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Schwarze Gedanken
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
#9
Erst verwundert, dann sichtlich bestürzt lauschte Enrique Rayons Ausführungen.
¿Por qué? ¿Warum erzählst du mir davon?
Der ehemalige Offizier zog die Augenbrauen zusammen, schaute aber nicht weg.
Der Dunkelhäutige hätte das nicht tun müssen. Enrique hatte ihn nicht gefragt, war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt wissen wollte. Doch er schwieg. Denn sein Gegenüber wollte bestimmt auf etwas hinaus, oder er mochte glauben, ihm etwas für seine Offenheit zu Schulden.
Aber er schwieg auch, weil das Gesagte Erinnerungen aufrüttelte und unbequeme Fragen aufbrachte:
Was, wenn seiner Schwester so etwas passiert wäre? Schlimmer noch, jemand das seiner Tochter antun würde? Was wenn man seinen Vater erschlagen würde?
Er wusste, er würde ausrasten, täte alles was in seiner Macht stünde, um Isabella zu beschützen, tat es ja jetzt schon. Er würde sogar für sie sterben.
Dann aber kam das Schmerzende:
Für seinen Vater würde er keinen Finger krümmen, ja er würde sich sogar zwischen die Angreifer und ihn drängen, nicht etwa um ihn zu verteidigen, nein! Er würde selbst die Waffe führen, ihn selber für all das, was der ihm angetan hatte, leiden lassen wollen.
Ob dieser Gedankengänge brauchte es etwas, bis der Sinn hinter den Worten des Smutjes ihn erreichte.
Von einem Ideal entäuscht zu werden...
Hatte er je so über die Marine gedacht? An ihre Unschuld wirklich geglaubt?
Er schnaubte verächtlich.
No.
Dazu war er zu sehr das, was er war, außerdem war er aus anderen Gründen Offizier geworden und zu früh mit den falschen Leuten in Berührung gekommen. Er hatte immer gewusst, wie es hinter dem Schein aussah.
Woran er wegen Leighton geglaubt hatte war, dass er etwas darin und durch sie bewegen könnte, dass es einen Unterschied machte, wie man sich verhielt, und das korrektes Verhalten belohnt würde, hatte gehofft, dass ihn die Meisten tolerieren, wenn schon nicht akzeptieren würden, dass sie an seinem Äußeren, genau wie dieser Capitán, vorbei schauen könnten, dass es anders werden würde.
Doch er sagte nichts dazu, sondern lauschte weiter und hielt den Blick die meiste Zeit auf seinem Gesprächspartner, bis der seine Fragen geäußert hatte.
Dann schüttelte er erschöpft den Kopf.

"Frag einfach. Wenn ich nicht drüber reden will, tue ich es nicht. Und du verletzt mich damit auch nicht, dass haben Jene getan, um die es bei den Fragen geht."

Trotzdem schwieg er eine kleine Weile.
Warum hatte er das gerade gesagt? Warum war er so offen zu diesem Fremden? Musste das alles raus? Hoffte er allen Ernstes auf dessen Verständnis, ja Akzeptanz? War er tatsächlich so ausgehungert danach, dass ihm die wenigen Gemeinsamkeiten hoffen ließen, dass er unter diesen Leuten tatsächlich so etwas wie einen Freund finden könnte?
Innerlich schüttelte er über sich den Kopf, den die Antwort lautete eindeutig ja.
Weitere Überlegungen diesbezüglich stellte er hinten an und besann sich auf Rayons Worte.

"Es ist das gleiche Gefühl, wie bei jedem, den man beschützen und glücklich machen will. Zumindest wenn man die Person kennt, während sie wehrlos ist oder war. Ich glaube nicht, dass es da..."

Pero.
Und ob.
Enrique senkte den Blick.
Diese Verbindung aus völliger Hilflosigkeit und absolutem Vertrauen war etwas ganz Besonderes.
Erneut schüttelte er den Kopf und krächzte:

"No. Das stimmt nicht. Selbst wenn... Ich... — Du hast recht."

