17.09.2018, 13:23
Aufmerksam beobachtete er die junge Frau neben sich. Zu ihren Worten schwieg er vorerst.
Auch weil er sich diese Frage erst einmal selbst stellen musste. Zwar hatte er das schon häufiger getan, aber hatte er sie sich wirklich beantwortet?
Als sie ihn mit einem Ritter verglich, hatte er augenblicklich Ravenport vor Augen und musste schmunzeln. Ja. Der hätte genau das getan, sogar ein Schimmel hätte zu ihm gepasst.
Aber das passte nicht zu ihr und das sagte sie auch selbst.
Seine Hände wollten sich heben, als sie sich weiter entblößte und ihre Haut von Abenteuern und kämpfen sprach, um die Narben und Bilder ehrfürchtig zu berühren, ihnen zu folgen und jede und jedes mit der dazugehörigen Geschichte honoriert wissen, doch seine eine Hand war auf seinen Rippen festgeleimt, die andere hielt zunächst Skadis Hemd, dann den Stoffstreifen und wahrscheinlich hätte sie das auch völlig falsch verstanden. Wie von selbst hatten sich stattdessen seine Finger geöffnet um die Bandage entgegen zu nehmen und das Oberteil war, durch dessen eigenes Gewicht verursacht, scheinbar unbemerkt in den Sand geglitten. Genau so beiläufig platzierte er jetzt den Wickel auf dem Stoff.
Dann brachte seine Gesprächspartnerin ihn völlig aus dem Konzept, als sie ihn zum allerersten Mal auf diese Weise anlächelte.
Ein brennender Stich durchfuhr seine Brust, ließ ihn den Blick abrupt abwenden, von dem er hoffte, dass er schnell genug war, um die aufwallende Traurigkeit vor Skadi verbergen zu können. Immerhin hatte sie damit gar nichts zu tun. Geister, wie falsch würde sie das jetzt doch wahrscheinlich verstehen...
"¡De nada!", flüsterte er heiser, "Du hast wahrscheinlich keine Ahnung, wie oft du mich gerettet hast, mein 'Ritter in weißer Rüstung' warst."
Seine Augen wanderten ziellos über den Strand, die Finger der freien Hand zeichneten unbemachtete Muster in den Sand neben sich.
"I—ich habe dir anfangs gar nicht geholfen, dich lediglich beobachtet und dabei festgestellt, dass du der Mutter meiner Tochter nicht unähnlich bist."
Er lächelte kurz bei dieser Erinnerung.
"Ihr seid beides starke Frauen, geht euren eigenen Weg, habt eure eigene Meinung und steht zu ihr. Genau wie du, ist auch sie Jägerin und hätte mich damals den Haien vorgeworfen, hätte ich mich als ihr Beschützer aufspielen wollen."
Hier schaffte er es tatsächlich sich mit einem schiefen Grinsen wieder Skadi zuzuwenden und zwinkerte. Dann wandte er seinen Blick abermals auf die Brandung.
"Ich..."
¡Nicht jetzt estúpido!
Statt seinen Gedanken zu folgen zwang er sie zurück zu Skadis Frage:
"Warum ich dir später dann doch geholfen habe?
"Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht.
"Für schwach habe ich dich, wie gesagt, nie gehalten, vielleicht anfangs für dumm, allerdings hast du schnell das Gegenteil bewiesen.
"Ein Teil war sicherlich der Mut, den du mit deiner Berufswahl zeigtest. Ein anderer diese Ähnlichkeit. Hauptsächlich aber wohl weil es mich kaum was kostete und weil ich mit einigen dieser Idioten noch eine Rechnung offen hatte. Wieso also hätte ich es ihnen gönnen sollen, sich eine Belohnung zu verdienen, indem sie dich auffliegen lassen?
"Später kamen dann deine Worte und Taten dazu, die mir zeigten, dass wir in vielen Dingen gleich denken, deine Integrität. Auch möglich, dass es da für mich schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden war. Immerhin warst du eine der wenigen Personen an Bord, von denen ich nicht fürchten musste, einen Dolch in den Rücken gerammt zu bekommen."
Wieder suchten seine Augen ihre, sahen sie ernst und aufrichtig an.
"Ich habe die Entscheidung dir zu helfen kein einziges Mal bereut und kann es eigentlich immer noch nicht glauben, dass du mir im Gegenzug so oft den Rücken frei gehalten hast."
Einen Moment sah er zu Boden, dann lächelte er sie ebenfalls dankbar an.
"Gracias mi amiga."