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14 Jahre - Eine lange Zeit
Cornelis Feuerbart
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Keine Angabe
#8
"Si. Dritter Leutnant der Lusitania unter Giacomo da Gama, auch 'Piratenfänger' oder 'Der Schweißhund' genannt.
"Wir wollten, aber ihr habt uns das Ruder zerschossen, also konnten wir die Geschütze mit Kettenkugeln nicht mehr zum Tragen bringen ...
"... Damals glaubte ich noch an das, wofür die Marine steht.
"Y sí, zum Glück. Sonst säßen wir jetzt nicht hier."


Enrique seufzte.

"Sag mal:
"Was stand eigentlich in dem Brief, den du mir geschickt hattest? Vielleicht—"


Überlegend strich er über die Fahne.

"Vielleicht hilft mir das, deine 'Auferstehung' schneller zu kapieren."

Ein erneutes Seufzen.

"Und dann erzähl mir von der Onyx, falls du magst, damit ich mich auf etwas freuen kann?"

Zögernd sah er zu Feuerbart hinüber, halb neugierig, halb entschuldigend, seinen Tonfall am Ende der Aufforderung vorsichtig zur Frage verziehend, hatte er den Tonfall doch mitbekommen.


Cornelis nickte leicht, als Enrique weitersprach.

"Ja, da Gama sagt mir was. Den alten "Schweißhund" hatte jeder Piratenkapitän auf dem Schirm."

Dann wandte er seinem Freund wieder den Blick zu, bevor er weitersprach.

"Ich bin jedenfalls froh, daß mir das Schicksal erspart hat, irgendwann zu erfahren, daß du durch meine Hand gestorben wärst oder ein Leben lang in der Unsicherheit zu leben, was wohl aus dir geworden ist."

Ein kurzes Schweigen trat ein, bevor Enrique seine Frage nach dem Brief stellte. Cornelis´ Blick wurde in den nächsten Minuten leicht abwesend, während er über den Inhalt des Schreibens, das er vor so langer Zeit verfaßt hatte, nachdachte, bevor dieser zu seinem Freund zurückkehrte.

"Also wörtlich kann ich es dir nicht mehr wiedergeben, tut mir leid. Aber ich hatte schon damals nicht daran gezweifelt, daß dieser Schweinehund Russell behaupten würde, ich wäre bei dem Gefecht tot geblieben. Er hätte niemals zugegeben, daß er einen seiner Offiziere so weit getrieben hätte, daß dieser lieber mit den Piraten gesegelt wäre."
"Also war mein Anliegen in diesem Schreiben, daß du weißt, daß ich nicht tot bin. Ich habe versucht, dir meine Entscheidung zu erklären, daß es irgendwann mein Ende an der Rah bedeuten würde, wenn ich weiterhin unter diesem Mann segeln müßte. Und ich habe mich bei dir entschuldigt, daß ich nicht zuvor die Gelegenheit hatte, mit dir zu sprechen, und daß ich versuchen würde, dich baldmöglichst aufzusuchen..."


Cornelis lehnte den Kopf an die Reling und schloß die Augen.

"Ich kann immer noch nicht verstehen, warum dich mein Schreiben nicht erreicht hat. Der Mann, den Marquez mir zum Gefallen damit beauftragt hat, den Brief nach Estero zu bringen, schien mir zuverlässig zu sein..."

Plötzlich riß er die Augen wieder auf und sah Enrique mit entgeistertem Ausdruck an. Dann rieb er sich kurz über die Augen und ließ seine Hand übers Gesicht nach unten zum Kinn gleiten, bevor er weitersprach.

"Oh nein! Vermutlich war es meine Schuld..."
"Ich hatte nicht ausdrücklich gesagt, daß der Brief dir persönlich übergeben werden müßte... "
"Könnte es nicht sein, daß der Brief eurem Butler oder jemand anderem übergeben worden wäre und dann..."


Er sprach den Gedanken nicht zu Ende und doch stand plötzlich wieder überdeutlich das Erlebnis mit Enriques Vater vor neun Jahren vor seinem inneren Auge.
Über diese Erkenntnis geriet die zweite Frage seines Freundes zunächst in den Hintergrund.


Schweigend lauschte er und überlegte, bevor er antwortete:

"Dann ist er bei diesem hijo de puta gelandet, keine Frage", grollte er erbittert.
"Und hätte ich das gewusst, dann wäre ich vielleicht geblieben auch wenn — wenn ..."

Enrique schluckte trocken.

"Auch wenn mich zu dem Zeitpunkt Anderes beschäftigt hatte ..."

Er konnte die Woge aus Schmerz und Verlust gerade noch brechen, bevor sie ihn ertränken konnte. Zu frisch war alles, was mit Cornelis Verschwinden zusammenhing, als dass er darüber sprechen konnte. Auch wusste er nicht, wieviel der Rotbart darüber wusste oder ob sie dieses Gespräch dann noch fortsetzen würde und er brauchte es gerade viel zu sehr, um sich endlich davon überzeugen zu können, dass es wirklich wahr war, was Gestern passiert war.

