13.11.2018, 18:47
Von wegen guter Wille. Reflexartig wandte Lucien den Kopf ab, als Shanaya ins Wasser sprang und eine kleine Welle kalten Nasses gegen seinen Hals und über sein Haar schwappte. Ein gut gelauntes Grinsen lag auf seinen Lippen, das auch nicht verschwand, als sein Blick zu der jungen Frau zurück kehrte. Gerade, als sie sich das Wasser aus dem Haar schüttelte und ihn mit ein paar weiteren Tropfen besprenkelte. Sie war genauso wenig eine Lady wie er einen Tropfen adligen Blutes in seinen Adern hatte. Shanaya wusste mit Sicherheit ganz genau, was ihre Bluse jetzt noch verbarg und was sie durchblicken ließ. Und ebenso sicher wusste sie, welch aufreizende Wirkung dieser durchaus kleidsame Hauch von Nichts auf Männer haben konnte. Er bildete da keine Ausnahme.
Wie von selbst wanderte sein Blick von ihren Gesicht weiter nach unten, wo unter der glasklaren Oberfläche der durchscheinende weiße Stoff ihren schlanken Körper umspielte. Und wieder blitzte es in den grünen Augen vielsagend auf. Anzüglich, ohne Frage, als er ihr wieder in die Augen sah und darin die Bestätigung für seine Vermutung fand. Natürlich wusste sie es. Und wäre sie eine der Kurtisanen aus den Bordellen der Ersten Welt oder auch nur eines von diesen Mädchen, die so leicht ins Bett zu kriegen waren wie ein treuer Haushund, während sie so taten, als wäre das Gegenteil der Fall, dann hätte Shanaya wahrscheinlich nicht lange gezögert. Wäre langsam, aufreizend auf ihn zu gekommen. Ihre Macht über seinen Körper genüsslich auskostend und in dem Wissen, am Ende mit dem gleichen Genuss belohnt zu werden, wie Lucien selbst.
Doch sie tat das nicht.
„Ich frage mich die ganze Zeit, mit welcher Art von Männern du bisher zu tun gehabt haben musst. Allzu vielfältig war das Spektrum scheinbar nicht.“
Dafür verallgemeinerte sie das Verhalten seiner Geschlechtsgenossen viel zu sehr. Nicht, dass er sich beschweren durfte – tat er mit dem Frauenvolk schließlich auch.
Gelassen schwimmend hielt Lucien sich an Ort und Stelle, froh darüber, das als kleiner Junge schon früh gelernt zu haben. Die grünen Augen behielten die Schwarzhaarige im Blick. Darin ein Ausdruck selbstsicherer Belustigung, der an Intensität gewann, als sie sich langsam von ihm entfernte, mit herausfordernden Worten rückwärts trieb. Ein leises, spöttisches Auflachen kam ihm über die Lippen. Na. So einfach gestrickt war er dann doch nicht.
„Und glaubst du, ich könnte dir nicht widerstehen? Vielleicht schwimme ich einfach noch ein paar Minuten durchs Wasser, kühle mich ein bisschen ab. Der Weg hier her war schließlich anstrengend...“ Gespielt bedeutungsvoll wog er den Kopf von einer Seite auf die andere. Und blieb, wo er war. „Du bist schließlich nicht die einzige Frau auf dieser Welt. Mein Vergnügen kann ich mir auch überall sonst holen.“
Wenn man nicht genau hinhörte, wäre das kleine Lachen in seiner Stimme ungehört geblieben. Dann hätte er beinahe geschäftig klingen können.