15.04.2019, 04:40
„Autsch.“
Trevor verzog das Gesicht. Er hasste diesen Moment der Ruhe nach einem Kampf, in dem die Aufregung den Schmerzen wich. Und Gregs Oh-nein-oh-verdammt-Blut!-Gesichtsausdruck, während er einen Splitter nach dem anderen aus seiner Handfläche zupfte, mochte er auch nicht sonderlich. Wie gut, dass es um ihn herum nur so vor Ablenkungen wimmelte.
„Alleshändlerin?“, wiederholte er neugierig und wäre sofort wieder aufgesprungen, hätten ihn sein pochender Fuß und Gregs Pinzette nicht daran erinnert, dass er „verletzt“ war. Pah. Stattdessen drehte er sich auf seinem Hocker so weit herum, wie es ihm in Gregs Griff möglich war. Mit der freien Hand schob er die Augenklappe hoch auf die Stirn und entblößte ein zweites vor Begeisterung strahlendes Auge.
„Greg, Greg, Greg! Guck mal!“
Er fuchtelte mit der besagten freien Hand da herum, wo er das Gesicht seines Bruders vermutete, ohne sich von dem Chaos, das sich vor ihm ausbreitete, abzuwenden.
„So viele Truuuuhen!“
Truhen! Truhen waren grandios! Man konnte Dinge hineintun oder darunter oder dahinter oder oben drauf und wenn das alles nichts half, konnte man dem Suchendem mit der Truhe eins überbraten und er vergaß, worauf er es noch gleich abgesehen hatte. Und vermutlich auch, ob man Hühner mit oder ohne Federn aß und wie seine Großmutter geheißen hatte, aber das war okay, fand Trevor.
„Und ein Schwert! Und noch mehr Minitrinkdinger! Und Uhren! Und Bücher – aber ohne Bilder.“
Er ließ das Exemplar, dass er sich von seinem Hocker aus hatte angeln können, wieder auf den Boden plumpsen. Auf dem zerfleddertem grauen Einband prangten dunkle Blutflecken, aber Trevor war sich nicht ganz sicher, ob das seine waren.
„Was meinst du denn mit ‚Waren, die Menschen suchen‘?“ Er runzelte für den Bruchteil einer Sekunde die Stirn. Dann hellte sich sein Gesicht auf. „Oh! So was bräuchte ich, das wär voll nützlich, oder Greg? Stell dir mal vor, nicht ich würde sie, sondern meine Hosen würden mich suchen!“
Er kicherte bei der Vorstellung, wie er sich vor einer Horde desorientierter Hosen versteckte. Ohne Hose. Am besten hinter diesem einen Kistenstapel auf der Sphinx, den er erst letztens zum Versteck der Woche gekürt hatte, nachdem er dort drei Stiefel, einen angebissenen Apfel und seine leere Seekiste gefunden hatte.
Vielleicht nicht ganz, was Lissa meinte, aber Trevor mochte seine Theorie auf jeden Fall. Interessiert beobachtete er, wie die junge Frau in einem Haufen Papier zu kramen begann, sprungbereit für den Moment, in dem eine zähnefletschende Hose aus der kleinen Truhe springen würde.
„Hey Greg, meinst du – was?“ „… dass Hosen Augen haben könnten?“, hatte er sagen wollen, dieses Wissen war schließlich beim Verstecken spielen von essentieller Bedeutung, aber Lissas Frage kam ihm dazwischen.
„Aye. Ich bin Trevor und das ist Gregory. Scovell, alle beide.“
Trevor riss seine Hand aus Gregs Griff, um weit ausholend erst auf seinen eigenen grinsenden Kopf und dann auf den seines Bruders zu zeigen.
„Aber du darfst auch weiter mein ‚mein Hübscher‘ sagen, wenn das einfacher zu merken ist. Sie findet mich hübsch, sie hat es gesagt“, erklärte er mit einem stolzem, schiefem Grinsen an seinen Bruder gewandt. Und bevor Greg ihn wieder packen konnte, schnellte er von seinem Hocker und hopste, so flink das auf einem Bein und durch dieses Chaos ging, zu Lissa hinüber. Halb auf ihre Schulter gestützt, schielte er in die kleine Truhe.
„Was ist da drin?“
Er würde diese Hosen zuerst finden, so viel war sicher!
[ An Lissas Stand || bei Lissa und Gregory ]