17.09.2018, 15:11
Die schwere Hand auf der Schulter war ungewohnt, zu viel für den Offizier, zu wenig für den Jungen von damals. Wie sollte er darauf reagieren? Gesehen hatte er das häufiger, dieses Bisschen, was sich die erwachsenen Herzogtümler an Vertrautheit erlaubten. Zögernd berührte er die Pranke und seufzte.
Die Schulter kurz darauf nahm er zur Kenntnis, lehnte sich aber nicht an. Das Verlangen zurückzuweichen konnte er im keim ersticken, wollte er seinen Freund doch nicht vergraulen. Schweigend lauschte er die ganze Zeit. Auch als Cornelis geendet hatte Antwortete er nicht sofort.
"Es ging mir nicht schlecht. Ich hatte Essen, Sicherheit, eine gute Ausbildung, alles, was du wolltest, was ich haben soll, man sich wünschen kann und was den meisten Mischblütige verwehrt bleibt. Ich war nur nicht frei. Nicht da wo ich sein wollte. Oder wo man meine Leistungen anerkannt hätte."
Kurz sah er zu den Masten hinauf. Dann folgte sein Blick wieder seinen Fingern über den Stoff.
"Da musste mir das Schicksal erst ein Schiff mit roten Segeln senden und vorher einen Unschuldigen, damit er für mich sterben kann..."
Bitterkeit klang in der zweiten Hälfte des Satzes an. Sollte er es seinem alten Freund erzählen? Ihm klar machen, wie unwahrscheinlich das alles war, wie unglaublich, dass sie jetzt hier saßen?
Abrupt wechselte er das Thema:
"Ich meinte das ernst, dass ich dich und die Onyx fast versenkt hätte. Du mich allerdings beinahe auch. Damals zwischen den Bones..."
¡Carajo!
Er war schon wieder bei diesem Thema. Fiel ihm denn nichts Anderes ein?! Und beenden tat er auch nichts.
Enrique rieb sich über die Augen.
Wie sollte er van der Meer erzählen, was ihm alles widerfahren war? Es gab fast nichts, auf das er dabei Stolz war, und das Wenige führte unweigerlich wieder zurück zu all dem, wo er das Gefühl hatte, dass Cornelis alles andere als angetan davon wäre, es zu erfahren.
"So gesehen hätte ich die Worte meines Erzeugers beinahe wahr gemacht. Und hätten wir euch wirklich erwischt, es wäre es meine verdammte Pflicht gewesen, dich an den Galgen zu liefern.
"Das schlimme daran:
"Es hat mir Spaß gemacht, dieses Kräftemessen, ich wollte damals um jeden Preis gewinnen und dadurch Unschuldige beschützen. Und ich wusste nicht, dass du das warst.
"Und wenn wir dich samt Schiff versenkt hätten, hätte ich das wohl auch n—"
No.
Das stimmte nicht. Wahrscheinlich hätte sein Vater ihn dann 'schon eine ganze Weile lang dringendst versucht zu erreichen' um ihm dann zu unterbreiten, dass er erfahren habe, dass Russell sie belogen hätte, um dann so zu tun, als wäre er entsetzt darüber was passiert wäre.
Ihm wurde schlecht.
Blässe zeigte sich auf seinem Gesicht, seine Finger klammerten sich an der Fahne fest.
Beinahe hätte er Cornelis unwissentlich getötet und anstelle von Trost hätte dieser elende Hurensohn von Verräter die Situation eiskalt ausgenutzt!
Bilder rasten an seinem geistigen Auge vorbei, Erinnerungsfetzen von splitterndem Holz und Pulverdampf, schreienden Menschen und der Euphorie, die jetzt in blankes Entsetzen umschlug, als er wirklich realisierte, was es bedeutet hätte, hätte nur einer von Beiden damals ein kleines bisschen mehr Glück gehabt. Als ihm klar wurde, dass Jorge ihnen, um genau das zu erreichen, geplant jeweils verschwiegen hatte, was der Andere tat, dass dieser verfluchte Arcaico sogar den alten Freund seines Sohnes benutzt hatte, um dessen Widerstand zu brechen, ihn dahin zu zwingen, wo er ihn hinhaben wollte.
Wahrscheinlich waren die Hinweise, die Da Gama und ihn auf der Lusitania zu den Prinz Albert Inseln geführt hatten, sogar von dem Schweinehund höchst persönlich und mit kalter Berechnung gekommen...
Enrique zitterte.
"Er hat dir damals absichtlich verschwiegen, dass ich kurz vorher zur Marine gegangen bin. Und nicht nur, damit du mich nicht findest..."