"Auf jeden Fall war niemand außer Vater mehr da, als du dann zurückkehrtes."

Dann schaute er prüfend zum Älteren und wartete ab.


Cornelis´ Blick hatte sich auf die Planken des Decks gesenkt, als er die verheerenden Auswirkungen seiner Ungenauigkeit von damals erfaßt hatte.

"Es... es tut mir so unendlich leid, daß ich... ich... ich weiß nicht, daß ich nicht genauer war. Daß ich nicht gesagt habe, daß dir der Brief nur persönlich ausgehändigt werden dürfe. Aber... zu diesem Zeitpunkt hätte ich auch noch nicht damit gerechnet, daß meine Nachricht dich nicht erreichen könnte, wenn sie dein Haus erreicht. Wenn es denn überhaupt so gewesen ist", schränkte er zum Schluß noch ein.

Eine Pause entstand, in der sich ein bedrückendes Schweigen auf die Freunde legte. Dann griff Cornelis´ Verstand die andere Frage Enriques auf, als wäre diese Ablenkung das rettende Ufer aus einem Strudel des Grauens.

"Die Onyx... die Onyx ist ein herrliches Schiff!" Ein wehmütiges Lächlen, in dem trotzdem noch Stolz lag, erschien auf seinem Gesicht. "24 Kanonen, schnittig und schlank, schnell... Was willst du wissen?"

Er wandte den Blick nun wieder Enrique zu.


Enrique lehnte sich zurück und sah in den Himmel hinauf.

"Es ist jetzt egal."

Ein leises Lächeln wagte sich auf sein Gesicht.

"Wichtig ist, dass ich nun verstehe, warum deine Nachricht mich nicht erreicht hat und weiß, was du mir sagen wolltest."

Doch der Anflug von Heiterkeit konnte sich nicht durchsetzen und die Stille ergriff wieder Besitz von ihnen, bis Cornelis seiner Aufforderung nachkam, da kehrte sie mit der Neugier zu ihm zurück.
Seine Blick suchte das Gesicht des Rotbarts.

"Wenn du so fragst:
"Alles!"


Ein freudiges Leuchten erschien in seinen Augen und ein ehrliches Lächeln zeigte sich auf seiner Miene, als Enrique solch ein Interesse an seinem Schiff zeigte.

"Die Onyx... ich wünschte, ich könnte sie dir zeigen, also so richtig aus der Nähe und dir jeden Winkel auf ihr zeigen. Sie ist ein Traum!"
"Seidenmatt schwarz glänzt sie mit zwei dünnen, umlaufenden, weißen Linien."
"Sie ist ein Pinaßschiff, 33 Meter Lüa, 7 Meter breit, dabei aber nie mehr als 4 einhalb Meter Tiefgang. Zwölf 12-Pfünder auf jeder Seite im Kanonendeck, zwei 8-Pfünder Heckgeschütze. Man könnte zwar noch Geschütze auf dem Oberdeck stellen und sie damit sicher auf 40 bringen, aber das ging mir immer zu sehr auf die Geschwindigkeit. Meine Manöver bauten stets auf die hohe Geschwindigkeit auf."


Während er sprach, schwang seine Rechte vor ihm durch die Luft, als könne er die Onyx in die Luft malen, so daß Enrique sie sehen könnte - die Decklinie mit dem kleinen Aufbau am Heck - die schneidige Buglinie -die verhältnismäßig flache Kiellinie - die zwölf Stückpforten wurden mit dem Finger in die Flanke getippt... Masten und anderes sollten noch folgen bei der weiteren Erzählung.

"Als sie von der Doncella zur Onyx wurde, habe ich die Masten austauschen lassen und so die Segelfläche erhöht. Sie hat 3 Masten, ist als Vollschiff getakelt und erreicht nun eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Knoten!"

Mit Stolz im Blick sah er Enrique feurig lächelnd an.

"Zumal sie auf dem Bugspriet auch noch eine Blinde hat. 150 Mann Besatzung, so mehr oder weniger, du kannst dir sicher vorstellen, daß das bei einem Piratenschiff nicht immer gleich ist."


Schon als kleiner Junge hatte er sich die Schiffe aus den Büchern und Erzählungen bis ins kleinste Detail vorgestellt, so gut wie er es damals verstanden hatte, hatte sich von den Alten im Hafen die Sachen zeigen oder erklären lassen und sie mit seinen falschen Vorstellungen erheitert. Dann kam die Zeit, wo er mit Cornelis die Seepferdchen bis in den hintersten Winkel erkunden durfte und später dann, während seiner Zeit bei der Marine, technische Bücher und andere Schiffe.
So nahm die Onyx in seinem Geist Form an, gefüllt mit all den Details und der Verbundenheit ihres Kapitäns, die sie beinhaltete und ausmacht. Fast war ihm dabei als stünde er auf ihr und Striche seine Hand wirklich über ihre Reling.

