14.01.2019, 01:07
Sein Lachen klingelte in ihren Ohren und setzte für einen kurzen Augenblick ein Schmunzeln auf ihre Lippen. Wenn er nur wüsste!
"Auf die harte oder sanfte Tour, je nachdem was du bevorzugst.", entgegnete die Dunkelhaarige mit einem schelmischen Zwinkern, das kaum zu unterdrücken gewesen war. Letztlich wusste nur sie selbst, dass die harte Tour nichts mit erotischen Spielchen, sondern wahrhaftigen Schmerzen zu tun hatte. Ein Glück, dass bisher noch niemand - mit Ausnahme Talins - von ihren nächtlichen Streifzügen mitbekommen hatte. Andernfalls wäre dem Dunkelhaarigen das Lachen nicht so leicht von den Lippen gerutscht.
"Dein Optimismus ist schon fast niedlich."
Skadi war nicht der Meinung, dass Enrique gänzlich falsch lag, doch wusste sie genauso gut wie er, dass Piraten wohl nicht dafür bekannt waren besonders zurückhaltend und gesetztestreu zu sein. Wenn ihnen also nicht die Marine den Tag erschwerte, dann definitiv ein Mitglied der Crew. Und sie wettete, dass Trevor zumindest eine Teilschuld an allem tragen würde.
Dennoch umfasste sie Sekunden später seine ausgestreckte Hand - das drückende Gefühl in ihrer Kehle ignorierend, das dabei aufkam - und boxte ihm für das Augenzwinkern kräftig gegen den Oberarm. Er war wohl doch ein Spinner wenn er glaubte, dass sie einen Aufpasser brauchte.
-***-
Stirnrunzelnd musterte Skadi die Umgebung, versuchte über die Köpfe hinweg den Ursprung der Aufregung auszumachen und seufzte, als ihr beim erneuten Versuch dem blonden Hünen neben ihr über die Schulter zu schauen ein Ellenbogen gegen den Magen stieß. Waren denn diese Menschen zu dumm zum Gehen oder was?! Dem nächsten blühte eine Tracht Prügel, wenn sich noch einmal irgendein spitzes Körperteil in ihren Magen bohrte.
Mit bereits bitterbösen Flüchen auf der Zunge, wandte sich der dunkle Haarschopf bereits zu seinem ersten Opfer herum, als ein kurz aufblitzender feuerroter Bart ins Blickfeld sprang. Wie ein tanzendes Feuer, das sie von der anderen Straßenseite aus anlachte. Groß gebaut und seltsam verhüllt wie ihr schien. Wirkte, als habe er etwas zu verbergen, wenn er sich mitten am Tag eine Kapuze ins Gesicht zog. Oder aber er war potthässlich wie ein Maulesel. Doch dann würde sie ihm wohl eher einen Leinensack oder gleich einen Strick statt einer dunklen Kapuze empfehlen.
"Enrique..."
Sanft zog Skadi an seiner Hand, die sie urplötzlich mit einem festen Griff umklammerte. Verengte die Augen zu kleinen Schlitzen, während sie sich leicht nach vorn lehnte, um die Gestalt besser in Augenschien zu nehmen. Wenngleich sie vielleicht das Gesicht nicht ganz erkannte, war es die Form dieser Statur, die sich in den letzten Tagen tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Wenn sie nicht alles täuschte, stand dort drüben kein geringerer als Cornelis. Dieser Berg hohe Kapitän, den sie gemeinsam mit Scortias auf der Insel aufgegabelt hatten und dessen innige Bindung zu Enrique Schuld daran war, dass ihre letzten Streifzüge sehr einsam gewesen waren. Wobei - nein - sie korrigierte. DAS war eigentlich schon fast ein Segen gewesen. Nicht auszumalen was der Dunkelhaarige von ihr noch hielt, wenn er dasselbe erblickt hätte wie Talin. Und die war irgendwie seltsam entspannt geblieben angesichts des vielen Blutes und des abgetrennten Zehs ins Skadis Hand. Das war schon irgendwie scharf gewesen.
