20.11.2018, 08:43
„Aua.“
Trevor blieb einen Moment lang verdattert liegen. Dann realisierte er, dass Liegen verdammt ätzend war, vor allem, wenn man einen Haufen Glasscherben und einen zappelnden Menschen unter sich hatte. Mit einem Ruck setzte er sich auf, stützte reflexartig die Hände zu beiden Seiten ab, fasste mit der einen in Glasscherben und drückte mit der anderen direkt auf den Solarplexus des Mannes unter ihm. Trevor wiederholte sein „Aua!“, während der Mann erstickt aufkeuchte. Fluchend schüttelte er die Hand mit den Glasscherben, stellte fest, dass sich ein besonders schöner grüner Stein mit einer besonders unschönen Spitze direkt in seinen Handballen gebohrt hatte und hatte gerade noch Zeit, ihn in der Brusttasche seines Hemdes verschwinden zu lassen, bevor der Geselle des Juweliers ihm zur Hilfe eilte. Bereitwillig lies er sich am Arm packen und vollends auf die Beine ziehen. Schrägerweise lies ihn der Junge danach allerdings nicht los. Stattdessen fasste er auch nach Trevors anderem Arm und schien ihm irgendwie die Hände hinter dem Rücken zusammenhalten zu wollen, oder irgendwie so was.
„Ey“, sagte Trevor, immer noch etwas bedeppert.
Sein Hinterkopf pochte irgendwie so eklig dumpf. Er sah über die Schulter zu dem Gesellen, der einen halben Kopf kleiner, ein paar Jahre jünger und über die Situation offenbar genauso verdutzt war. Trevor kicherte über seinen Gesichtsausdruck.
„Ey, lass mich los!“
„Äh“, sagte der Junge. „… nein?“ Trevor runzelte die Stirn und zog seine Arme auseinander. Der Geselle packte die Handgelenke einfach etwas fester und versuchte, eine grimmige Miene aufzusetzen. Trevor wollte sich ganz umdrehen, tappte mit dem pantoffellosen Fuß in noch mehr Glasscherben, fluchte und hüpfte auf einem Bein weiter, bis er schräg zum Gesellen stand. Er sah ihn einen Moment ins Gesicht, das vielleicht doch nicht ganz so jung war, zog eine schiefe Grimasse und riss sich los. Einen Arm des Jungen hielt er nun selbst in der Hand, drehte noch eine halbe Pirouette, drückte den Ellbogen des Jungen durch und im nächsten Augenblick stürzte jener direkt auf Gregory und seinen neuesten Patienten.
„Oooooh, ‘tschuldigung, Greg, hab dich nicht gesehen!“
Für einen Moment wirkte Trevor ehrlich zerknirscht. Dann wurden seine Augen plötzlich groß, er fuhr herum, entging damit knapp dem Griff des Juweliers selbst, und stürzte hüpfend in Richtung von Cornelis und seinem Wachhund.
„Du! Das war nicht sehr nett von dir! Das war – das war – voll hinterhältig! Und ‚Mir ist ein Fass auf den Kopf gefallen‘ ist keine Ausrede!“
Seine Hand schnellte bereits zum Griff des Entermessers, traf aber unterwegs stattdessen auf das Trinkdings, das direkt daneben im Gürtel steckte. Und leer war. Trevor hielt abrupt an. Er schnappte nach Luft.
„Mein Ungeheuer!“
Reflexartig tastete er seinen ganzen Körper ab, bemerkte aus dem Augenwinkel das Blut an seinen Handflächen und Ellbogen und war viel zu aufgewühlt, um ihm Beachtung zu schenken.
„Mein Ungeheuer! Es ist weg! Weg!“
Er drehte sich zwei Mal um sich selbst, suchte den Boden ab, sah zwischen drei Kindern in viel zu langer Kleidung etwas Violettes aufleuchten und drängelte sich mit ein paar Hüpfern zwischen sie. Aber es war nur eine doofe Kette aus violetten Steinchen, ganz ohne Beine. Andererseits: Sie glitzerte ganz fantastisch und Shanny würde sie bestimmt mögen!
[Marktplatz, zerstörter Stand eines Juweliers | bei Gregory und Cornelis]