03.05.2019, 13:00
Er antwortete nicht. Lag nahezu leblos in den Seilen, die ihn davor bewahrten in die Tiefen des Meeres abzutauchen und stieß aus leicht geöffneten Lippen einen Laut aus, der Skadi ungewollt eine Gänsehaut auf Arme und Nacken trieb. Man musste kein Genie sein, um die Dunkelheit zu erkennen, die ihn ob des fehlenden Tageslichts umgab. De Guzmán versank ganz offensichtlich in einer Depression und wirkte, wie ihr einstiges Spiegelbild. Der dumpfe Schmerz, der durch seine Brust und seine Lungen heulte, war auch einmal der ihre gewesen. Und Skadi wusste, was diese Leere in ihr über all die Jahre angerichtet hatte. Man hätte den Dunkelhaarigen spielend leicht von seinem Leid erlösen und ertrinken lassen können - so wie Enrique dort unten lag, glaubte Skadi, dass er nicht einmal Einwände dagegen gehabt hätte. Doch sie erdolchte jeden, der es wagte.
Tief sog sie die kühle Nachtluft ein, ehe sie sich über die Reling schwang und einer Katze gleich über den Bugspriet kletterte. Auf dem glatten Holz drohten ihre Füße immer wieder abzurutschen, doch der schmale Körper der Nordskov glitt unaufhaltbar über ihn hinweg. Und nur wenig später hockte sie, die Finger fest in den Seilen verkeilt und darauf hoffend, dass sie das Gewicht ihrer Leiber vertrugen, neben dem ehemaligen Leutnant. Erst jetzt bemerkte sie den Dreck, der an seinem Körper klebte und allmählich abzubröckeln begann. Erkannte die Anzeichen von Blut an seiner Kleidung und seinen Händen - sie hatte also Recht behalten, als ihr der erste Gedanke um Cornelis in den Kopf gekommen war?
Eine Weile starrte sie dem Älteren wortlos entgegen. Sog seine Stimmung in sich auf und rollte sich wenig später neben ihm zusammen. Den Kopf weiterhin in seine Richtung gewandt, die Augen halb geschlossen.
Er sollte spüren und wissen, dass sie da war. Musste nicht sprechen, wenn er nicht wollte. Sie selbst hätte es nicht gekonnt - auch wenn ihr damals ohnehin keine andere Wahl geblieben war. Stattdessen begann sie leise zu summen, durchbrach irgendwann die Stille, indem sie ein altes Lied aus ihrer Heimat anstimmte. Ein Lied zum Abschied für den alten Mann, dessen Ableben de Guzmán wohl betrauerte. Anders konnte sie sich den beängstigenden Zustand Enriques nicht erklären.