21.01.2019, 17:14
Shanaya vernahm den Ton in Luciens Stimme, sah seinen Blick, den er ihr zu warf. Sie nahm seine Worte als das, was sie waren. Als ein Necken, als einen Scherz auf ihre Kosten. Sie wusste noch nicht, in welche Schubladen sie den Dunkelhaarigen stecken sollte... aber gewiss nicht in diese. Wenn er sie für ach so jung gehalten hätte... er hätte sich sicher nicht auf ihr kleines Spiel am See eingelassen. Genauso wenig wie auf ihrem kleinen... Raubzug. Und trotz allem warf sie ihm einen halb gespielten, finsteren Blick zu. Er galt nicht ihm direkt, eher denen, über die er mit seinen Worten witzelte.
„Was glaubst du, was die Crew von dir denken würde, wenn sie wüssten, was du mit mir am See gemacht hast. Ich bin doch noch ein Kind!“
Ihre Stimme klang vollkommen entrüstet, ihr Blick dagegen sprach Bände. Aber sie hatte sich damit abgefunden. Sie sollten sie ruhig alle unterschätzen. Sie war es nicht, die schließlich auf die Nase fiel.
Auch die nächsten Worte ihres Gegenübers waren ein Necken, auf das die Schwarzhaarige erst leicht eine Augenbraue hob und dann ein Auflachen nicht unterdrücken konnte. Sie zuckte mit den Schultern, trank einen Schluck von dem Apfelsaft und trat dann erneut einen kleinen Schritt auf Lucien zu, senkte die Stimme zu einem Flüstern.
„Du hast absolut Recht. Nach zwei Gläsern Apfelsaft bin ich so betrunken, dass ich alle Hüllen fallen lasse und nackt durch die Straßen tanze. Die Show solltest du dir nicht entgehen lassen.“
Sie zwinkerte ihm einladend zu, prostete dann mit ihrem Krug in seine Richtung, ließ den Blick schweifen. Ganz in ihrer Nähe hatte sich eine Menschentraube gebildet, die ihre Aufmerksamkeit für einen Moment auf sich zog. Sie schenkte dem aber nicht viel Zeit, wandte sich dann doch wieder zu dem Dunkelhaarigen zurück, der verwundert über ihren Bruder klang. Mit seiner zweiten Antwort seufzte die junge Frau leise. War er nun verwundert darüber, dass ihr Bruder ihr gewisse Dinge angetan haben sollte – oder nur darüber, dass sie einen Bruder hatte?
„Ich denke, es gibt genug Dinge, die wir nicht voneinander wissen.“ Ein vielsagendes Grinsen galt Lucien. „Aber... wir waren auch nie wirklich das, was man unter Geschwistern versteht.“
Inzwischen waren sie näher an der kleinen Versammlung, die sie zuvor schon gesehen hatte – und nun hörte sie die Worte, die gesprochen wurden. Und das, was sie hörte... es waren zwei Namen, die ihre Aufmerksamkeit nun doch einen Moment fesselte. Der erste, weil er im Zusammenhang mit dem zweiten... unumgänglich auch etwas mit ihr zu tun hatte. Perrin. Wenn dieser Speichellecker hier war... es wäre nicht unwahrscheinlich, dass ihr Bruder sich dann wirklich irgendwo in dieser Menge befand. Ersterer schien sich in diesem Moment zumindest irgendeinen Ärger einzuhandeln, was die junge Frau amüsiert grinsen ließ, vor allem bei Luciens Worten. Sie wusste, was Perrin für ein jämmerliches Wesen war. Er konnte Leuten Honig ums Maul schmieren, sich vor ihnen in den Dreck werfen, damit sie sich die Kleidung nicht dreckig machten. Aber was er nicht konnte war zu halten, was seine große Klappe versprach.
„Wenn mein Bruder schon nicht hier ist, hetzt man mir einen anderen, alten Bekannten auf... Ich heize dir die Show also noch ein wenig an. Sonst macht er garantiert einen Rückzieher oder lässt andere für sich die Drecksarbeit machen.“
Er war viel zu weich für einen echten Kampf. Eine große Klappe... viel mehr hatte er nicht auf seiner Seite. Ihre Worte wurden von einem leisen Seufzen untermalt, mit dem sie Lucien kurz musterte. Die Worte des Mannes, der zwischen die beiden getreten war, konnte sie nicht verstehen. Dennoch trat sie nach vorn, weg von Luciens Seite, drängelte sich zwischen die Menschen. Wenn sie sich umdrehte, würde sie den Dunkelhaarigen immernoch sehen können... aber sie wollte ja nicht, dass Perrin allen Umstehenden, die schon voller Eifer auf den ersten Schlag warteten. So stand sie dennoch nah genug, damit der Mann sie hören würde. Ob er sie erkannte war ihr egal. Sollten ihre Eltern erfahren, wo sie war und mit wem sie sich herum trieb. Sie würden Nichts daran ändern können. Also verschrenkte sie die Arme, hob das Kinn ein wenig an.
„Na los, Perrin. Du wirst doch wohl nicht kneifen. Du willst doch sicher Barléyhs Ehre verteidigen?“
Einige der Menschen um sie herum warfen ihr einen verwirrten Blick zu, aber Shanaya beachtete keinen von Ihnen. Nur einen kleinen Moment richtete sie die hellen Augen zurück zu Lucien, gespannt auf seine Reaktion auf ihre kleine Ansprache.
[Brunnenplatz | Lucien, in der Nähe von Sylas| Nahe Talin & Thaddeus]