02.02.2019, 19:38
„Und ich liege doch längst nicht so weit daneben wie du bei dem meinen.“ Elian lachte leise. „Von uns beiden bin definitiv ich der bessere Menschenkenner.“
Rhys ging mit sich tendenziell zu hart ins Gewicht. Es lag bestimmt auch mit daran, dass die anderen Offiziere ihn mitunter hänselten. Eigentlich sollte er das inzwischen gewohnt sein, aber jedes Mal wenn Elian Rhys solche Dinge sagen hörte, wurde er unterschwellig wütend und traurig gleichzeitig. Wie konnte ein so wundervoller Mensch so niedrig von sich selbst denken? Es war einfach nicht richtig! Aber egal was er sagte, Rhys schien ihn nicht zu hören. Jedenfalls nicht bei diesem Thema.
Es beunruhigte ihn, wie schwer sich Rhys damit tat, mit der Sprache heraus zu rücken und wäre er nicht so unendlich neugierig gewesen (und außerdem der festen Überzeugung, dass es besser war wenn er wusste, worauf er sich hier einließ – und sei’s nur damit er nächstes Mal überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei hatte, Fred zu verprügeln), er hätte Rhys gesagt, dass er einfach still sein sollte. Elian musste nicht alles wissen. Er vertraute seinem Freund auch so. Es gab in seinem Kopf nichts, das ihn von der Einstellung hätte abbringen können, dass hier der loyalste und tapferste Offizier der königlichen Marine vor ihm saß. Sicher, jeder Mensch hatte Fehler, aber bei Rhys waren sie quasi nichtexistent. Die paar Dinge, die nicht ideal waren, sorgten nur dafür, dass er charmanter wurde.
Und doch… empfand Rhys ganz klar Scham für etwas. Als ob er Angst davor hätte, dass Elian ihn verurteilen würde (als ob!).
Die Neuigkeit überraschte ihn. Er war ebenfalls schon mehrere Jahre zur See gefahren, als Kadett. Allerdings war er damals ein kleiner Rotzbengel gewesen, vielleicht hatte er so etwas deswegen nicht mitbekommen. Oder er hatte Glück gehabt und war nur mit anständigen Männern auf Schiffen gewesen. Fast hätte er über sich selbst gelacht. Anständig – als ob Rhys das nicht wäre. Als ob daran irgendetwas wirklich Verwerfliches gewesen wäre. Sicher, es entsprach nicht der… gesellschaftlichen Norm. Den Regeln. Aber bevor sich alle gegenseitig verprügeln… wenn es ihnen hilft, die Disziplin zu halten… ob man jetzt nur Hand an sich selbst anlegt oder auch an einen Kameraden, na schön, jedem das Seine. Wer war er bitte, die Lebensentscheidungen anderer Leute zu hinterfragen? Die Vorstellung mochte ihn selbst alles andere als reizen, aber… er war auch ein Sonderling. Hatte im Gegensatz zu seinen Kameraden auch kein Bedürfnis, die Angebote der Damen oben wahrzunehmen, obwohl sie sich ihm jetzt schon ein Paar mal als Bezahlung für seine Dienste angeboten hatten. Der Gedanke widerstrebte ihm nicht mal besonders. Er war nur einfach… weniger neugierig? Weniger scharf darauf, rauszufinden, was es mit dem ganzen Terz auf sich hatte? Vielleicht wartete er nur einfach auf die richtige Partnerin. Aber wenn er sich so ansah, wohin die Geilheit manche Männer scheinbar trieb (Wirklich, Fred? WIRKLICH?), war er doch ganz froh, dass er keinen Anteil daran hatte…
„Fred?!“ Elian hob die Augenbrauen. „Ich hinterfrage keineswegs seinen Geschmack, aber… wie langweilig war dir bitte?!“ Warum ärgerte er sich eigentlich so? Es war nicht, weil Fred ein Mann war. Das störte ihn zu seiner eigenen Überraschung überhaupt nicht. Sex war so oder so… nichts, was er unbedingt haben musste, aber er ließ sich sonst auch nicht von der Gesellschaft vorschreiben, was er von etwas zu halten hatte und er würde jetzt nicht damit anfangen. Wenn Rhys es tat, konnte es so schlimm nicht sein. „Du könntest jederzeit machen, was ich tue, und selbst Geschichten schreiben.“ Elian seufzte, aber er zog seine Hand noch nicht weg. „Ich hinterfrage nicht, was ihr getan habt. Oder… verurteile es. Ich glaube nicht, dass irgendwer ein Recht dazu hätte, aber…“ Er verzog das Gesicht. „Fred. WIRKLICH?!“ Was sah Rhys an dem Kerl? Im Ernst? Gut, er war… muskulös. Und nicht hässlich, nur… grobschlächtig. Na schön, mancher Frau gefiel das vielleicht und… nannte er Rhys gerade eine Frau? Göttin, das war so falsch. Aber wenn es Frauen gefallen konnte, gefiel es vielleicht auch Männern und…
Und dann fiel ihm etwas anderes ein, das ihn erst blass und dann knallrot werden ließ. Er räusperte sich, nahm seine Hand von Rhys‘ und rieb sich damit durch den Nacken, während er nach seiner Fassung suchte. Natürlich ist Lieutenant Montrose eingeladen uns zu begleiten. Noch ein Räuspern, während kalter Zorn in ihm hochwallte wie eine Welle der Genugtuung. Wenigstens habe ich jetzt eine Ausrede, ihn umzubringen, wenn ich ihn sehe. Rhys‘ Unschuld darf ich nicht verteidigen, aber wir haben nie etwas über meine eigene gesagt.