07.11.2018, 15:57
Das, was wirklich Geld brachte, hatte er längst dazu gemacht. In den letzten Tagen hatte er ohnehin festgestellt, dass die Abenden, die er auf diesem Frühlingsfest mit den anderen Musikern Musik machte, mehr brachten, als wenn er auf Teufel komm raus sämtliche seiner Werke an die Leute zu bringen versuchte. Die fertigen Bücher hatte er allesamt verkauft. Mehr als lose Zeichnungen und dem Kinderbuch, welches er vorhin dem kleinen weinenden Mädchen geschenkt hatte, hatte er heute nicht dabei gehabt. Sein Blick folgte den beiden Jungen, die die plötzliche Freiheit förmlich zu beflügeln schien. Ein kurzes Schmunzeln huschte über seine Lippen, ehe er sich wieder an seinen Begleiter wandte, der nicht gerade optimistisch ob der Rückkehr der Jungen war. Liam zuckte mit den Schultern, während er seinen kaputten Seesack nach vorne hob und hineinspähte.
„Kommt drauf an, wie furchterregend du warst.“, wälzte er die Verantwortung zu allererst an Ryan ab. „Allerhöchstens Kleingeld, was der Sphinx entgeht. Vielleicht ein oder zwei Taue, mehr nicht.“ Er zog noch ein paar Zettel heraus, die sich in den Leinen verfangen hatten und zeigte sie dem Dieb an seiner Seite. „Kleinere Zeichnungen. Die wertvolleren Bücher sind längst unters Volk gebracht.“
Für ihn wirklich nichts, dem er nachtrauerte. Wenn die Kinder tatsächlich mit dem Zeug zurückkamen – schön und gut, doch für Liam waren es die wenigen Achter gar nicht wert. Ihm reichte es, wenn irgendjemand die im Wind verstreuten Zettel fand und eine Freude an den darauf vorhandenen Zeichnungen hatte. Er hatte es einfach nicht so mit den materiellen Dingen. Ihm reichte es, wenn er über die Runden kam und darum musste er sich im Augenblick auf der Sphinx wohl nur wenige Gedanken machen. Stattdessen überlegte er eher, wie er den Sack provisorisch geflickt bekam. Sein Blick glitt über die angrenzenden Buden und Stände, um nach etwas Nützlichem Ausschau zu halten, während er Ryan weiterhin beiläufig lauschte. Erst, als er seinen Vorschlag kundtat, schenkte ihm der Lockenkopf wieder einen skeptischen Blick.
„Hast du gerade ernsthaft vorgeschlagen, Kinder zu bestehlen?“, wiederholte er das, was er verstanden hatte. Auf seine Züge trat ein amüsiertes Schmunzeln, ehe er die Hand überlegend zum Kinn hob. Allein schon, um sie ein wenig aufzumischen. „Umsehen schadet sicher ni-“
Er stockte, als die Gestalt einer Frau immer näher kam, ohne sie wahrzunehmen. Mit einer gehobenen Augenbraue musterte er sie und machte automatisch einen kleinen Schritt nach hinten – Ryan hingegen blieb wie eine Mauer stehen und beendete ihren Spaziergang. Seine Augen folgten kurz dem Nagetier, das in die Hand der Rothaarigen gefallen war und er musste unweigerlich an Hexen denken. Rote Haare, Ratten, Katzen, Eulen, Raben. Passte. Sie schien sich nicht groß darum zu kümmern, womit sie zusammengestoßen war. Erst, als sich die Ratte beruhigt hatte, wandte sie sich um und begegnete Ryan mit einem Kompliment. Liam lachte kurz in seine ohnehin noch gehobene Hand, ehe er sich räusperte.
„Die Leute in Mîlui scheinen ein recht körperbezogenes Völkchen zu sein, mh?“, bemerkte er an Ryan gewandt und musterte dann wieder die Hexe, die sich zu ihnen verirrt hatte.