"So du sie hattest", schmunzelteu er und dachte an die waghalsigen Manöver, die der Rotbart zwischen den Bones unternommen hatte, um endlich die benötigte Fahrt zu machen.
Dann stand plötzlich ein Name im Raum an den er sich nur zu gut erinnerte und erweckte das Schiff und seine Augen vollständig zum Leben. Er konnte ihre Bewegungen unter sich spüren, die Gischt auf den Wangen, hörte wie sie die nächste Woge brach und das Gut im Wind sang, roch Salz und Teer, ja schmeckte sie förmlich während seine Hände das Ruder oder eine Dirk bewegten.
Es war als wäre er, auch dank Feuerbarts Worten, schon ewig mit ihr gesegelt.

"Da mußtet ihr bei Sturm aber höllisch aufpassen, dass ihr nicht zu viel Segel setzt und kentert", kommentierte er. "Und 150 hattest du nie im Leben. 70 oder 80 Mann glaube ich dir eher und damit hattest du mehr als genug um sie tanzen zu lassen."

Weitere Worte folgen von seinen Lippen, fragten nach Details, schlugen Verbesserungen vor oder stellten Behauptungen auf, in denen Bewunderung und 10 Jahre professioneller Umgang mit der Materie steckten.

"Was meinst du? Ob sich aus der Sphinx auch so viel herausholen lässt? Sie ist zwar kleiner aber wahrscheinlich auch wendiger."


Cornelis genoß es sehr, Enrique von der Onyx und ihren Vorzügen zu erzählen. Und noch mehr genoß er es, als er sah, wie Enrique in der Matierie aufging und sein Blick ihm erschien, als könne dieser sie tatsächlich sehen - jedenfalls erschien es ihm so.

"Da hast du recht, man muß verflucht aufpassen, wie viele Segel man bei welchen Windverhältnissen setzt. Und das ist im Moment auch eine meiner größten Sorgen."

Beim letzten Satz enthielt seine Stimme wieder Bitterkeit bei dem Gedanken daran, daß Roberts durch eine Fehlentscheidung sein geliebtes Schiff ganz ohne Feindeinwirkung versenken konnte.
Doch Enrique schaffte es zum Glück, ihn durch seine Neckerei zur Mannschaftsstärke rechtzeitig genug von diesem wunden Punkt zurückzuholen und nun grinste Feuerbart wieder, als er seinen alten Freund ansah.

"Nun gut, zwischen 100 und 110 sind realistischer, das gebe ich schon zu. Aber viel weniger ging nicht, um gleichzeitig die vielen Segel zu bedienen und die Kanonen besetzen zu lassen."

Dann erging er sich mit seinem alten Freund in Details, kommentierte dessen Vorschläge und Behauptungen.
Als Enrique schließlich auf die Sphinx zu sprechen kam, wandte sich sein Blick ab und wanderte prüfend über die Außmaße des Schiffs und schließlich hinauf zu den Masten.

"Da sie deutlich kleiner ist, wird sie auf jeden Fall noch etwas wendiger sein. Wegen der Geschwindigkeit vermag ich so noch nicht zu sagen. Ich habe ja ihre Segelfläche im Verhältnis zu ihren Dimensionen noch nicht gesehen. Aber du segelst doch nun schon ein paar Tage mit ihr, oder? Was meinst du denn dazu?"


Das kurze Aufflackern von Verbitterung entging ihm nicht und machte ihm klar, wie heikel das Thema würde, wenn er nicht aufpasste.

"Als ob du nicht auch mit weniger gefahren wärst! Wahrscheinlich warst du dann ein waschechter Schinder, weil du sie überall gleichzeitig haben wolltest. Genau wie ich es an deiner Stelle gewesen wäre."

Bei dieser Feststellung grinste er provokant und rechnete mit mit einer Kasperklatsche.

***

"Ich habe sie noch nicht großartig manövrieren sehen und Geschwindigkeit ist auf See schwer abzuschätzen, aber sie liegt gut am Wind und als sie hier in die Bucht schwenkte, sanft und elegant, da zeigte sie mir, dass sie Potenzial hat. Wir müssen nur den Rumpf dicht bekommen und sie wird wieder leicht auf dem Wasser liegen.
Und ihre Segel, wie Flügel aus Feuer. Ich denke, wenn wir sie dann setzen, dann wird sie auch zeigen, wie schnell sie wirklich ist.
Von ihrer Konstruktion her ist sie auf jeden Fall schnell und wendig. Es bleibt hauptsächlich die Frage, wie ihr das Alter bekommen ist und wie gut wir sie wieder in Schuß kriegen. Und natürlich welche kleinen Eigenheiten sie hat, die sich nur im Einsatz zeigen."


Einen Moment lang schwieg er. Dann sah er zu den Masten hinauf.

"Aber auch wie gut die Männer und Frauen sind, die sie führen ...
"Ich ...
"Sie ...
"Ich denke, sie könnte Leute wie uns gebrauchen. Zumindest, bis sie wieder so schön ist, wie sie es verdient und man sich nach ihr reißt.
"Ich jedenfalls würde ihr das geben wollen, allein dafür, dass sie mich zu dir gebracht hat.
Und — vielleicht bringt sie uns ja auch zur Onyx?"


