15.12.2018, 09:52
Schlagartig wurde er wieder ernst, als ihm klar wurde, dass sie es mitbekommen hatte. Ebenso dämmerte ihm, dass es wohl auch in Zukunft, in solchen Situationen, nichts bringen würde, so zu tun, als wäre da nichts gewesen oder als wären sie nicht wer sie waren. Dafür hatten sie sich längst zu nah aneinander herangelassen. Und, obwohl ihm das nicht bewusst war, waren sie, nach all den Jahren, viel zu vertraut, als das er mehr in ihr Tun hineininterpretieren würde als da war, auch wenn ihr Verhalten ihm gegenüber anders war als bei den übrigen Menschen. Vielleicht konnte oder wollte er es sogar nicht glauben, dass sie ihm solch eine Loyalität und Freundschaft schenkte, weil er sich selbst dem nicht wert fühlte.
Derzeit dachte er allerdings nicht über solche Dinge nach, sondern schwieg und lauschte aufmerksam ihren Worten. Natürlich hatte sie recht und gerade auch weil sie nicht mehr sein Untergebener war schenkt er ihren Argumenten Beachtung.
Doch ihr letzter Satz brachte ihn erneut zu lachen:
"Bestrafen? Wie willst du mich denn bestrafen?", fragte er, trat dann, mit erneut ernstem Blick, an sie heran und legt ihr, vor allem für die Umstehenden, die Hände auf die Schultern. Leise, so dass nur Skadi es verstehen konnte, tat er etwas, dass ihm auf der Morgenwind nie eingefallen wäre:
Er erläuterte ihr seine Überlegungen.
"Ich brauche dir nicht zu sagen, dass sich die meisten Leute hier vor allem mit ihre eigenen Angelegenheiten beschäftigen und, so lange wir uns unauffällig verhalten, uns nicht beachten werden. Schon gar nicht, wenn noch irgendein Spektakel hinzukommt, seien es die Boxkämpfe oder eine Schlägerei.
"Wir werden uns also einfach wie alle Anderen von der Aufregung anlocken lassen, bis wir hören, was vor sich geht und dann können wir entscheiden, ob wir das noch weiter untersuchen müssen. Falls nicht biegen wir ab und verschwinden.
"Außerdem wurden wir bis gestern Nacht nicht gesucht, wenn kamen die Steckbriefe also höchstens mit der Flut heute Früh und liegen jetzt den Oberen und der Wache vor. Ich glaube nicht, dass sie es bereits an die Anschlagetafeln geschafft haben. Wir wissen beide, dass die Verwalter und Adligen Probleme gern nach hinten schieben. Die Marine ist, wie wir unschwer in den letzten Tagen beobachten konnten, trotz des zusätzlichen Personals, unterbesetzt und überarbeitet. Möglich, dass sie das Fest vorschiebt, um sich nicht auch noch mit solchen Sachen herumzuplagen.
"Trotzdem hast du Recht, es besteht immer noch die Möglichkeit, dass wir es hier mit dem einen oder anderen Übereifrigen zu tun haben und man nach uns ausschau hält.
"Ich glaube es zwar nicht, aber gut. Wenn du sagst 'Wir gehen' werde ich versuchen auf dich zu hören."
Er kannte sich zu gut um nicht zu Wissen, dass irgendetwas die Situation und damit seine Einstellung jederzeit ändern könnte, doch an sich stand er hinter diesen Worten.
Dann hielt er ihr, wie damals auch Isabella, die Hand hin, zum Einen um weniger aufzufallen, zum Anderen auch damit sie ihn bremsen könnte, sollte sie es für nötig halten. Dann zwinkerte er ihr zu.
"Und ja, du kannst mich beim Wort nehmen. Wenn du mich läßt, dann lasse ich dich nicht allein, bis wir herausgefunden haben, wer hier auf wen aufpasst."
***
Während sie sich mit der Masse auf den Tumult zubewegten hallte ihre Reaktion noch lange in ihm nach, auch noch, als sie sich der Kreuzung näherten, an der Cornelis auf sein Getränk wartete und ein junger Mann die Wache endlich in Richtung Juweliersstand in Bewegung setzen konnte.
Von seinen Überlegungen und davon, dass ihn das Geschehene aufwühlte war nichts auf seinem Gesicht zu lesen, seine Augen und Ohren wachsam auf die Masse und Skadi gerichtet, während sein Verstand langsam das Bild zusammenfügte.
Er hatte damit recht gehabt, dass es ihr unangenehm gewesen war. Trotzdem war sie stehen geblieben und hatte ihr Unbehagen niedergekämpft, ihn und seine Reaktion akzeptiert, sich sogar angelehnt und deutlich gemacht, dass er ihr wichtig genug war, dass sie ihm solches "Eindringen" in ihre Privatsphäre nicht vorhalten würde.
Das war so viel mehr, als die meisten Menschen in seinem Leben getan hatten ...
Doch das hieß auch, dass er sich noch mehr bemühen musste, damit das auch so bliebe. Denn er ging nicht davon aus, dass sie einen unendlichen Geduldsfaden besäße und ihm immer alles verzeihen würde.
Er seufzte leise, denn Blick kurz zum Himmel erhoben.
Es wäre so viel einfacher, das Alles seien zu lassen und zu den alten Spielregeln zurückzukehren, in die alten Rollen zu schlüpfen und sich nicht zwischen die Riffe zu wagen, "mit den Quallen zu tanzen", wie die Ara'ke'ni sagen würden.
Doch das wollte er nicht. Dazu war sie ihm viel zu wichtig. Und, da war er sich sicher, das würde sie jetzt auch nicht mehr hinnehmen.
Jemand stieß ihn im Vorübereilen an.
Das, und die Erkenntnis, dass es noch eine zweite Quelle der Aufregung gab brachten ihn gänzlich ins Hier und Jetzt zurück.
Noch ein unerwarteter Vorfall?
Bei dem Boxring wie es schien, aber warum rief der so massiv die Marine auf den Plan? Was war da los? Und wer war "Er"?
Mit seiner Aufmerksamkeit die Hauptgasse hinunter bekam er den verhüllten Rotbart zunächst nicht mit.
Skadi hingegen schaute dafür in die richtige Richtung und konnte nebenbei folgendes von dem rechtschaffenden Bürger mitbekommen:
"Nun kommen sie schon! Die räumen dem Juwelier sonst noch den ganzen Stand leer. Wenn die beiden Betrunkenen das nicht geplant haben, dann die Leute von der Straße! Und ich könnte schwören, denn Hühnen mit roten Haaren habe ich irgendwo schon mal gesehen. Sie werden dort GEBRAUCHT!"
"Jetzt hören sie schon auf, wir sehen es uns ja an", war die geknurrte Antwort eines der beiden einfachen Soldaten.
[ Zwischen den Buden auf dem Marktplatz | auf dem Weg in Richtung des Tumults um Trevor, Gregory und Cornelis |
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| unmittelbar bei Skadi | am Ende in Sichtweite von Cornelis ]