09.01.2019, 23:03
Das federleichte Gewicht der Karte verließ ihre Hand, nachdem er sich aus seiner verschwörerischen Pose wieder zurücklehnte. Talin lachte leise in sich hinein bei seinen Worten und merkte, wie sie sich selbst wieder gerade aufrichtete. Seine kleine Geste hatte sie dazu gebracht, sich ebenfalls vorzubeugen.
Während er die Karte in den Stapel zurück mischte, musste sie gleich noch einmal lachen, als sie an seine Worte dachte und konnte sich nicht verkneifen, etwas darauf zu sagen.
„Ich nehme mir gern zu viel vor. Wenn ich es nicht täte, würde die Morgenwind vielleicht immer noch fahren.“
Leicht dahin gesagte Worte, aber er hätte so viel mehr damit anstellen können. Eigentlich sollte Talin sich sorgen oder zumindest einmal fragen, warum sie ihm gegenüber das Geheimnis einfach so offenbart hatte.
Aber wenn sie ihren Gegenüber richtig einschätzte, dann würde er sicher nicht gleich zur Marine rennen, um sie zu verpfeifen. Wenn sie genauer darüber nachdachte, dann wusste sie mit Sicherheit, dass er es niemandem erzählen würde, denn wie er schon gesagt hatte: Die meisten Leute zweifelten an ihm. Talin sah es vor sich, wie die Soldaten lachten und meinten, er hätte es vermutlich in seinen Karten gelesen, dass ein blondes Mädchen ein Gefangenenschiff überfallen hatte. Da war sie jetzt fast ein bisschen traurig, dass sie ihre Worte nicht noch ein bisschen mehr ausgeschmückt hatte. Allerdings besaß sie in diesem Moment eh nicht mehr seine Aufmerksamkeit, um irgendetwas dramatisches dazu zu dichten.
Neugierig folgte sie seinem Blick, woraufhin sie sich kurz darauf anspannte. Sie brauchte seine Worte und die Geste nicht, um auf die dicke, schwere Luft zwischen den Männern aufmerksam gemacht zu werden. Auch anderen Gästen des Festes schien es so zu gehen, denn die meisten – die sich zum Gaffen zu schade waren – machten einen großen Bogen um die Ansammlung. Dumm nur, dass Talin sich gern selbst zu den Schaulustigen zählte. Schon wollte die Blonde sich wieder zu dem Wahrsager umdrehen und vorschlagen, ein wenig näher ran zu gehen, als ihr ein weiterer Mann in der Mitte der angespannten Luft auffiel. Während die beiden jungen Gockel sich bis dahin nur mit Worten duellierten, schien das Auftauchen des älteren Mannes, die Stimmung in eine gewalttätigere Richtung zu kippen.
„Das gibt wirklich Ärger“, wiederholte sie die Worte von Thaddeus, klang dabei aber nicht so besorgt wie er, während sie sich schon halb erhob. Bevor sie gänzlich stand, hielt sie aber noch einmal inne, stützte sich an der Stuhllehne ab, während sie zögerte. Sie konnte ihren neuen Freund ja schlecht allein lassen. Immerhin hatte sie sich gerade noch die Zukunft vorher sagen lassen wollen. Jetzt einfach so zu gehen, wäre auch nicht der beste Eindruck. Hin und her gerissen wanderte ihr Blick einmal zu dem Wahrsager, dann wieder zu der Menge. Hin und wieder zurück. Letztlich blieb sie an der Menschenmenge hängen und ihre Entscheidung war gefallen. Wieso nicht beides verbinden? Ihr Herz schlug ein klein wenig schneller und sie spürte, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen, als sie gänzlich aufstand. Die Blonde war nicht auf eine Schlägerei aus – würde diese vermutlich eh verlieren – aber sich in eine Gefahrensituation zu werfen, die sie vielleicht sogar entschärfen konnte (oder auch nicht), schien ihr jetzt genau das Richtige zu sein. Und das ganze Szenario vor ihr schrie gerade zu nach Gewalt, Schmerz und jeder Menge Spaß.
Ruckartig drehte sie den Kopf zu dem Blonden, die Haare wirbelten kurz durch die Luft und sie grinste ihn begeistert, fast ein bisschen wild, an.
„Hast du Lust mitzumischen, Wahrsager? Ich verspreche dir, es wird nichts passieren...oder auch alles.“
Obwohl ihr Körper unter Spannung stand – sie wippte unruhig auf den Füßen hin und her – sah sie weiter den Blonden auf eine Antwort wartend an, statt wieder zurück zu dem eigentlichen Schauspiel und streckte ihm auffordernd eine Hand entgegen.
[Brunnenplatz | bei Thaddeus | in der Nähe von Lucien und Shanaya | will sich auf dem Weg zu Sylas und der Menschenmenge machen]