Doch was zur Hölle tat der Feuerbart hier allein? Sollte er nicht irgendwo bei Trevor und...
Ein tiefes Seufzen drang bereits aus Skadis Kehle noch ehe ihr die Tragweite dieser Erkenntnis in die Eingeweide rutschte. Hatte sie nicht noch vor ein paar Minuten ihren hübschen Hintern darauf verwetten können, dass die Crew Probleme bereiten würde? Sie sollte wieder mit dem Glücksspiel anfangen!
"Ich glaub's nicht... keine Zehn Minuten und schon gibt's Probleme. Habt ihr Männer Ärger mit der Muttermilch eingesogen?"
Augenrollend blickte Skadi zu dem Dunkelhaarigen hinauf, dessen Aufmerksamkeit sie mit einem dezenten Kopfnicken in Cornelis Richtung lenkte. Nur um einen kurzen Augenblick darauf die Kälte auf ihrer Haut zu spüren. Hatte der Fremde gerade wirklich das ausgesprochen, was sie glaubte gehört zu haben? Einen Fluch unterdrückend biss sich Skadi auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. PRIMA! Das konnte nur noch besser werden! Und wenn sie den Stimmen Glauben schenken konnte, war der Rotschopf kurz davor aufzufliegen.
Langsam wandte sich die Jägerin herum und beobachtete die Szenerie. Applaudierte Cornelis innerlich für seinen dummen Fluchtversucht und drückte Enrique bereits kraftvoll gegen die Brust, als der laute Pfiff des Wachmanns durch die Straße hallte. Augenblicklich wandten sich die Köpfe der Umstehenden herum, die Hände auf die Ohren gepresst, um den schrillen lauten Ton von sich fern zu halten. Und eben diese Menschenmasse war es, die ihnen nun in die Karten spielen würden, wenn sie es richtig anstellten. Und dafür blieb kaum mehr Zeit. Gott, dieser Hornochse von einem Mann konnte froh sein, dass er Enrique so verdammt wichtig war. Andernfalls würde sie diesen Rotbart sich selbst überlassen und dabei zusehen, wie er sich aus seiner eigenen Scheiße heraus löffelte. Mit einer Gabel! Langsam zog sie ihren Bogen von der Brust, umspielte das unbiegsame Holz mit ihren Fingerspitzen und drückte es behutsam gegen Enriques Brust.
"Versuch ihn über die Nebenstraßen einzuholen und von hier weg zu bringen. Ich kümmer mich um die Drei.", flüsterte sie ihm entgegen, während sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte und weit zu seinem Ohr lehnte. Mit einem letzten eindringlichen Blick in die dunklen Augenpaare wandte sich Skadi leichtfüßig herum und schob sich langsam durch die erste kleine Traube von Menschen. Unbemerkt von den Umstehenden, dessen Aufmerksamkeit auf die Stadtwache und ihr Anhängsel gerichtet waren, schnappte sich Skadi im Vorbeigehen ein glitzerndes, buntes Tuch von einem der Stände und wickelte es sich fest um die Hüfte. Verdeckte damit den Dolch, der in ihrem Gürtel steckte und verlieh ihrer Optik etwas mehr "Weiblichkeit".
Ihr gefiel der Plan ganz und gar nicht, der sich in ihrem Kopf zusammenbraute, doch es blieb ihr wohl keine andere Wahl. Hoffentlich konnte sie in ein paar Tagen herzhaft darüber lachen - denn das, was sie gleich vom Stapel ließ, war unter anderen Umständen etwas, dass sie mit einem genervten Gesichtsausdruck quittierte.
"Ich glaub's ja nicht, dass du dich noch einmal hier her traust!"
Ihre Stimme dröhnte schon fast Ohren betäubend laut über die Köpfe hinweg, die sich augenblicklich in ihre Richtung wandten. Und erreichte sogar jene, dessen Aufmerksamkeit sie wie einen Magneten an sich ziehen wollte.
