14.07.2018, 00:21
Irgendwie passierte in Enriques Kopf alles doppelt.
Das Eine, das wirklich passierte und das andere, was sein früheres ich erlebt hätte. Er konnte beides klar von einander trennen und doch wirkte beides real, wie als hätte er ein Déjà-vu oder es wäre tatsächlich eine Erinnerung.
Als Cornelis nickte und sich setzte ließ er los, setzte sich vorsichtig selbst und lehnte seine Schulter gegen die Reling.
Sein zehnjähriges Ich hingegen war mit dem Nachdenken so beschäftigt, dass es erst dann realisierte, dass es sich noch Festhielt, als es auch schon in Cornelis Arme kippte und prompt rot wurde.
Beide stellten sie schließlich die Frage und erwarteten furchtsam gebannt die Antwort.
Dem Jungen ging das Herz bei dem Lächeln auf und es wurde aus dem immer noch roten Gesicht mit breitem Grinsen und leuchtenden Augen erwidert.
Ihn selbst erfüllte es mit Wärme, versetzte ihm aber gleichzeitig einen derben Stich.
Kurz senkte er den Blick und lächelte still betrübt nur um den Blick erneut auf seinen Freund zu richten und ihn stumm zu betrachten während der Sprache. Wehmut stand in den Augen.
"Doch," antworteten Beide, "ich habe das nie vergessen."
Als Feuerbart die Narbe enthüllte berührt der Knabe diese fasziniert und vorsichtig mit der freien Hand, die andere hatte der noch immer nicht vom Arm gelöst, und warf sich dem Mann dann endgültig in die Arme.
Er selbst konnte nur fahrig nach Cornelis tasten und mit zitternden Fingern dessen Ärmel greifen, während alles um ihn verschwamm und er die Augen schließen musste.
"Y'aY'a", whisperte er erstickt und lehnte auch den Kopf gegen das Holz neben sich, gleichzeitig rannen die Tränen ungehindert. "Daguaroco'Datiao."
Er war es wirklich. Sein Freund lebte. van der Meer war zu ihm zurückgekehrt.
Obwohl jedes verzweifelte und gleichzeitig befreiend Schluchzen Wellen des Schmerzes durch seinen Körper pulsen ließ konnte er damit nicht aufhören.
Wut, Verzweiflung, Trauer, Angst, Erleichterung, Freude, all das mischte sich in ihm und rang um Vorherrschaft.
Selbstvorwürfe sorgten dafür, dass der Erwachsene am liebsten beschämt verschwunden wäre, während sich der Junge einfach nur an den Steuermann klammerte und immer wieder flehte:
"Lass mich nie wieder allein!"
Enrique bekam nicht mit, dass er diesen Satz nicht nur in Gedanken äußerte, sondern auch tatsächlich einmal flüsterte. Sein Wunsch war so egoistisch, wie er unmöglich und kindisch war, weshalb er ihn eigentlich auch nicht aussprechen wollte. Und doch war es alles, was er sich in diesem Moment wünschte:
Sich wie damals, wie dieser kleine Junge, in diesen starken Armen verbergen und bis zur Erschöpfung weinen.