Er war bestürzt, zu erkennen, dass er zwar viel für seine Schwester getan hätte, aber sich wohl nie so bedingungslos für sie geopfert hätte. Ob sein Vater..? Bestimmt nicht. Wut mischte sich dazu, doch er schob die Gefühle bei Seite. Das hatte hiermit nichts zu tun.

"Zu mindest was mich betrifft.
"Das heißt aber nicht, dass nicht jeder Verlust einem das Herz in der Brust zerreißt. Denn was macht es für einen Unterschied, ob ein einfacher Sturm oder ein ausgewachsener Huracan ein Schiff entmastet? Ich—
"Ich glaube, was ich damit sagen will ist, dass es mir leid tut zu hören, was dir widerfahren ist.


Hatte er bis eben mit recht fester Stimme gesprochen, so versagte sie ihm jetzt soweit den Dienst, dass der nächste Satz nur ein flüstern war:

"Auch wenn ich derzeit nicht wirklich den Kopf dafür habe..."

Entschieden wechselte er das Thema:

"Was diesen Mann angeht:
Die Sache ist etwas komplizierter. Er ist nicht allein verantwortlich. Lowell ist nur ein widerlicher, unbedeutender, aber überheblicher Tyrann, der nicht genug Arsch in der Hose hat um Kritik und Widerworte zu ertragen und der zufälligerweise Macht geerbt und die richtigen Verbündeten gefunden hat."


Die schwarzen Augen blitzten finster, als sie sich hoben und  Rayons suchten.

"Allerdings ist er nachtragend, grausam und sein Selbstwertgefühl definiert sich über die Leute, die er gebrochen hat. Und bei wem geht das leichter, als bei jenen, die sich nicht wehren können?
"Was mich betrifft, habe ich, ein dreckiger, kleiner Wurm, der es seiner Meinung nach nicht einmal wert ist, dass er mich zur Kenntnis nimmt, es gewagt, mich gegen ihn aufzulehnen und ihn bloßzustellen. Und egal was er versucht hat, ich habe ihm immer wieder die Stirn geboten und mich ihm entzogen.
"Da er mich nicht kriegen konnte, hat und wird er alles tun, um es doch noch irgendwann hinzubekommen oder mir das auf andere Weise heimzuzahlen. Und er hat bedauerlicher Weise genug Einfluß um mir nicht nur auf die Nerven zu gehen.
"Daran wird auch das hier"
, er machte eine das Schiff umfassende Handbewegung, "nichts ändern.
"Bis jetzt weiß er zum Glück nichts davon, dass ich noch lebe und sehr wahrscheinlich nichts von meiner Tochter, aber wenn sich das ändert und er nachforscht, wird er schnell über ihren Namen stolpern. Und dann wird er wie ein Schweißhund an ihrer Fährte kleben, bis er sie zur Strecke gebracht hat."


Enrique seufzte schwer.

"Samuel Zaedyn hat es ebenfalls gewagt, einfach nicht gänzlich unter seinen Machenschaften zu zerbrechen, wie es wohl, in Lowells Augen, seine Pflicht gewesen wäre, immerhin war das die Aufgabe des adeligen Gefängnisvorstehers in diesem Komplott. Der hat aus 'Spaß an der Freude' mitgemacht, hatte den passenden Ort zur Verfügung und wollte sich anbiedern.
"Es ist viel wert einen Obersten Richter zum 'Freund' zu haben.
"Der, Zaedyns Vater, steckte hinter dem Mord und hat diesen Möchtegerntyrannen benutzt um sich an seinem Sohn zu rächen ohne sich selbst die Hände zu beschmutzen. Wer was wann wie tat, dass weiß ich nicht genau, das konnte mir auch Samuel nicht genau sagen. Aber ich habe da so meine Vermutungen.
"Was die Motivation seines Vaters betrifft, so wie ich das verstanden habe gab er Samuel Schuld am Tod dessen Bruders und wahrscheinlich hat ihm dessen Integrität Angst gemacht.
"In wie weit der allerdings damit einverstanden wäre, dass sein Schoßhund sich an seiner Enkelin vergreifen will, weiß ich nicht, Lowell wird ihn aber wohl im Zweifelsfall schlicht nicht einweihen.
"Sollten diese Beiden je erfahren, dass Samuel mir das alles erzählt hat, stehe ich ebenfalls auf der Abschussliste des Richters und Lowell wird sich nicht nur aus eigenem Interesse weiter mit mir beschäftigen."


