01.08.2018, 20:47
Sie wusste nicht, wie lange sie ihn einfach nur so festgehalten hatte. Es fühlte sich an wie Sekunden, aber es konnten auch Stunden, Tage, Jahre vergangen sein. Jegliches Zeitgefühl hatte sie verloren, während sie Lucien umarmte.
Nachdem die Anspannung von ihr abgefallen und ein paar Augenblicke verstrichen waren, schlich sich ein von Herzen kommender Schluchzer über ihre Lippen. Kurz darauf waren die Tränen gefolgt, die langsam, aber unaufhaltsam auf Luciens Schulter getropft waren und seinen Hals befeuchteten, als sie ihr Gesicht an eben diesen drückte. Selbst wenn sie ihn hätte freigeben wollen, damit er ein wenig Abstand zur ihrer Tränenflut erhielt, sie hätte ihn nicht los lassen können. Ihre Arme waren krampfhaft um seinen mageren Körper geschlossen gewesen, weigerten sich ihn los zu lassen.
Inzwischen waren die Tränen versiegt und sie konnte sich langsam dazu zwingen, sich von ihm zu lösen, nur um ihn wieder anzusehen. Sie ließ ihren Blick wieder und wieder über ihn gleiten, während sie auf der Bettkante saß, ein Bein unter das andere angewinkelt, dass andere fest auf dem Boden. Sollte er es wollen, konnte sie jeder Zeit von ihm abrücken. Aber sie hoffte, er wollte es nicht. Weil sie den Kontakt noch nicht aufgeben wollte, griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest, verschränkte ihre Finger mit den seinen. Von diesem Geflecht – seine Finger waren fast so dünn wie ihre eigenen – hob sie den Blick und sah ihm wieder ins Gesicht. „Du lebst! Ich habe immer gewusst, dass du noch lebst, aber du bist jetzt auch wirklich hier...“ Ihre Stimme versagte kurz und sie schluckte die wieder aufkommenden Tränen herunter. Drei lange Jahre und er war wirklich wieder bei ihr. Es gab so viel, was sie ihm sagen, was sie ihn fragen wollte. Was passiert war, was aus den anderen Männern, dem Schiff und ihrem Vater geworden war. Sie wollte ihm sagen, was sie erlebt hatte, wie sie von Kelekuna und schließlich zu diesem Schiff gekommen war. Aber nichts von all dem kam heraus. Nicht der kleinste Laut. Sie blickte einfach nur auf ihre in einander verschlungenen Hände, hielt ihn fest und strich mit dem Daumen immer wieder über seine Haut.