30.09.2018, 09:07
Shanaya war das Nicken des Mannes genug, sie hatte sich das Geräusch also nicht eingebildet. Auch wenn sie sich nur schwer vorstellen konnte, dass dieses Plätschern bereits das Ende dieses kleinen Abenteuers bedeutete. Trotzdem lenkte sie den Weg direkt in diese Richtung, einen Blick war es allemal wert. Und immerhin hatten sie alle Zeit der Welt, wieso also nicht einen kleinen Abstecher?
Gut gelaunt schlug die Schwarzhaarige weiter ein paar Farne und kleine Äste aus dem Weg, als Lucien auf ihre Frage antwortete und durchklingen ließ, dass es ihm und seiner Schwester ähnlich wie ihr ergangen war. Und sie selbst war wohl eher wie Talin, zumindest erinnerte sie sich an keinen Moment, in dem sie versucht hatte, in dieses Leben zu passen. Von Anfang an hatte sie gewusst, dass dies niemals der Weg sein würde, der für sie gemacht war. Aber sie ließ den Dunkelhaarigen weiter sprechen, lauschte interessiert seinen Worten und musste dabei schmunzeln. Kelekuna, hm? Einige Herzschläge lang überlegte die junge Frau, ob sie Lucien und auch Talin kennengelernt hätte, hätte ihr Weg sie nicht auf die Sphinx geführt. Vielleicht, wenn die beiden ihr trotzdem begegnet wären. Aber zumindest bei Lucien hatte sie ihre Zweifel, dass es unter anderen Umständen zu so einer Situation gekommen wäre, in der sie beide sich in diesem Moment befanden. Umso angenehmer fand sie es, dass es so gekommen war. Auch wenn sie so offen mit Lucien sprach, blieb ein gewisses Misstrauen zurück. Es ließ sich nicht ganz abstellen, aber der Mann wirkte wie einer der Menschen, mit denen sie wirklich auskommen konnte. Die Zeit würde zeigen, ob es dabei blieb – oder ob sie doch einen Schritt von ihm Abstand halten musste. Und wenn sie ganz ehrlich war – allein durch dieses Gespräch hoffte sie auf das Gegenteil. Dafür war er ihr jetzt schon viel zu sympathisch.
„Exakt, das klingt vollkommen nach Yvenes. Wäre ich nicht eine Enttäuschung gewesen, weil ich das falsche Geschlecht habe, hätte ich das Geschäft meines Vaters übernehmen sollen. So hätte ich der Familie durch eine gloreiche Hochzeit Ehre bringen sollen. Einen Mann heiraten, der für den Rest meines Lebens höher gestellt wäre als ich.“ Ihre Stimme klang deutlich belustigt, womit ihre Degen locker durch die Luft flog, ohne dabei einen Ast zu treffen. Und auch als sie sich erneut zu Lucien herum wandte, blitzte es munter in den hellen Augen. „Wo meine Mutter das in Aspen gesehen hat weiß ich allerdings nicht.“
Ob ihr Gegenüber daraus nun die richtigen Schlüsse ziehen konnte? Das war Nichts, woraus sie ein Geheimnis machte – sie hatte schlicht und ergreifend nie mit jemandem über solch ein Thema gesprochen. Und ihre Abneigung gegen den Blonden kam nicht von ungefähr. Das war dennoch kein Teil ihrer Vergangenheit, mit dem sie nicht vollkommen offen umging. Immerhin zeigte sie Aspen oft genug, was sie von ihm hielt. Und so nickte sie auf Luciens Worte, die Zustimmung in ihrem Blick sprach Bände. Sie hatten die selbe Ansicht, mehr als das und ein Lächeln gab es dazu also nicht zu sagen. Statt dessen folgte ihr blauer Blick seinem Deuten, dabei zuckten ihre Mundwinkel nur über die Hand, die er erhoben hatte. Für einen Moment erinnerte sie sich, wie er die Klinge an den Mast geworfen hatte. Die linke Hand. Aber das, was zwischen dem Blattwerk sichtbar wurde, lenkte ihre Aufmerksamkeit schon wieder um. Sie grinste, machte einen Satz aus dem Gebüsch und stand im nächsten Moment vor einem Fluss, um genau zu sein vor einem kleinen Wasserfall, der das Plätschern verursacht hatte. Die junge Frau sagte dazu nicht viel, wog nur kurz ab, ob sie den direkten Weg oder den über einen Baumstamm nehmen sollte, der ganz in er Nähe lag. Nur ein Moment, ehe sie Lucien ein deutliches Grinsen zuwarf und sich bückte, um die Schnüre ihrer Stiefel zu öffnen. Diese Abkühlung würde sie sich nicht entgehen lassen!