29.01.2019, 19:35
„Märchen sind Geschichten. Geschichten folgen eigenen Regeln.“ Elian dachte sehnsüchtig an sein Notizbuch, das er in der Eile in seiner Stube vergessen hatte, und daran, wie viel lieber er gerade dort wäre, um die noch leeren Seiten mit Märchen über seine Geschwister oder wildfremde Heldenfiguren zu füllen.
Aber nein, stattdessen war er hier, in einem Kaufhaus des Fleisches, und sah einem jungen Mann in Frauengewändern dabei zu, wie er Haysmith an der Nase herumführte. Das ist das letzte Mal, dass Rhys unsere Freizeitbeschäftigung im Namen unserer Ehre kurzfristig ändern darf.
„Erfordert sicher ein ganz eigenes Talent, sowas zu spüren.“ Elian war nicht mal unbedingt an der ganzen Maskerade interessiert oder an den sonderbaren Kerlen, die es so sehr bevorzugten, belogen zu werden, dass sie sich einen verkleideten Mann suchten. Er fand die roten Vorhänge schrecklich geschmacklos und die aufreizenden Damen alles andere als reizvoll – sicher, manche von ihnen waren ganz ansehnlich, vielleicht sogar schön, so genau war es mit ihrer Gesichtsbemalung nicht festzustellen, und es war nicht so, dass er nicht manchmal auf diese Weise an Frauen gedacht hätte. Aber er hatte immer gedacht, die entsprechende junge Dame würde an ihm genauso interessiert sein wie er an ihr, sollte er wirklich mit jemandem im Bett landen. Und er mochte nicht, wer Rhys in dieser Unterhaltung war. Er mochte nicht, wer er selbst war. Und das süffisante Grinsen des Barmanns mochte er am allerwenigsten. Er war versucht, den Mann zu schlagen, dabei hatte der ihm noch gar nichts getan. Ein Jammer, dass mir noch niemand Fred vorgestellt hat. Der käme mir gerade wirklich gelegen.
Er lauschte der Vorstellung geduldig, spielte dabei weiter mit der Münze auf dem Tresen. „Beinahe. Klingt wie mein Trostpreis, falls du beim dritten Versuch genauso danebenliegst.“ Wenn sie hier wirklich so ein Mädchen haben, tut sie mir leid. Aber das ist wirklich nicht das, was ich vom heutigen Abend möchte. Aber immerhin, sofern er das was ich wirklich will nicht errät, klingt das Mädel so als könnte man sich in einem stillen Zimmer mit ihr unterhalten bis es spät genug ist, dass ich gehen kann ohne mir eine Blöße zu geben.