Stirnrunzelnd blickten die Stadtwachen über die Schulter, als sich Skadi mit wütenden Schritten näherte... und mit einem Mal wie eine Furie über den jungen Mann neben ihnen herfiel.
"Was glaubst du eigentlich wer du bist, hm?! Kommst hier her wie ein aufgetakelter Wichtigtuer und kriegst nicht einmal dein Hemd vernünftig in die Hose!"
Mit fuchtelnden Händen gestikulierte sie auf das kleine Entenschwänzen, dass zu einer Seite seines Hinterns heraus schaute und legte einen ziemlich überzeugenden, angewiderten Gesichtsausdruck auf. Es war fast schon gruselig, wie leicht ihr diese Rolle fiel.
"Hör mal gut zu mein Lieber, ich habe deine eifersüchtigen Spielchen satt!", wetterte sie lautstark und trat mit erhobenem Zeigefinger gefährlich nahe an den Fremden heran, der vor lauter Schock kaum wusste, was er erwidern sollte. So eine Furie war ihm scheinbar noch nie über den Weg gelaufen.
"Du ruinierst damit nicht nur meine Familie, sondern auch mich... hast du auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie ich mich dabei fühle? Hm?! Nein, natürlich nicht. Denn du denkst ja nur an dein Ego. Hauptsache dir gebührt alle Aufmerksamkeit. Das ist widerlich!"
Wenn nicht bereits die Hälfte der Umstehenden das Schauspiel verfolgte, dann jetzt. Selbst die Soldaten waren stehen geblieben und wandten sich herum. Schritten erst ein, als Skadi mit hochgezogener Unterlippe zu einer nächsten Salve an Beschimpfungen ansetzte.
"Miss... verzeihen Sie, aber..."
Gerade setzte der jüngere der Wachen zu einer Entschuldigung an, als Skadis wütender auf ihn gerichteter Blick ihn mit einem Mal verstummen ließ. Wie gut, dass sich nicht der ältere der Beiden an sie gerichtet hatte. Denn der wirkte wie eine recht schwer zu knackende Nuss.
"Ach... sie einer an.", spie sie leise aus und schnaubte. Stemmte erst ihre Hände in die Hüften und verschränkte sie dann mit finsterer Miene vor der Brust.
"Jetzt schaltest du auch noch die Stadtwache ein? Bist du denn völlig von Sinnen? Welcher Bierbrand ist dir verdammt noch einmal in den Kopf geschossen, du Vollidiot!? Reicht es dir nicht, dass du unser Leben bereits für die nächsten Jahre ruiniert hast? Deinetwegen musste ich mir eine neue Arbeit suchen und darf jetzt jeden Tag in einem dunklen Wirtshaus arbeiten und mich von betrunkenen Männern angrabschen lassen!"
"Miss... was auch immer ihr Missfallen erweckt hat, folgen wir gerade einem potentiellen Dieb. Wenn sie unserer Arbeit also nicht weiter im Wege stehen würden, dann...", setzte der Ältere mit bassiger Stimme an und wurde jäh vom hysterischen Auflachen der Dunkelhaarigen unterbrochen, dessen aufgerissene Augen erst ihn, dann den jungen Mann an ihrer Seite malträtierten.
"Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?!"
Um ihrer kratzigen und nahezu heiseren Stimme noch mehr Ausdruck zu verleihen, warf Skadi ihre Hände in die Luft und schleuderte ihren ausgestreckten Zeigefinger in die Richtung ihres vermeintlichen Lebenszerstörers.
"Hat ihnen dieser Hanswurst etwa von einem rotbärtigen Mann erzählt, der angeblich irgendetwas verbrochen haben soll?"
Die Verblüffung auf den Gesichtern der Wache war ein deutliches Zeichen dafür, dass sie ihre ganze Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Sie musste sich mit dem finalen Ende ihrer Show beeilen, bevor der junge Mann neben ihr noch seine Worte wiederfand.
"Nun meine Herren, ich kürze ihre kostbare Zeit an diesem "Fall" gern ab."
