28.03.2019, 18:17
Shanaya war schlechte Laune mehr als gewohnt. Um sie herum hatte es immer schlechte Laune gegeben – und sie war immer mittendrin gewesen, meist mit der deutlich besseren Laune. Allein schon, weil so etwas an ihr abprallte. Sie ließ sich nicht davon anstecken und runter ziehen und erst Recht nahm sie all das nicht persönlich – zumal es ihr meist eh vollkommen egal war. In diesem Fall... vielleicht nicht so egal, wie bei dem größten Rest, aber es kümmerte sie auch längst nicht genug, als dass sie wirklich etwas dagegen tun wollte. Und Luciens Blick verriet ihr deutlich, dass jegliche Bemühungen umsonst sein würden. Sie hätte auch die Mauer um die Ecke küssen können, das wäre vermutlich das gleiche gewesen. Nur hätte sie vielleicht kleine Steinchen an den Lippen gehabt. Also vermutlich war dies doch die bessere Methode. Die Worte des Mannes ließen sie aber leise auflachen, während sie gespielt getroffen mit den Schultern zuckte. Das Lächeln wich nicht von ihren Lippen, selbst wenn sie das Gefühl hatte, dass die Laune des Dunkelhaarigen stetig schlechter wurde. Wieso, weshalb, warum... all das kümmerte die junge Frau nicht. Er richtete sich nicht gegen sie und ließ sie gewähren. Und sie ließ ihm seine Laune. Vermutlich von beiden Seiten das Beste, was sie tun konnten. Shanaya hatte jedenfalls kein Problem mit dieser Situation. Und so ließ er sie los, hörte vermutlich nicht einmal mehr auf ihre Worte.
„Ich rieche noch die Reste vom Badehaus. Du weißt doch, das verwirrt mich.“
Sie richtete den hellen Blick nicht zu Lucien zurück, als er im nächsten Moment verkündete, etwas gesehen zu haben. Erst mit diesen Worten richtete die Schwarzhaarige den Blick herum. Da er nach Jemandem gesucht hatte, ging die junge Frau davon aus, dass er das Ziel erspäht hatte. Und dann machte er sich schon auf den Weg. Scheinbar noch schlechter gelaunt. Ohje. Einen Moment schlurfte die Dunkelhaarige mit den Stiefelsohlen über den Boden, hin und her gerissen, ob sie dem schlecht gelaunten Brummbären folgen sollte – oder einfach einen anderen Weg nehmen sollte. Aber allein war das ganze nur halb so spaßig, also kehrte das gut gelaunte Grinsen auf ihre Lippen zurück und sie folgte dem Mann mit munteren Schritten. Vielleicht lockte er ja mit seiner Laune eine kleine Horde anderer Schlechtgelaunter an. Das würde zumindest für Beschäftigung sorgen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, lockte sie noch ein weiterer Grund, ihm zu folgen. Aber an erster Stelle wollte sie einfach nur sehen, was er jetzt vorhatte.
Lucien schien es jedenfalls eilig zu haben, er nahm den Weg direkt durch die Menschenmasse, stolzierte brummig durch die kleinen, teils aufgebrachten Gruppen und scherte sich um Niemanden. Ihm wurden nur ein paar Blicke nachgeworfen, die Shanaya noch ein wenig breiter grinsen ließen. Aber niemand folgte dem Dunkelhaarigen, und als sie auf ihrer Höhe waren, hatten sie sich schon wieder anderen Dingen zugewandt.
Zwischendurch koordinierte sich die Schwarzhaarige mit den Armen durch die Menschen – und blieb erst stehen, als sie Lucien erkannte, der schon wieder seine Pistole gehoben hatte. Zuerst erkannte sie Talin, wog den Kopf dann etwas zur Seite. Das war doch der Mann, der vorhin den Tumult angefacht hatte? Ohhh, sie hatte es doch gesagt! Lucien zu folgen war vollkommen richtig gewesen! Die zwei hatten scheinbar nach Lucien suchen wollen – und er hatte sie gefunden. Irgendwie amüsierte sie dieser Gedanke. Ob man öfter nach dem Dunkelhaarigen suchen musste? Sie jedenfalls bisher nicht – irgendwie waren sie sich immer wieder aus Versehen über den Weg gelaufen. Die blauen Augen ruhten auf dem Fremden, der Talin zwischen sich und der Wand festhielt, während der Bruder der Blonden auch die zweite Möglichkeit zum Angriff vorbereitete. Es sprach für sich, dass sie keine Lust hatte, seine schlechte Laune doch auf sich zu ziehen – aber gute Laune wollte ebenso ausgelebt werden. Sie blieb also einen Schritt schräg hinter Lucien stehen, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und betrachtete die beiden an der Hauswand.
„Ich würde tun, was er sagt. Das haben heute schon drei andere versucht. Sehr unschön.“
[Seitengasse beim Brunnenplatz | Lucien, Talin & Sylas]