01.04.2019, 19:14
Die Überraschung über seine Bereitwilligkeit konnte sie schnell wieder abschütteln, nachdem sie sich erst einmal in Bewegung gesetzt hatten. Wahrscheinlich wollte er auch nur so schnell wie möglich aus dem Dunstkreis dieser Menschen verschwinden und da ließ er sich auch einmal von einer vollkommen Fremden fortziehen. Völlig planlos lief Talin auf einige der Buden zu, suchte dabei die Umgebung nach Lucien und Shanaya ab und empfand es als völlig hoffnungslos. Sie war einfach zu klein, um einen der beiden zu entdecken. Dennoch wollte sie es wenigstens versuchen und daher konzentrierte sie sich auch nicht mehr groß auf den Weg, den sie nahm, noch auf den Mann den sie hinter sich herzog. Und eben diese Unachtsamkeit ließ sie schließlich aufschreien, als sie auf einmal nach hinten und in die Schatten gezogen wurde.
Talin spürte die raue Wand an ihrem Rücken und die Körperwärme des fremden Mannes von vorn. Ihr ganzer Körper hörte auf ihr zu gehorchen und erstarrte in blinder Panik.
Feste Griffe, die sie an Ort und Stelle hielten. Geballte Fäuste, die weit ausholten und sie schlugen. Die rechte Hand der Blonden umklammerte wie von selbst die Waffe in ihrer Hand fester und sie war mehr als bereit in blinder Panik zuzustechen. Weg mit dem Körper, weg mit dem Gefängnis. Sie war nicht mehr schwach. Sie konnte ihn töten. Und wahrscheinlich hätte sie wirklich zugestochen, wenn der braunhaarige nicht gesprochen hätte. Die Stimme passte nicht zu dem Bild, das ihr Kopf heraufbeschworen hatte.
Nur langsam lockerte sie den Griff um ihre Waffe wieder. Sie befand sich nicht mehr auf Kelekuna. Das hier war nicht er. Es war irgendein anderer Mann, der aber statt sie zu schlagen mit ihr reden wollte. Zumindest glaubte sie, dass dem so war. Um ehrlich zu sein, verstand sie nichts von dem, was er sagte, denn ihr Blut rauschte immer noch in ihren Ohren, während ihr Herz der Meinung war aus ihrer Brust herausspringen zu müssen.
Ihr Blick blieb schließlich am Gesicht des Mannes haften, in der Hoffnung sie würde dann verstehen, was er von ihr wollte. Aber letztlich kamen nur seine letzten Worte zu ihr durch und die beinhalteten zwar eine Drohung, ergaben so ohne Zusammenhang aber gar keinen Sinn.
„Ähm...“, machte sie gewichtig, wurde aber zum Glück von völlig unerwarteter Seite gerettet.
Der Kopf der Blonden ruckte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und sie spürte, wie ihr Körper sich entspannte. Lucien stand zwar dort wie ein sehr zorniger Racheengel, aber sie war sehr erleichtert ihn zu sehen, denn er verscheuchte die letzten schlechten Erinnerungen aus ihrem Kopf. Die pure gute Laune, die hinter ihm vorgehopst kam und ihren Senf dazu geben musste, tat dann auch ihr übriges. Wie sollte sie denken auf Kelekuna zu sein, wenn die beiden Gegensätze dort, das genaue Gegenteil bewiesen.
Sie steckte den Dolch schlussendlich weg, hob die freie Hand und tippte den Mann am Arm an.
„Es lässt sich auch besser reden, wenn du mir nicht das Handgelenk brichst und mein Bruder nicht mit einer Waffe auf dich zielt.“
[Nahe Brunnenplatz | mit Sylas, Lucien und Shanaya in einer Seitengasse]