Mit erhobenen Fingern betonte sie in die angedeuteten Anführungszeichen und spürte bereits die Hitze, die sich in roten Flecken auf ihren Wangen abzeichnete.
"Nun, dass einzige, was dieser Mann verbrochen hat, ist mich zu heiraten und mir ein wunderbares Kind zu schenken! Der einzig wahre Verbrecher ist dieser Vollpfosten hier..."
Mit einer ausladenden Geste deutete sie auf den vor Schock erstarrten und unverständlich vor sich hin stotternden Mann neben sich und stampfte wütend mit dem Fuß auf den trockenen Boden auf.
"... seit Jahren stellt er mir schon nach und macht mir das Leben zur Hölle und als ob das nicht schon genug wäre, versucht er jetzt auch noch meinen Mann mit falschen Anschuldigungen ins Gefängnis zu bringen."
Ihr Blick wanderte von den Stadtwachen zu dem Fremden hinüber und wandelte sich von einer vor Wut verzerrten Maske, zu einer Miene purer Verzweiflung.
"Wieso tust du mir das nur an?! Wieso verdammt? Ich habe dir nie etwas getan, war immer freundlich zu dir und habe dich sogar vor diesen Raufbolden beschützt, die dich fast grün und blau geschlagen hätten. Merkst du nicht, dass du mit deinem Verhalten nur Probleme machst?"
Und er wirkte wie einer dieser Männer, der mit seiner großen Klappe oftmals etwas auf die Rübe bekam - wenn auch nur verbal.
Ein lautes Schniefen drang aus Skadis Kehle, gefolgt von einem winzigen Sturzbach schillernder Tränen. Noch nie hatte sie gewusst, dass sie so überzeugend weinen konnte! Hatte sich so viel Wut und Trübsal in ihr angestaut, dass es aus ihr herausquoll wie aus einem defekten Zapfhahn?
"Wie soll ich denn nur die kleine Meridith großziehen, wenn du mir auch noch meinen Mann wegnehmen willst? Hä? Hast du dir in deinem Wahn darüber schon einmal Gedanken gemacht?! Hörst du erst auf, wenn ich vollkommen am Boden bin?..."
Mit erhobener, flacher Hand schlug sie dem Fremden mehrmals auf die Brust. Zitterte am ganzen Körper und spürte erst Sekunden später die Hand der jungen Stadtwache an ihrem Oberarm.
Die Ablenkung war erfolgreich geglückt. Mit einem geräuschvollen Aufheulen brach eine erneute Flutwelle hervor, die Skadi nur mit etwas Mühe in den Griff bekam. Wischte sich schniefend die Tränen aus dem Gesicht, während sich nun auch der Ältere zu regen begann.
"Bringen sie diesen Halunken endlich dorthin wo er hingehört."
Beinahe brach ihre Stimme. Den Kopf erhoben und voller Tränen auf den Wangen. Die dunklen Augen auf die zwei Stadtwachen gerichtet, dessen Blicke sich trafen und Skadi eindeutig vermittelten, was sie womöglich schon lange von dem Fremden gehalten hatten - was für ein Wichtigtuer.
"Ich muss meinen Mann suchen..."
Gespielt erschöpft wischte sich die Dunkelhaarige mit dem Handrücken über Wangen und Nase, richtete sich kläglich zur vollen Größe auf und sah dann mit einem letzten funkelnden Blick zu dem immer noch vor sich hin stotternden Fremden hinüber.
"... hoffentlich hast du ihm nicht noch irgendetwas angetan, du widerlicher Bastard."
Und dann war sie in der Menge verschwunden, die ihr bereitwillig Platz machte und ihren Weg die Straße hinauf mit besorgten Blicken folgte.
[ Erst direkt bei Enrique | dann in Nähe des Getränkestandes bei den Stadtwachen | in der Nähe von Gregory, Trevor und Cornelis, aber außer Sichtweite | am Ende allein in Richtung Hauptstraße unterwegs ]