Leicht drehte er den Kopf zum Älteren und spähte vorsichtig zu ihm hinüber.
War das mitunter schon zuviel gewesen?


Cornelis lachte kurz amüsiert auf und schlug Enrique leicht mit der Faust gegen das Bein.

"Ich sehe, du kennst mich noch..."

****

Cornelis hörte sich seine Ausführungen an und nickte hier und da leicht bestätigend. Dann erschien ein ungewöhnlich weiches Lächeln auf seinen Zügen und er erwiderte:

"Ja, dafür daß sie dich zu mir gebracht hat, will ich ihr auch alles geben, was mir möglich ist."

Doch im nächsten Moment traf es ihn wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht, als Enrique davon sprach, daß sie sie vielleicht irgendwann zu Onyx bringen könnte. Seine Miene hatte sich schlagartig verfinstert und würde nun den ein oder anderen in Furcht versetzen.

"Und vielleicht bringt sie uns irgendwann zur Onyx...", wiederholte er, doch seine Stimme war nun ganz dunkel vor Hass.

Zu unvorbereitet hatte ihn dieses verhasste Thema getroffen, als daß er sich unter Kontrolle halten konnte. Es hielt ihn nicht mehr auf den Planken. Beim Aufstützen fürs Aufstehen fühlte er irgendetwas unter seiner Hand und hob es automatisch mit auf. Wie sich herausstellte, war es ein kleines Steinchen, welches er nun wütend fortwarf, so daß es klackernd über die Planken sprang. Mit hartem Schritt ging er ein Stück über das Deck, doch war er in diesem Moment nicht im Stande den wie eine Stichflamme hochschießenden Zorn und Hass einzudämmen. Seine Rechte ballte sich zur Faust und landete krachend auf der Reling, dann klammerten sich beide Hände um diese, daß die Knöchel weiß wurden, gerade so als würde er jemanden in diesem Augenblick erwürgen wollen.
In die hereinbrechende Nacht über die schon dunkle See hinaus murmelte er mit vor Zorn bebender Stimme:

"Roberts, Wright.... irgendwann erwische ich euch... irgendwann..."


Wie hatte er dieses verträumte Lächeln vermisst!
Doch dann rastete der Ältere aus und Enrique senkte betrübt den Kopf.
'Erwähne sie bloß nicht!'
Ein seufzen entrang sich ihm, während er den Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten fallen ließ. Dann stemmte er sich vorsichtig hoch und wartete.
Erst als Cornelis an der Reling stillstand bewegte er sich langsam zu ihm hin. Dabei achtete er darauf, dass seine Schritte deutlich hörbar waren.

"Und, wenn ich kann, werde ich dir dabei helfen."

Eine simple Feststellung in ruhigem Ton. Dabei blieb es auch, als er weitersprach:

"Erzähl mir irgendwann, was genau passiert ist. Dann wenn dir danach ist. Ich kann warten."

Etwa eine halbe Armeslänge von Feuerbart entfernt trat er neben ihn und schaute, genau wie er, zur Insel hinüber. Allerdings ohne sich aufzustützen, sondern mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, in der altvertrauten Haltung eines Marineoffiziers.
Der Hüne mochte stutzen oder stolz sein, denn Warten war etwas, was Enrique damals kaum gekonnt hatte.

"Und die Namen werde ich mir merken.
"Apropos:
"Nimm dich vor dieser Shanaya in Acht. Nicht dass ich sie für hinterrücks oder gefährlich halten würde, aber sie ist extrem nervig und hält sich für wer weiß wen. Und wahrscheinlich wird sie auch dich versuchen zu provozieren."


Langsam begann sein Bewußtsein wieder die Oberhand über seinen unbändigen Zorn zu gewinnen. Er hatte die Augen geschlossen und sein Griff an der Reling lockerte sich, so daß die Knöchel nun nicht mehr weiß hervortraten.
Da kam Enrique zu ihm, blieb neben ihm stehen und bot ihm seine Hilfe im Kampf gegen die Verräter an. Mit geschlossenen Augen senkte er etwas den Kopf, es war ihm unangenehm, daß es im Angesicht seines Freundes so mit ihm durch gegangen war. Er hatte sich wieder beruhigt und leise sagte er:

"Es tut mir leid, ich hätte gerne vermieden, daß du meinen Hass zu spüren bekommst. Wenn ich so unerwartet darauf gestoßen werde, verliere ich im Moment immer die Beherrschung."

Diese Worte, diese Entschuldigung, waren so gar nicht Cornelis´ sonst so stolze und unbeugsame Art, wie Enrique wußte, und machte nur noch einmal mehr deutlich, wie nahe ihm der junge Mann stand.
Schweigend lauschte er den weiteren Worten seines Freundes, nickte nur kurz als dieser geendet hatte.

"Danke für die Warnung."

Dann trat einen Moment Schweigen ein, während Cornelis sich sammelte. Während der ganzen Zeit hatte er Enrique nicht einmal angesehen, sondern auf die See hinausgestarrt. Jetzt jedoch hob er den Blick und wandte ihn seinem Freund zu.

