27.01.2019, 19:08
Es war Sylas vollkommen klar gewesen, dass man ihn nicht so einfach würde ziehen lassen und ein Teil von ihm hatte genau darauf gesetzt. Er hörte den Mann hinter sich sprechen und als er ihn packte und zu sich zog, sah er dem Kerl einfach nur trotzig ins Gesicht. „Nein und es ist mir auch vollkommen egal“, antwortete Sylas auf die Frage, die man ihm gestellt hatte. Es war die Wahrheit. Er wusste es nicht und es war ihm in der Tat vollkommen egal, wem er sich da gerade in den Weg gestellt hatte oder wem er da gerade auf die Zehen getreten war. Alles hatte nach einer guten Gelegenheit zum Dampf ablassen ausgesehen und er hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Nun und wie man sehen konnte, hatte der Plan einwandfrei funktioniert. Man konnte ihm nicht einmal vorwerfen den Streit angezettelt zu haben oder den ersten Schlag ausgeführt zu haben, denn so wie es aussah, machte sich diese ganze Angelegenheit gerade ziemlich selbstständig. Jedenfalls wenn er das, was um ihm herum passierte richtig deutete. Es war zwar nicht gerade das, was er beabsichtigt hatte, aber so wie es schien, hatten noch ein paar andere Menschen außer ihm einen Wunsch etwas Dampf abzulassen.
Sylas war fast schon enttäuscht, als der Kerl ihn plötzlich los ließ und von ihm zurücktrat, ohne auch nur einen Schlag ausgeführt zu haben. Andererseits war es genau die Reaktion, welche er von so einem Kerl erwarten würde. Großes Mundwerk und Drohgebärden, aber sobald das Chaos ausbrach verschreckt sein wie ein hilfloses Kind. So waren ihm schon viele Männer im Leben begegnet. Männer, die sich aufgespielt hatten, als seien sie die erfahrensten Kämpfer die man nur finden konnte. Männer, die Geschichten erzählten was sie nicht alles getan und erreicht hatten. Doch kaum war ein Kampf ausgebrochen, kaum hatte das Chaos die Leitung übernommen, irrten sie ziellos umher ohne jeglichen Überblick und Panik in ihren Augen. Aber in einem Kampf durfte man nicht in Panik geraten, man durfte nicht den Überblick verlieren, denn nur dann war man in der Lage einen Kampf auch zu überleben. Man musste seine Augen überall zugleich haben, seine Lage einschätzen können, seine Gegner abschätzen können und wissen, wo man zuerst zuschlagen sollte. Manchmal war es angebracht sich einfach dem nächststehenden Gegner zu zuwenden, doch manchmal konnte das auch ein großer Fehler sein. Nicht immer war das nächstbeste Ziel auch jenes, das zum Erfolg führte. Aber all das waren Dinge, die man nur durch Erfahrung lernte. Sofern man jedenfalls genug Talent besaß den ersten Kampf im Leben auch zu überleben.
Den Kerl im Auge behalten und zugleich seine Umgebung begutachtend, war es die Stimme einer jungen Frau, die durch das Gewirr an sein Ohr drang und für einen Moment seine Aufmerksamkeit in Besitz nahm. Seine Augen wurden schmäler, als er sie mit kritischem Blick ansah, denn ihre Worte ergaben für ihn in diesem Augenblick überhaupt keinen Sinn. Sie konnte bestimmt nicht ihn meinen, denn er wüsste nicht, dass ihn hier irgendjemand gesucht hätte. Es wusste ja auch keiner, dass er sich hier aufhielt. Aber in diesem Moment war es auch vollkommen egal, ob sie ihn gemeint hatte oder jemand anderes, denn ihr Rufen hatte sie eine äußerst missgünstige Situation gebracht.
Mit wenigen Schritten verringerte Sylas den Abstand zwischen sich und dem Kerl, der ihn eben noch am Kragen gepackt hatte und nun den Arm der jungen Frau in seiner Hand hielt. Er versetzte dem Kerl einen kräftigen Faustschlag von unten herauf in die Achselhöhle des Arms, mit dem er die junge Frau festhielt, in dem Versuch ihn auf diese Weise dazu zu veranlassen, seinen Griff zu lösen. „Erst die Fresse aufreißen und sich jetzt an den Schwächsten vergreifen“, kam es provozierend über Sylas Lippen, der um den Mann herum kreiste. „Nur ein Feigling mit einem kleinen Schwanz tut so etwas.“ Er musste die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich ziehen und zwar seine gesamte Aufmerksamkeit. Natürlich könnte er jetzt auch einfach auf den Kerl losgehen, aber das würde bedeuten die junge Frau einem Risiko auszusetzen und er schlug keine Frauen, zumindest solange sie es nicht verdient hatten.
[Brunnenplatz | mit Talin | in der Nähe von Thaddeus, Lucien und Shanaya]