16.11.2018, 16:51
Als hätte sich nichts verändert. In diesem Moment waren sie die selben Menschen, wie jene, die sie vor annähernd drei Jahren auf Kelekuna zurück gelassen hatten. Nur er und seine kleine Schwester gegen den Rest der ganzen Welt. Für immer aufeinander eingespielt, für immer füreinander da, für immer verbunden durch etwas, das über seinen Verstand weit hinaus ging. Wäre die Macht dieses Wiedersehens nicht, hätte es sich angefühlt, als wäre er nie fort gewesen. Und vielleicht lag es auch nur an der Gewalt dieses Gefühls, dass er das nun so empfand. Denn Lucien wusste tief im Inneren, dass es nur zum Teil stimmte. So gern er diesen Gedanken auch verleugnet hätte. So vehement er sich dagegen sträubte, es zu sehen. Die Gleichen waren sie nicht mehr. Doch gerade war es ihm egal. Glücklich für den Augenblick...
Und natürlich sah er, dass sie weinte. Als der Dunkelhaarige die Augen wieder öffnete, liefen ihr die Tränen erneut über die Wange, störten sich nicht an seiner Hand, die ihnen den Weg versperrte, sondern flossen einfach daran vorbei. Im gleichen Moment stieß sie ein leises Lachen aus, lenkte seinen Blick damit zurück zu ihren Augen, als sie die Hände hob und sein Gesicht umfasste. Tiefe, vertrauende Wärme breitete sich in ihm aus, brachte ihn zum Lächeln und die Erleichterung, die er über ihre Worte empfand, verdammte ihn für einige endlose Sekunden zu überwältigtem Schweigen, bevor er irgendwann seine Stimme wiederfand.
„Wie hast du mich gefunden?“
Damit nahm er die Vergebung, die sie ihm anbot, einfach an. Er widersprach nicht, weil er ihr sofort und bedingungslos glaubte. Weil er sie kannte und wusste, dass sie die Wahrheit sagte, dass sie ihm an alledem keine Schuld gab.