"Nein, nicht irgendwann. Ich möchte, daß du weißt, was passiert ist, du bist der Einzige, bei dem es mir ein persönliches Anliegen ist, daß du es weißt."

Er ließ die Reling los, drehte sich um und ließ sich wieder auf die Planken sinken. Es wirkte fast so, als wäre er von einer großen Anstrengung erschöpft, doch Enrique, und nur er, kannte ihn gut genug um zu sehen, daß Verzweiflung und Trauer diesen erschöpft erscheinenden Zustand auslösten.


"Wenn es raus muss, muss es raus. Außerdem war er nicht gegen mich gerichtet. Du hast mir damit also nicht weh getan.
"Und obendrein:
"Wie oft hast du meinen Zorn aushalten müssen?
"Es tut mir lediglich leid, dass ich diesen Hass hervorgerufen habe. Bitte entschuldige!"


Es mochte etwas steif und einstudiert wirken, denn es hatte ihn getroffen, doch das würde er nicht zeigen und so wurde lediglich im Tonfall und in seinen Augen deutlich, dass er es trotzdem ernst meinte.

Es war anstrengend so Aufrecht zu stehen, verlangte sein Körper doch, dass er die Rippe entlastete, doch er wartete eisern ab und nickte knapp mit verschlossenem aber aufmerksamen Gesichtsausdruck.

Die Art, wie der Rotbart sich niederließ, schmerzte auf andere Weise, und traf ihn abermals tief.
Auch deshalb brauchte er eine Weile, ehe er sich ebenfalls vorsichtig setzte.
Wie sehr verlangte es ihm danach, Feuerbart wie damals einfach in den Arm zu nehmen!
Allerdings wusste er, dass er dann die Kontrolle über seine Gefühle verlieren würde.
Also meinte er lediglich:

"Dann erzähl! Ich bin ganz Ohr."


Cornelis rang für einen Moment die Hände ineinander und schloß noch einmal die Augen, bevor er leise zu sprechen begann.

"Ich werde von vorne anfangen. So lang ist meine Geschichte gar nicht. Sicherlich gibt es noch viele Details, die ich dir nach und nach sicher auch noch erzählen werde, aber die wesentlichen Schritte sind gar nicht so viele."

Er sah Enrique nochmals mit traurigem Blick in den Augen an, bevor er sein Haupt wieder erhob und er zu den langsam aufblinkenden Sternen am Firmament blickte.

"Der Überfall damals auf die Seepferdchen, das war die Capitana unter Käpt´n Marquez. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon so voller Zorn und Hass auf Russell, daß ich mich spontan dazu entschloß, mit den Piraten zu segeln, als diese das meiner Mannschaft anbot. Ich wurde damals zunächst Kanonenmaat, nach einem Jahr etwa erneut Steuermann, als der alte ausfiel.
Dort, auf der Capitana, fand ich zwei Freunde, Pepe Díaz mit dem hellen Verstand und Finn Murray mit dem großen Herzen. Und als ich mich in meinem vierten Jahr als Pirat in die Doncella, die danach meine Onyx wurde, verliebt hatte und bei Marquez abheuerte, blieben die beiden bei mir. Pepe habe ich zu meinem Steuermann ausgebildet, Finn habe ich zum Quartiermeister ernannt. Es war zwar gegen die normale Vorgehensweise, aber es war offensichtlich auch die richtige Entscheidung, denn niemals hatte einer der Seemänner einen Zweifel an Finn als Quartiermeister geäußert. Er war einfach ein guter "Vater" für die Leute..."


Er stockte einen Moment und presste die Lippen aufeinander. Es schmerzte ihn immer noch sehr, von seinen beiden Vertrauten zu sprechen, und eine einzelne Träne entrang sich seinem Augenwinkel.

"Du kennst mich, ich bin ein harter Mann, ein "Schinder", wie du es vorhin so treffend geäußert hast. Ich verlange viel von mir selbst, aber auch von meinen Leuten habe ich immer viel verlangt. Pepe, aber vor allem Finn, verstanden es, die Leute immer zu beruhigen. Meistens benutzte er dafür das Argument, daß wir ohne die harte Arbeit nicht so erfolgreich wären, wie wir es waren..."

Wieder stockte er. Er schloß die Augen, sein Kopf sank herab und weitere stumme Tränen rannen über sein Gesicht während er mit sich rang, um weitererzählen zu können. Als er schließlich weitersprach, war seine Stimme leicht rau.

"Vor einem guten halben Jahr waren wir wieder auf Kaperfahrt. Wir hatten die Information aufgegriffen, daß es eine äußerst lohnende Beute zu holen gab und wir fanden das Schiff auch tatsächlich. Doch die Mannschaft dieses Schiffes ergab sich nicht. So enterten wir nach kurzem Gefecht und mußten gegen die Mannschaft kämpfen. Doch diese besaß Handgranaten zu ihrer Verteidigung. Als die erste rollte, kämpften Pepe und Finn Seite an Seite, Schulter an Schulter. Ich war ein Stück entfernt, schrie, versuchte sie zu warnen, doch meine Rufe gingen im Kampfeslärm unter. Im nächsten Moment mußte ich mitansehen, wie sie die Explosion der Handgranate zeriss, beide zusammen..."