Abermals brauchte er einen Moment, dachte an den Brief, in dem das alles wahrscheinlich wesentlich ausführlicher stand, von Samuel persönlich geschrieben, an diese Zeugenaussagen, die ausser ihm wohl kaum einer glauben würde, und die Lowell trotzdem in Angst versetzen würde.

"Und was mit Samuel passiert ist? Der hat, genauso wenig wie Talin oder die Anderen auf mich gehört, als ich ihnen sagte, wie sie am Schnellsten und Sichersten vom Schiff kämen, sondern ist mir, trotz seines desolaten Zustandes, nach Jahren im Gefängnis, gefolgt. Ich nehme an aus Dankbarkeit und in der Hoffnung mir helfen zu können, sollte es notwendig werden."

Enrique rieb sich über die Augen, versuchte erstickt durchzuatmen und starrte dann wieder auf den Becher. Kurzentschlossen stürzte er die zweite Hälfte des Rums die Kehle hinunter und konzentrierte sich einen Moment lang auf Husten und Brennen.

"Leider ist es notwendig geworden. Er— Er hat sich in einen Schlag geworfen, der mir galt. Hätte ich vorher vielleicht noch Zweifel an seiner Aufrichtigkeit gehabt, danach nicht mehr.
Ich weiß nicht wo der Sträfling herkam, aber nicht alle freigekommenen Gefangenen an Bord des Schiffes waren mir so wohlgesonnen wie er oder der Bruder eurer Capitana, der mich nur mit der Schusswaffe bedrohte..."


Trauer und Wut ließen ihn die Augen schließen, schwer atmen und den Kopf wieder zwischen die Schultern ziehen. Dann flüsterte er:

"Ganz zu schweigen von der Verachtung und Aggression der höheren Offiziere, die sofort davon ausgingen, dass ich für das ganze Chaos verantwortlich war. Das wären sie allerdings auch, wenn ich euch nicht geholfen hätte."

Seine Fingerknöchel färbten sich weiß, als die Wut seinen Griff um den Becher wieder verstärkte.

"Dieser Angriff auf mich und Samuels Opfer hat mir Zeit und Spielraum verschafft. Ohne sein Eingreifen hätte ich Kaladar nicht retten können. Allerdings hätte es dann wohl auch keinen Unterschied mehr gemacht..."
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Schwarze Gedanken - von Enrique de Guzmán - 19.03.2018, 16:54
RE: Schwarze Gedanken - von Rayon Enarchea - 07.04.2018, 21:14
RE: Schwarze Gedanken - von Enrique de Guzmán - 10.04.2018, 14:08
RE: Schwarze Gedanken - von Rayon Enarchea - 23.04.2018, 09:15
RE: Schwarze Gedanken - von Enrique de Guzmán - 24.04.2018, 11:43
RE: Schwarze Gedanken - von Rayon Enarchea - 16.05.2018, 13:48
RE: Schwarze Gedanken - von Enrique de Guzmán - 06.06.2018, 21:48
RE: Schwarze Gedanken - von Rayon Enarchea - 12.08.2018, 15:47
RE: Schwarze Gedanken - von Enrique de Guzmán - 22.08.2018, 09:50

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