02.08.2018, 10:23
Natürlich hatte er darüber nachgedacht. Wenn er es nicht sogar in diesem Moment tat. Er war ein Mann, dazu einer, der viel zu lange nicht in den Genuss gewisser Dinge gekommen war. Und dann begegnete er ihr, auf einer einsamen Insel – irgendwo im Dschungel. Er hätte ganz eindeutig nicht auf das weibliche Geschlecht gestanden, wenn ihm sich da nicht gewisse Dinge in seinen Kopf gezwängt hätten. Allerdings... ging es ihr da kein bisschen anders, auch wenn man dabei die Geschlechter tauschen musste. Und so ließ sich ein vielsagender Blick in Luciens Richtung nicht unterdrücken. Erwischt. Das musste er natürlich auch aussprechen.
„Da hast du vollkommen Recht, das kann ich nicht leugnen.“ Mit einem eindeutigen Blick wandte Shanaya sich zurück, musterte den Dunkelhaarigen. „Aber erwarte trotzdem nicht zu viel, ich will ja nicht, dass du nachher enttäuscht bist. Dir fehlt dazu nämlich etwas ganz entscheidendes.“
Oder vielmehr... IHR fehlte dazu etwas. Und oh, er konnte sich auf den Kopf stellen, dieses kleine Geheimnis würde sie ihm definitiv nicht verraten. Daran sollte er ruhig ein bisschen knabbern - denn das war etwas, was er nicht erreichen würde. Da war es auch egal, dass ihr Körper sich deutlich einer gewissen Verführung hingeben wollte. Die junge Frau wandte den hellen Blick also wieder nach vorn, aber das Grinsen auf ihren Lippen würde dem Dunkelhaarigen genug verraten.
Die Ironie seiner nächsten Worte ließ die junge Frau leise, gespielt dramatisch aufseufzen. Sie erwartete keinen Dank mehr, gerade nicht in solch einem Moment. Trotzdem blieb der Ausdruck in den blauen Augen amüsiert, auch wenn sie Lucien gerade nicht anblickte. Wie bei ihm klang es deutlich in ihrer Stimme durch. Genau wie die übertriebene Ironie darin.
„Selbst in höheren Kreisen ist dieser Punkt der Erziehung irgendwie ausgelassen worden.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Es weiß einfach niemand mehr, was sich gehört!“
Schließlich stellte er jedoch die Frage, mit der Shanaya gerechnet hatte. Er hatte sie beiläufig schon auf der Sphinx gestellt – und es schien ihn wirklich zu interessieren, wieso sie ihm, einem vollkommen Fremden, von einem Marineschiff half. Die Antwort darauf war einfach, und da sie ihn gestern nur ein wenig hatte locken wollen, sollte er seine Antwort ruhig bekommen. Dazu musste sie jedoch ein wenig weiter zurück gehen.
„Solange wie ich denken kann, wollte ich Piratin werden. Ich hatte unzählige Pläne, wie ich dieses Ziel erreichen würde. Wie es aber so ist, bin ich durch einen... Zufall auf der Sphinx gelandet. In einer Situation, in der ich allein vielleicht nicht lange überlebt hätte.“ Nicht, dass sie kampflos aufgegeben hätte... aber als einzelne Frau gegen eine ganze Crew voller notgeiler Piraten... „Sie hat mir geholfen, und vermutlich habe ich nur dank ihr überlebt. Also habe ich mit ihr, auch um mein eigenes Leben zu schützen, gegen den Captain gemeutert. Aber ich hatte noch eine Schuld zu begleichen – also habe ich ihr versprochen, ihren tot geglaubten Bruder mit ihr zu suchen. Und siehe da...“ Shanaya schlug einen weiteren Ast aus dem Weg, drehte sich jetzt das erste Mal wieder zu Lucien herum, ein munterer Ausdruck auf den Zügen, musterte ihn und wandte sich wieder nach vorn. „Totgeglaubte leben länger. Und, reicht dir das als Antwort?“