Seine Stimme brach und er war zunächst unfähig, weiterzusprechen. Er barg seine Augen hinter seiner Rechten und stumme Schluchzer schüttelten seinen kräftigen Körper. Enrique war klar, daß er außer ihm, seinem engsten Freund und Bruder, niemandem in derlei emotionaler und ausführlicher Art von seinem Verlust erzählen würde.


Wieder so ein Treffer ins Herz, den er kaum abfangen konnte. Zumindest nicht, wenn er dem Rotbart nahe sein wollte. Und eigentlich wollte er das. Trotzdem versteifte er sich kaum merklich und, zu seinem Glück, richtet der Ältere den Blick in den Nachthimmel, bevor sich die Maske gänzlich aus seinem Gesicht einstellte.
So lauschte er distanziert aber aufmerksam, kaum registrierend, dass er doch in alte Muster verfiel.
'Capitana ... Marquez, auch der Knochenbeißer genannt. Wo sein Rufname wohl wirklich herkommt? Man erzählt sich ja so einiges ... Russel ... Hass ... Pepe Díaz ... Finn Murray ... Freunde ... Donacella ... Onyx ... Guter Vater ...'
Er merkte die neidischen Stiche in der Brust kaum, denn was ging es ihn an?
Gleichzeitig schrie und trommelte der Junge von damals tief in ihm gegen die Wände seines Gefängnis, tobte, weinte und fluchte, während es sich immer enger um ihn zusammenzog.
'Erfolgreich ...'
Enriques Lippen färbten sich unbemerkt weiß, so fest presste er sie aufeinander.
'Du solltest ihm die Hand auf die Schulter legen', legte ihm seine Verstand sachlich nahe. Doch es wäre rein mechanisch gewesen und ein Zeichen von Schwäche.
'Aber ich bin nicht mehr auf der Morgenwind.'
Da setzte er an die Hand zu heben und spürte, wie er drohte die Kontrolle über seine Emotionen zu verlieren und senkte sie wieder.
'No. Nicht jetzt. Nicht vor ihm.'
Doch dann waren da die Worte und das Beben und er wusste, rein von der Logik her, er musste etwas tun. Also Zwang er sich doch die Hand zu heben, sie gegen den Oberarm seines Kindheitsfreundes zu legen und dort zu lassen.

Stumm saßen sie eine Weile.
'Handgranaten ...'
Dann konnte er sich endlich auf etwas nicht zu Persönliches besinnen und fragte:

"Die müssen ganz schön verzweifelt gewesen sein, wenn sie bereit waren ihr Schiff, auf diese Weise, zu beschädigen um euch abzuwehren. — Oder etwas extrem Wertvolles an Bord gehabt haben.
"¡Con los ancestros! Sie hätten sich selbst damit versenken können. Was für ein Capitán würde sich sonst sein Heim und seine Mannschaft so zerpflücken lassen?"


Cornelis spürte die Hand, doch zu fremd fühlte sie sich an, als daß sie ihm in diesem Moment Trost zu spenden vermochte. Und dann kamen diese Worte, so distanziert, so neutral und unpersönlich, daß es Cornelis wie ein glühender Dolch in die Seite fuhr und sie seine Tränen urplötzlich versiegen ließen. Er wischte sich kurz mit dem Handrücken über die Augen. Nein, hier und jetzt war kein Platz für seine Emotionen, waren sie beide noch nicht wieder fähig dazu. Er räusperte sich, bevor er weitersprach und seine Worte wirkten plötzlich distanzierter, entfremdet.

"Nun, es sah nicht gut aus für die Besatzung. Der Sieg war zu diesem Zeitpunkt bereits fast der unsrige und auch trotz der Handgranaten siegten wir noch, mußten aber böse Verluste einstecken. Und ja, es war auch eine überaus wertvolle Fracht an Silber und Gewürzen auf dem Kahn."

Er hielt einen Moment inne, während er sich auf die neue Situation einstellte, sich darauf einstellte neutral von der weiteren Geschichte zu erzählen.

"Jedenfalls beeinträchtigte mich der Verlust meiner beiden Vertrauten so sehr, daß meine Sinne ganz benebelt waren und mich selbst meine Menschenkenntnis im Stich ließ. So kam Thomas Roberts als neuer Steuermann auf mein Schiff und der brachte seinen Kumpel David Wright gleich mit. Irgendwie hat es dieser Schleimbeutel Wright direkt geschafft, sich als Quartiermeister wählen zu lassen."
"Im nächsten halben Jahr müssen die beiden hinter meinem Rücken ihre Intrigen getrieben haben. Statt die Wellen zu glätten, ließen sie die Unzufriedenheit der Männer hochkochen und leisteten dabei noch ihren Anteil - so stelle ich es mir vor. Und am 26. Februar meuterte die Mannschaft dann gegen mich, Rädelsführer waren dabei Roberts und Wright."
"Nur Scortias, mein guter Schiffsjunge, blieb mir treu. Alle anderen, die vielleicht nicht davon überzeugt waren, hatten jedenfalls nicht den Mumm, sich den beiden und dem Rest der Mannschaft entgegenzustellen."
"Drei Tage später setzten sie uns auf dieser Insel aus. Na ja, und nun sind wir hier..."


