01.12.2018, 03:17
Nachdem er die Tageskarte aufgedeckt und deren Bedeutung erklärt hatte, ließ der Wahrsager seinen Blick gegen Himmel schweifen. Die Sonnenstrahlen wärmten sein Gesicht, während das grelle Licht ihn blendete. Der Tag war wirklich unbegreiflich schön und viel zu Schade, um ihn zu verschwenden. Deshalb ging er auch davon aus, dass die werte Blondine mit seiner Antwort nicht zufrieden sein würde, den Achter behalten und wieder zu ihren Leuten stoßen würde. Der Gedanke schien da zu sein, denn als er seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zuwandte, hatte diese ihren Blick in die Richtung gelenkt, in der die beiden Begleiter verschwunden waren.
“Er schien eine schwere Zeit durchzumachen, dass konnte ich auch ohne meine Karten erkennen”, merkte der Rackham an, verstummte aber, als er ihre letzten Worte vernahm.
“Mich?”
Das kam überraschend und so ließ es sein Unterton auch klingen. Natürlich war es allein ihre Entscheidung, wen sie unter Beobachtung stellte, denn ihren Bruder zu stalken war alleinige eine Mutmaßung seinerseits gewesen.
Wenn sie ihn aber für einen Betrüger hielt, der anderen Menschen nur das Geld aus der Tasche ziehen wollte, dann hatte sie eher schlechte Karten. Zudem hatte Thaddeus wirklich keine Lust unter Beobachtung zu stehen. Seine bisherigen Fauxpas endeten immer in Verfolgungen, falschen Verdächtigungen und unnatürlichen Begegnungen. Wie viele Menschen hatte er auf diese Art und Weise bereits kennengelernt?
Menschen, die ihm aus der Patsche helfen mussten, weil er unvorsichtig gewesen war?
“Wenn euch meine Arbeit nicht beeindruckt, dann könnt Ihr Euer Geld gerne behalten”, meinte Thaddeus und schob die Münze, die er zuvor bekommen hatte, über den Tisch.
“Doch es lohnt sich nicht, mich zu beobachten. Ich will mein Geld auf ehrliche Art verdienen. Ich kann weder in die Zukunft sehen, noch in die Vergangenheit. Ich lege lediglich Karten und interpretiere deren Bedeutung, wenn sie eintreffen sollten - oder auch nicht -, dann hat das nichts mit meinen Karten zu tun”, versuchte sich der Wahrsager zu verteidigen.
Es wäre durchaus in Ordnung für ihn, wenn sie jetzt aufstehen, ihr Geld nehmen und wieder gehen würde. Aber da sie viel lieber wissen wollte, um welchen Gegenstand es sich handelt, wollte Thaddeus ihr zumindest diese Frage beantworten.
Ihm schlich sich ein sachtes Lächeln auf die Lippen.
“Als Piratin könnte ich mir das durchaus vorstellen, dass Ihnen Geld lieber wäre. Doch nur, weil die Karten Münzen aufweisen, bedeutet dies nicht gleich, dass es sich um welche handelt.”
Thaddeus hatte kein Problem damit, ihr sämtliche Karten zu zeigen. Also nahm er sich das Deck, suchte sich alle Karten der Münzen heraus und legte sie ihr gut sichtbar hin. Insgesamt waren es vierzehn Karten, deren Namen leicht zu merken waren. Als erstes kam das Ass der Münzen, darauf folgende Zahlen von Zwei bis Zehn der Münzen und zum Schluss waren da noch der Ritter, die Prinzessin, der Prinz und der Page der Münzen.
“Grundsätzlich hat jede Tarotkarte einen positiven und einen negativen Aspekt. Es gibt Schwarz und Weiß. Unsere Aufgabe als Wahrsager ist es, die verschiedenen Graustufen darunter zu erkennen. Was natürlich auch bedeutet, dass wir uns irren können”, erklärte er. Thaddeus zeigte auf die Sieben der Münzen, welche er ihr vorhin aufgedeckt hatte. “Die Hauptbedeutung dieser Karte ist Geduld und Aufmerksamkeit. Sie kann aber natürlich auch Geld, Geschäfte, Tausch, Einfallsreichtum oder Streit bedeuten. Im Allgemeinen bedeutet diese Karte aber einen langsamen Fortschritt. Etwas oder jemandem Zeit geben. Etwas oder jemanden aufmerksam beobachten.”
Letzteres Wiederholte er genauso, wie er es ihr gesagt hatte, nur eben ohne eigene Interpretation. Der Rackham ließ die Karten vorerst so liegen, für den Fall, dass sie an einer dieser Münzkarten ein Interesse zeigte und mehr darüber erfahren wollte.
Ihre letzte Frage, ließ ihn jedoch aufhorchen.
“Soll das bedeuten, dass Ihr etwas über Eure Zukunft erfahren wollt?”