13.12.2018, 18:42
In dem Augenblick, als Aspens Augenbrauen sich wie an einem Seilzug in die Höhe hievten, wusste Farley, dass sein Gegenüber mit der kurzen Antwort wenig zufrieden war. Zurecht eigentlich, wenn man bedachte, dass sie einander kannten und sich nicht fremd waren – nicht fremd sein sollten. Allerdings hatten sie sich Jahre nicht gesehen und so wie er selbst sich verändert hatte, so würde sicherlich auch der Blondschopf nicht mehr derselbe Junge sein wie damals. Auf die Worte seines Jugendfreundes lächelte der Dieb und senkte wissend nickend Kopf, sodass er einige Sekunden seine Schuhe und die Dielen des Deckes bewundern konnte. Doch schnell verblasste das Lächeln und als Aspen schließlich mit seiner halben Erzählung geendet hatte, nickte Farley erneut und lehnte sich - mit dem Rücken zum Meer, grad wie zuvor – an die Reling. Dass, was der Blondschopf preisgegeben hatte, war ebenfalls keine wirkliche Neuigkeit und beantworte überhaupt gar nichts. Farley versuchte sich zu erinnern, ob Aspen schon immer so geschickt im „wie du mir, so ich dir“ gewesen war. Es war deutlich, dass der Kaufmannssohn handeln wollte. Geschichte gegen Geschichte. Der Braunhaarige ließ einige Sekunden in Stille verstreichen, bevor er schließlich die Arme vor der Brust verschränkte.
„Dir ist klar, dass ich dich leider von diesem Schiff werfen muss, wenn du auch nur ein Wort von dem weitergibst, was ich dir erzähle?“
Die Drohung war keineswegs so ernst gemeint, wie sie klang. Natürlich setzte ihm die Schmach gefasst worden zu sein durchaus zu. Und kein Krimineller wollte, dass Geschichten über das eigene Versagen die Runde machten. Wer würde schon mit ihm Geschäfte machen wollen, wenn er sich ständig erwischen ließ? Das Risiko wäre für seine... nun, Handelspartner, durchaus beträchtlich. Doch darum ging es Farley nicht. Er warf einen prüfenden Blick auf den umtriebigen Jungen, der nun ein offenbar ebenso umtriebiger Mann geworden war. Es ging um Vertrauen. Darum, dass Aspen noch immer jemand war, der einem den Rücken freihielt, wenn es sein musste. Farley würde ihn keineswegs vom Schiff werfen – wahrscheinlich würde er ihn nicht einmal mit bösen Worten bedenken. Doch wenn der junge Dieb eins gelernt hatte, dann dass Vertrauen wertvoller war als Gold – und mit diesem in keinster Weise aufzuwiegen war. Wenn es missbraucht wurde, machte das Abschiede nur umso einfacher – und es würde dem jungen Dunbar nur einen weiteren Grund geben, im nächsten Hafen diesen Flickenkahn so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.