02.10.2018, 14:02
Es hätte Scortias schon sehr erschüttert, wenn die Geschichten der Leute, aus der Taverne in Aelinos, nicht stimmten. Genau diese Geschichten hatten doch die See erst so unheimlich und interessant gleichermaßen gemacht. Dass die Seefahrer gerne mal etwas hinzudichten oder Erlebnisse gerne aufbauschten, das wusste der Junge nicht. Bis jetzt hatte er immer alles genau so geglaubt, wie er es gehört hatte und das machte die Seefahrt so unheimlich aufregend. Der Junge gab sich aber damit zufrieden, als Rayon zugab, dass er natürlich nicht genau wissen konnte, ob es diese Geschöpfe nicht doch gab. Zustimmend nickte der Zwölfjährige, denn auch er war nicht sehr erpicht darauf auf diese Wesen zu treffen. Zwar war die Neugierde sehr groß solche Wesen mal mit eigenen Augen zu sehen, aber genau so die Angst, dass er durch eine Begegnung mit diesen Ungeheuern Mitglieder der Crew verlieren könnte, oder gar sein eigenes Leben. In seiner Fantasie würde das Meer immer ein total spektakulärer Ort sein, mit Dingen die so unvorstellbar waren, wie es das Festland niemals zu bieten hatte.
Rayon lenkte die Aufmerksamkeit des Schiffsjungen auf eine spezielle, aus Holz angefertigte Figur. Es war der Captain … also der ehemalige Captain der Onyx. Der Junge musste sich erstmal daran gewöhnen, das Cornelis kein Captain mehr war, zumindest im Moment nicht mehr. Begeistert sah Scortias sich die Figur an und versuchte sich schon einen Plan zurecht zu legen, wie er sie am besten klauen konnte. Das war die Macht der Gewohnheit, bevor ihm das Gold in seiner Tasche einfiel, dass er der älteren Dame entwendet hatte. Wenn er sich davon die Figur nur kaufen dürfte … dieser minimale Teil des Goldes würde dem Schiff doch sicher nicht weh tun, oder? Da sich der Junge nicht sicher war, fragte er Rayon, ob das okay sein würde, wenn er die Figur von dem Gold kaufte. Die Worte des Smutje ließen Scortias wieder glücklich Grinsen, denn es war nicht so, dass Rayon etwas dagegen hatte, sondern befürwortete es auch.
“Oh man, wirklich?“ fragte Scortias noch einmal begeistert nach, auch wenn er eigentlich keine weitere Antwort benötigte. “Ist das so etwas wie ein Codex?“ flüsterte er, denn es musste ja nicht jeder mitbekommen, dass sie Piraten waren, genau so, wie Rayon ihm den letzten Teil des Satzes eher leise zukommen ließ. Es war ihm neu, das Piraten keine ehrenvolle Männer bestahlen, aber auch sehr interessant.
Kaum, dass sich Scortias darauf freute sich die Holzfigur von Feuerbart zu kaufen, wurde er angerempelt und sah noch im Augenwinkel, wie einer der Jungen des Marktes zwischen den Leuten verschwand. Der Schiffsjunge verengte die Augen, denn die Straßenkinder hatten ihn wohl dabei gesehen, wie er das Gold und somit ihre Beute, ihnen streitig gemacht hatte. Der Goldsack war noch in seiner Tasche, aber sie würden nicht ruhen, bis die Angelegenheit geklärt war, das kante er aus seinem Heimathafen. Es war wohl das Beste, wenn Rayon das Gold an sich nahm und Scortias sich um diese Angelegenheit kümmern würde. Der Zwölfjährige nahm das benötigte Gold, das er brauchte um die Figur zu bezahlen, aus dem Beutel und überreichte den Rest dann dem Schiffskoch. Die braunen Augen sahnen dabei zu, wie Rayon die Beute gut versteckt an seinen Gürtel befestigte. Da sollte es sicher sein. Die Frage von Rayon war berechtigt, aber auch unter Straßenkindern gab es gewisse Regeln, oder wenn man so wollte, einen Codex.
„Erstmal nicht. Das er mich angerempelt hat, das war sowas wie eine Warnung und eine Aufforderung, dass sie es mit mir klären wollen. Wenn ich nicht drauf eingehe, dann kann es passieren, dass sie die Wachen auf uns aufmerksam machen.“ erklärte er Rayon.
Genau so wie der Smutje sah sich Scortias aufmerksam um. Allerdings nicht in unmittelbarer Nähe, denn meistens standen die Anführer solcher Banden irgendwo in der Nähe von Gassen, in denen sie schnell unsichtbar werden konnten, wenn die Situation zu heiß wurde. Und tatsächlich konnte Scortias an einer Hauswand zwei Jungen sehen, die in seine Richtung sahen.
“Guten Tag, ich würde gerne diese Figur kaufen.“ meinte er an den Verkäufer gewandt und zeigte mit dem Finger auf den Holzfeuerbart.
Der Verkäufe nickte und nahm die Figur, um sie Scortias zu reichen. Der Junge bezahlte und bekam sogar noch etwas Wechselgeld wieder.
„Danke.“
Er wandte sich wieder an Rayon und hielt ihm die Figur und das Wechselgeld hin.
“Kannst Du das solange nehmen? Ich muss zu ihnen gehen und das klären. Siehst Du die Gasse da drüben, neben dem Haus mit den gelben Blumen am Fenster?“ fragte Scortias und nickte in etwa die Richtung, wo das Haus stand.
Dort befanden sich die beiden Jungen und würden in der Nebengasse auf ihn warten, sobald er sich in Bewegung setzte. Fast zur selben Zeit hörte Scortias eine laute, weibliche Stimme vom Marktlatz rufen, dessen Worte er aber nicht genau verstand. Es hörte sich an wie 'Katerstörer' oder irgendetwas ähnliches, was immer das auch bedeuten mochte. Kurz darauf drängten sich Marinesoldaten an ihnen vorbei. Sie waren auf etwas anderes aufmerksam geworden, dass sich wohl auf dem Marktplatz befand. Der Junge sah den Soldaten nach und blickte dann zu Rayon.
“Was geht da vor?“ fragte er den großen Mann und reckte seinen Hals, um an den Leuten vorbei zu sehen, aber er war einfach zu klein um ein direktes Sichtfeld zu bekommen.
[Mit Rayon auf dem Markt | bei einem Händler für Holzutensilien und -figuren]