11.11.2018, 18:51
Elian protestierte nicht, als Aspen ihn packte und mit sich zog wie ein kleiner Junge. Bemüht, nicht über seine eigenen Füße zu stolpern (geschweige denn über die seines Bruders), rannte er ihm hinterher. Vorbei an neugierig dreinblickende Menschen, vorbei an streunenden Hunden. Dabei wurden die Rufe hinter ihnen immer leiser. Oder Elians lauter Atem täuschte ihn. Irgendwann war das Geräusch das Einzige, was er noch wahrnahm, abgesehen von seiner schmerzenden Brust und der stechenden linken Seite, die er seit Minuten schon mit der Hand umklammerte, als würde der Handgriff das unangenehme Pochen lindern. Erleichtert stöhnte der junge Arzt auf, als Aspen, ebenfalls außer Atem, ein angenehmeres Tempo anstrebte. Der Griff, der sein Hemd umklammert hatte, wurde plötzlich losgelassen und Elian hatte endlich nicht mehr das Gefühl, jeden Moment über seine Füße zu stolpern und sich den Kopf an dem steinigen Untergrund aufzuschlagen. Inzwischen befanden sie sich auf einer größeren Straße, die verwinkelten Gassen hatten sie hinter sich gelassen. Hektisch drehte sich Elian um, um sich zu vergewissern, dass sie nicht mehr verfolgt wurden. Dabei erhaschte er einen kurzen Blick auf ein kleines Mädchen, welches den Brüdern fragend hinterherschaute.
Die plötzlichen Worte ließen Elian trotz Anstrengung zusammenzucken und er starrte seinen Bruder an. Der Zorn, überrollte ihn unerwartet und ließen den jungen Mann urplötzlich rotsehen. Tränen der Wut quollen aus seinen Augen, als er Aspen am Arm packte und ihn in eine abgelegene Straße zog, weg von den Blicken der Menschen. Dort blieb er schließlich nach wenigen Metern stehen und drehte sich zu dem Größeren um, ohne ihn los zu lassen. Für einen Sekundenbruchteil zog sich die Zeit zusammen, schwoll an wie eine Träne kurz vor dem Fall; um dann plötzlich zu zerplatzen. Elian holte aus und schlug seinem Bruder mit der flachen rechten Hand ins Gesicht. Ein Laut wie eine Totenklage, laut und durchdringend. Zugleich war es auch ein Brüllen aus tiefer Verzweiflung und Anklage an ihn und seine Tat, die Elian sein bisheriges Leben genommen hatte. „Du elendiger Mistkerl. Durch dich bin ich erst in so eine Situation geraten. Du hattest kein Recht..“, brüllte er ihn an und holte dann tief Luft. „Keiner gab dir das Recht mein Leben zu ruinieren. Wegen dir bin ich ein Verbrecher auf der Flucht.“ Bei den letzten Worten verlor er seinen langen Atem und seine Stimme brach. Finster starrte er in die blauen Augen, die ihm so vertraut waren, wie seine eigenen.
(Bei Aspen)