte es mir nicht verkneifen, zu lachen.)
Meine Güte, jetzt ist der Brief schon ganze drei Seiten lang. Ich muss jetzt aufhören und hoffe dir bald wieder schreiben zu können. Ich bete zu allen Sieben Welten, dir meine kleine Sammlung selbst geben zu können, damit ich dir lustige Geschichten dazu erzählen kann.
Pass gut auf dich auf. Mach deinem Cousin nicht zu viele Probleme!
In Liebe,
deine Mutter Aranne.“
Lissa ließ langsam die Zettel wieder sinken, faltete sie zusammen und hielt sie auffordernd den beiden hin. Es war nicht an ihr, diese Zeilen zu behalten.
[Am Alleshändlerstand] |