13.09.2018, 09:56
Enrique fing an diese Zeit zu hassen, diese Abende, an denen ihm nichts blieb, als sich selbst zu beschäftigen, weil die Meisten sich zur Ruhe begaben.
Diesen einen Vorteil gestand er der Marine ein:
Sie hatte ihn rund um die Uhr auf Trab gehalten, dafür gesorgt, dass er kaum Zeit zum Grübeln fand.
Jetzt, hier auf einem Schiff, dass die Nacht über ruhte war er auf sich allein gestellt, was Ablenkung betraf, und da schränkten ihn seine schmerzende Flanke und fehlendes Material ein. Auf dieser einsamen Insel würde er daran nichts ändern können und das Rot des Abends brachte jedesmal unweigerlich die Fragen: Was habe ich getan? War das richtig? Und: Ob sie schon in Gefahr sind? mit.
All das war etwas, über das er derzeit nicht nachdenken wollte, konnte er doch hier und jetzt nichts tun um irgendetwas davon zu beeinflussen. Und um etwas an dem Geschehenen zu ändern war es sowieso zu spät.
Eine Möglichkeit wäre, sich früher in die Hängematte zu legen. Aber er war nicht müde genug um schnell einzuschlafen. Blieb also nur die Frage, wo er sich seinen düsteren Gedanken überließ
Heute war es das Achterdeck und er schon eine ganze Weile dort. Dementsprechend schlecht war seine Laune, als Cornelis ihn mit seiner Aussage ins Hier und Jetzt zurückwarf.
Sofort verbrannte er sämtliche Emotionen von seinem Gesicht. Das minimale Versteifen ließ ihn ein wenig die Luft einziehen, pochte die Rippe doch wieder heftig.
Ein paar Atemzüge später hatte er sich erneut unter Kontrolle. Erst dann wandte er langsam den Kopf.
Lo que no dices...
Enrique schnaubte. Dann drehte er sich dem Rotbart gänzlich zu.
"Hältst du mich wirklich für so naiv, dass ich das nicht weiß? Dass ich wirklich glauben würde, dass wir uns, nur weil wir zufällig übereinanderstolpern, nie wieder trennen?"
In der Neutralität seines Tonfalls lag trotz seiner Bemühungen eine gewisse Schärfe. Anfangs schaffte er es noch, seine Hände hinter seinem Rücken verschränkt zu halten, doch dann brach sich das altgewohnte Verhalten seine Bahn und er unterstrich seine Worte mit energischen Gesten.
"Es hat immer für jeden etwas wichtigeres als mich gegeben und das wird auch immer so bleiben. Warum also solltest du da eine Ausnahme sein?"
Auch die Bitterkeit in ihm ließ sich nicht verbergen. Denn für die einzige Ausnahme auf dieser Welt wäre es das Beste, wenn er mit der Morgenwind tatsächlich untergegangen wäre und nie wieder auftauchte. Was das aber für sie bedeuten würde, auch für den Fall, dass sie irgendwann die Wahrheit erführe, dass hatte er Gestern nur all zu deutlich gezeigt bekommen.
"Sei froh, dass ich nicht vor-, nein, nicht mal die Möglichkeit habe, zur Marine zurückzugehen, sonst würde ich womöglich noch irgendwann dein 'Leben' versenken, wie ich es bereits einmal fast getan hätte."
Einen Moment lang schwieg er, starrte verbittert in das Gesicht seines Gegenüber, ehe er sich abwandte, seine Augen schloss, seufzte und sanfter fortfuhr.
"Ich— Ich werde wohl erstmal auf der Sphinx bleiben. Und ich bin es gewohnt, also mach dir keinen Kopf um mich. Das Gestern war... ...nicht ich. Das war... ...eine emotionale Überreaktion. 14 Jahre sind eine lange Zeit."
Das und Cornelis Auferstehung von den Toten.
Erschöpft legte er die Hände auf die Reling und stützte sich schwer auf.
Es gab jetzt also drei Menschen, die, so er in sein altes Leben zurückkehren würde, auf der anderen Seite stehen würden. Und was würde es ihm im günstigsten Fall bringen? Hin und wieder etwas Zeit mit seiner Tochter, die Gewissheit seinen Namen 'reinzuwaschen' und Geld, dass ihm nichts nützte. Vielleicht würde er einem neuen Capitán zugeteilt, der es ihm gestatten würde das Duell, so es denn jemals zustande käme, auch zu führen.
Doch selbst das würde nicht Lowells Tod oder Isabellas Sicherheit garantieren.
Ganz davon ab, dass das der beste Fall wäre, von dem er nicht ausginge, dass er ihn kriegen würde...