30.01.2019, 18:49
Rhys‘ gehetzte Art machte ihm Sorge und übertrug sich zunehmend auf den jungen Arzt, auch wenn er nicht so ganz verstand, was denn der Grund für die Nervosität war, die sie beide ergriffen hatte. Er begann ebenfalls, sich mehrfach umzudrehen, konnte aber niemand entdecken, der besonders auf sie beide fokussiert schien.
Vielleicht bildete er sich das hier auch nur ein? Oder Rhys wollte nur einem nervigen Gesprächspartner entkommen? Es war gut möglich, dass er zu viel hier hinein las. Wäre da nicht der Umstand gewesen, dass Rhys ihn zur Begrüßung fast erdrosselt hätte, hätte Elian die ganze Interaktion als Zufall und irrelevant abgetan. Insbesondere, da Rhys die Sache halbwegs glaubhaft auf Fischgeruch schob (in Ordnung, bleiben also alle Antwort-Optionen abgesehen von Fischgeruch übrig) und dann erklärte, dass er nicht darüber reden wollte.
Die Fischgeruch-Lüge weckte selbstredend Elians Neugierde. Die verständliche und sehr legitime Bitte um einen Themenwechsel und die Freude über das Wiedersehen, so bizarr es sich bislang anging, gewannen jedoch die Überhand, auch wenn er den kleinen, nagenden Zweifel in seinem Hinterkopf nicht verbannen konnte: Wer war auf dem Schiff, außer Rhys? Jemand den ich kenne? Was ist passiert? Etwas muss passiert sein, richtig? Warum ist er so schreckhaft?! An mir liegt es ja scheinbar nicht... oder doch?
„Dann reden wir über etwas anderes.“ Elian legte im Gehen kurz einen Arm um Rhys und ließ ihn dann wieder los, damit sie nicht zu vertraut aussehen würden. Eine kurze Umarmung war für gute Freunde noch im Rahmen, sogar in Uniform. „Es ist nicht so, als ob wir uns nichts zu sagen hätten. Vier Monate, Mensch! Der Hafenmeister ist am Ende dazu übergegangen, mich ‚Penthesileia‘ zu nennen, weil ich so oft vorgesprochen habe. Und ich hab‘ ein ganzes Bündel Romane, deren Veröffentlichung du auf See verpasst hast… größtenteils Schund, aber ‚Der Herzog von Marlas Cirell‘ dürfte dir gefallen. Rachegeschichte, Seefahrt, große Emotionen, Ungerechtigkeit und Tragik… das Komplettpaket.“ Sein unbeschwerter, fröhlicher Tonfall war natürlich, aber dennoch bewusst gewählt, um Rhys‘ Anspannung etwas zu lösen. Hey… du bist wieder an Land! In Sicherheit! Bei mir! Alles ist gut!