08.11.2018, 17:47
Das Kribbeln auf ihren Lippen ließ nicht nach, zog sich durch ihren Körper, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Shanaya wusste viel zu gut, woher dieses Gefühl kam. Es lag nicht an Lucien, nicht an irgendeinem Gefühl für ihn, das sie so aus der Bahn warf. Bei jedem anderen Mann hätte es ihr so ergehen können, wobei sie daran zweifelte, dass andere ihr mit solch einer... Intensität entgegen gekommen wären. Also lag es zum Teil wohl doch an dem Dunkelhaarigen. Aber sie brauchte nicht auf die leise Stimme lauschen, sie wusste auch ohne sie schon, dass ihr genau so etwas gefiel. Das ließ sich in keinster Weise leugnen. Vermutlich hätte sie sich an diesen Kuss auch im Vollrausch noch erinnert – im Gegensatz zu dem, der eine ziemlich dunkle Erinnerung an ihren ersten Kuss war. Den konnte sie bedenkenlos aus ihrem Gedächtnis löschen. Da hier war um Längen spannender und das Verlangen nach mehr davon sagte schon genug aus.
„Du verlockst mich also dazu, ein böses Mädchen zu sein? Du Unmensch.“
Den Ausdruck auf seinen Zügen erwiderte die Schwarzhaarige mit einem vielsagenden Grinsen, eines von denen, die von ihrer ungebändigten, guten Laune sprachen. Es war fast erschreckend, wie sich ihre Laune in seiner Nähe mit jedem Mal nur noch mehr steigerte. An sich absolut Nichts schlechtes...
Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, die nassen, kühlen Stiefel an den Füßen, musterte sie automatisch den Dunkelhaarigen, der die Arme hinter dem Kopf verschränkte – und lachte auf seine Worte hin.
„Ich weiß ja, wer daran Schuld ist...“
Sie hatte die Frucht ja nicht geworfen – die Antwort darauf war also ziemlich einfach. Aber damit wandten sie sich schließlich zum gehen – in die Richtung, in der sie noch immer ihr Ziel erhofften.
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Shanaya ließ den Degen zurück in seine Scheide sinken, ihre Arme waren langsam lahm von der ständigen, immer wieder selben Bewegung. Das Gestrüpp war deutlich dichter geworden, manch einen Ast hatte man nicht aus dem Weg schlagen können. An manchen Stellen hatten sie klettern müssen. Die junge Frau wusste nicht, wie lange sie nun unterwegs gewesen waren. Aber durch die Hitze, die Anstrengung des Weges, hatte sich ihr Körper ein wenig beruhigt, sie hatte sich wieder auf etwas anderes als die Nähe des Mannes konzentrieren können. Auch wenn das alles noch immer wie ein kleiner Funke in ihrem Inneren loderte, der nur darauf wartete, neu entfacht zu werden. Sie hatten sich auf dem Weg wieder wie zuvor unterhalten können – als wäre Nichts gewesen. Ganz grob und nüchtern betrachtet war es das ja auch nicht. Sie war natürlich besonders – aber sie konnte sich zu gut vorstellen, wie viele Frauen der Dunkelhaarige sich schon vorgenommen hatte. Sie lächelte über diesen Gedanken, darüber, dass er zwar so weit bei ihr gekommen war – sich aber bei jedem weiteren Schritt die Zähne ausbeißen würde.
Aber die junge Frau versuchte diesen Gedanken beiseite zu drängen, konzentrierte sich mehr auf den Boden, der fester, steiniger wurde – und doch von weicher Erde geprägt war. Auch das Gestrüpp wurde wieder lichter und Pflanzen, die nach einer Menge Wasser aussahen, zierten ihren Weg. Ihr Körper sehnte sich nach Flüssigkeit, der Durst brannte in ihrer Kehle. Aber der Berg hielt sein Versprechen – und so brauchten sie nur noch wenige Minuten, bis ihre Füße auf purem Stein standen – in wenigen Metern Entfernung ein kleiner, türkisblauer See. Shanaya hielt inne, riss sich zusammen, um nicht sofort mit Anlauf in das blaue Nass zu springen. Das Wasser lag im Schatten des Berges – die Hoffnung auf etwas Kühle war also umso verlockender. Lucien galt nur ein freudiger Blick, in dem deutlich die Vorfreude auf etwas trinkbares lag. Mit gezielten Schritten trat sie schließlich an das Wasser heran – hockte sich am Ufer angekommen hin und ließ ein wenig Wasser in ihre Hand laufen, das kurz darauf in ihrem Mund landete. Es war deutlich kühler als der Fluss, schmeckte und roch nicht süßlich. Sie schienen ihr Ziel gefunden zu haben.
„Das Wasser könnte vergiftet sein und ich würde mich satt trinken...“
Ein erneuter Blick galt Lucien, diesmal lag wieder ein vielsagender Ausdruck auf ihren Zügen. Nur ein Moment, ehe sie sich wieder herum wandte, erneut die Stiefel von den Füßen zog und sich auf einen der Steine sinken ließ, die Füße ins Wasser gleiten ließ und zeitgleich die Flasche von ihrem Gürtel löste.
„Ich weiß ja nicht, wie es dir geht... aber ich glaube, mein Gemüt könnte inzwischen auch eine Abkühlung gebrauchen...“
Vollkommen unschuldig, auch wenn sie sich ihren Worten und deren Bedeutung vollkommen bewusst war, hielt sie auch die Flasche unter die Wasseroberfläche. Er konnte sagen, was er wollte – aber er bekam sie hier vermutlich nicht weg, bevor sie wenigstens kurz das kühle Nass in vollen Zügen genossen hatte. Nur noch die Flasche füllen, dem gröbsten entledigen... Aber das Lächeln auf ihren Lippen sprach schon jetzt von unendlicher Vorfreude. Und dabei hatte sie sich diesen Ort noch nicht einmal ganz angesehen. Die Höhle, die in den Berg hinein führte.