Er verstummte und sein Blick blieb fest auf die Sterne und den Horizont gerichtet.


Kurz überlegte er, was diese Reaktion hervorgerufen haben könnte, konzentrierte sich dann aber auf den Fortgang der Geschichte.

"Steuergelder", murmelte er mehr zu sich selbst. "Oder etwas ähnliches."
Er hätte eigentlich entsetzt über Cornelis Reaktion sein müssen, und er war es irgendwo auch, aber es war, wie blind und gefesselt, mit dem Rücken zum Abgrund stehen und die Erde unter den Füßen nach und nach wegbrechen zu fühlen.
Er konnte nichts machen.
Hatte sich selbst in diese Situation gebracht und nun fand er keinen elegant Weg aus ihr heraus, denn das, was ihm als das Beste erschienen war, entpuppte sich jetzt als schmerzhafte Fehlentscheidung und jede andere würde es jetzt nur noch schlimmer machen.
Ihm blieb nichts anderes, als stillzusitzen und zuzuhören.

"Mierda."
Und wieder kam er aus der Ecke, in die er sich manövriert hatte nicht mehr heraus. Es blieb ihm nichts, als den Oberarm zu drücken.

"¡Miserables bastardos! Dafür gehören sie kielgeholt!"

Seine Wut war deutlich zu hören. Die hatte er gelernt sich zum Werkzeug zu machen.

Danach stellte sich Schweigen ein ...


Und das Schweigen hielt sich hartnäckig, denn Cornelis konnte ebenso wenig mit der Situation, in der sie sich befanden, umgehen wie Enrique. Er war bereit gewesen, seinem Freund und Bruder sein Herz zu öffnen, doch dessen distanziertes und irgendwie mechanisch wirkendes Verhalten gaben ihm im Moment das Gefühl, neben einem Fremden zu sitzen.

Was war nur los? Wo war sein Enrique geblieben, der nie so.... unpersönlich auf seine Geschichte reagiert hätte, selbst wenn er kein Kind mehr gewesen wäre? Er wußte und verstand es nicht und hatte doch keine Ahnung davon, welch harte Prüfungen das Leben seinem Freund vielleicht aufgebürtet hatte. Er hatte bis vor einem halben Jahr ein gutes Leben geführt. Sicher hatte es immer wieder Rückschläge und Unschönes gegeben und doch war es ein gutes Leben gewesen.

Zutiefst betrübte ihn der Gedanke, daß er Enrique wiedergefunden hatte und doch nicht. Warum hatte er sich nur diese Blöße gegeben und seine Emotionen deutlich gemacht? Wie war er nur auf den Gedanken gekommen, daß dieser Enrique derselbe sein sollte wie vor 14 Jahren?

Er hielt es nicht aus, zu schmerzhaft war es für ihn, hier neben seinem fremden Freund zu sitzen. Ohne Enrique anzusehen sagte er deshalb mit betrübter Stimme:

"Ich glaube, es reicht für heute."

Danach stand er auf, doch zögerte noch einen Moment zu gehen, hoffte inständig darauf, daß Enrique etwas sagen, ihn zurückhalten, möge.


Enrique endging nicht, dass Cornelis unruhig wurde.
Was sollte er tun?
Sich ihm jetzt noch an den Hals werfen oder versuchen ihn in seine Arme zu ziehen?
Der Rotbart würde ihn von sich stoßen.
Ihm sagen was er dachte?
Das brachte er nicht fertig. Zu viel Finsternis würde mit hervorkommen.
Sie herauslassen?
Dann würde er irgendwann zusammenbrechen, wenn sein Hass nicht vorher alles unrettbar zerstörte.
Nichts tun?
Er sollte für seinen Freund da sein und nicht schweigen. Er wollte es auch, aber wie?

Der Satz, der dann plötzlich durch die Stille schnitt, riss an seinem Herzen und drängte ihn noch tiefer in seinen Panzer.
Auch der Schwarzhaarige kämpfte sich auf die Füße und dann mit sich selbst.
Was sollte er jetzt sagen? Was tun?
Die Wahrheit wäre sicher das Beste, auch wenn es nicht die ganze Wahrheit sein würde ...

"Danke, dass du es mir erzählt hast", brachte er irgendwie heraus, und legte soviel Dankbarkeit wie er konnte in diese Worte. Denn er war es und meinte es ernst.
"Entschuldige wenn du etwas anderes von mir erhofft hast, aber ich bin müde und die Rippe, die ich mir gestern zumindest angebrochen habe schmerzt fürchterlich. Ich- Ich wollte dir unbedingt bis zum Ende zuhören, deshalb habe ich das nicht früher erwähnt."

Halb war es die Wahrheit, halb schob er es vor, versuchte damit sein Versagen abzumildern, genauso wie die Enttäuschungen bei seinem Freund.
Und doch war es eher der innerel Schmerz, der ihn quälte und sich leicht zusammenkrümmen ließ. Er fühlte sich schäbig, und das trieb ihm ein feuchtes Glitzern in die Augen und ließ ihn sich abwenden.
¡Espíritus de los antepasados! Helft mir!

"Es tut mir leid ...", 'so furchtbar leid.'

Mehr Worte brachte er an dem Klos in seinem Hals und der Übelkeit in seinem Magen nicht vorbei.


War er ihm einen Augenblick zuvor noch so fremd gewesen, fühlte sich Cornelis seinem alten Freund, diesem Bild des Jammers, plötzlich wieder so nah. Und er begriff, daß er gar nichts anderes sein konnte - er konnte Enrique nur nah sein, denn er liebte seinen Bruder von ganzem Herzen.

Es war tatsächlich genug für heute - vielleicht schon ein wenig zu viel für Enrique. Aber dennoch war es keine Option mehr für ihn, so auseinander zu gehen. Langsam umrundete er Enrique, so daß er ihn wieder von vorne ansehen konnte, auch wenn dessen Gesicht gesenkt blieb. Ein Schmunzeln, das eine Mischung aus Glück und Traurigkeit in sich trug, erschien auf Cornelis´ Zügen.

"Du bist immer noch ein schrecklich schlechter Lügner...", neckte er.

Dann hob er seine Hände, nahm Enriques Kopf in sie und legte seine Stirn für einen kurzen Moment an die seines Freundes, bevor er ihn nur wenige Herzschläge später wieder losließ.

"Es ist schon gut. Es ist tatsächlich genug für heute. Ich habe begriffen, daß du noch nicht bereit bist für zu viel von mir."

Er bückte sich, hob seine Fahne auf, die noch neben Enriques Platz auf den Planken lag, sah dann wieder zu seinem Freund und wartete ab, ob dieser noch etwas sagen wollte.


Langsam hob er den Blick, gerade weit genug, um Cornelis anzusehen. Und eigentlich hätte er einen Scherz machen wollen. Doch es klang einfach nur erschöpft:

"Nur weil ich ehrlich zu dir sein will."

Als sie Stirn an Stirn standen griff er nach der Jacke des anderen und hielt sich daran fest.

"Ich ...
"Es tut mir Leid ..."


Dann lies er ihn los und beobachtete wie der Andere die Flagge aufhob.

"Es tut mir Leid, es— ich—
"bitte verzeih mir!"


Cornelis legte ihm seinen Arm um die Schultern und drückte ihn für einen Moment an sich.

"Es gibt nichts zu verzeihen, Bruder."
"Ich... ich muß nur erst begreifen, daß wir nicht einfach so an unser letztes Wiedersehen von vor 14 Jahren anknüpfen können. Ich meine... du warst nie tot für mich und ich habe eigentlich ein gutes Leben geführt, bis vor einem halben Jahr zumindest. Ich muß einfach erst einmal begreifen, daß es bei dir nicht so war und daß... daß es jetzt Hürden gibt, die es zu überwinden gilt."


Es fiel ihm nicht ganz leicht zu formulieren, was er erst jetzt am Rande ankratzte zu begreifen.

"Ich hoffe, du kannst verstehen, was ich meine, ich verstehe es selbst noch nicht richtig..."


Enrique erwiderte die Umarmung kurz und mit leichtem Druck.

"Doch, ich verstehe was du meinst...
"Danke ...!"


Irgendwie schaffte er dazu noch ein halbes aber ernstgemeintes Lächeln.


Cornelis erwiderte das Lächeln mit einer Mischung von Glück und Traurigkeit in seinen Augen.

"Trotz allem bin ich froh, dich wiedergefunden zu haben, mein lieber kleiner Bruder."
"So und jetzt erlöse ich dich für heute von mir."


Er mußte einen Schlußstrich ziehen, denn sonst hätte er sich nicht so leicht von Enrique fortreißen können. Dieser hätte es wahrscheinlich sogar ertragen, aber das war nicht das, was Cornelis bei Enrique spüren wollte - ertragen werden...

Seine Hand hob sich nochmals halb, er ließ sie jedoch wieder sinken und sagte stattdessen sehr leise:

"Ich habe dich so sehr vermisst..."

Dann riß er sich gewaltsam los, wandte sich um und ging langsam davon, jedoch noch immer ein Ohr zurückgewandt, falls irgendetwas passieren sollte.


"Si", murmelte er, "ich auch."

Auf den Nachsatz brachte er keine Erwiderung zustande, sondern schloss nur die Augen und schluckte schwer. Dann sah er Cornelis stumm nach bis jener aus seinem Sichtfeld verschwunden war.



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14 Jahre - Eine lange Zeit - von Cornelis Feuerbart - 23.08.2018, 15:57
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