07.01.2018, 16:42
Jetzt zu gehen wär viel zu leicht
Nachmittag des 20 .März 1822Farley Dunbar & Shanaya Árashi
Shanaya stand mit verschränkten Armen auf der letzten Stufe zum Frachtraum. Ein Fuß baumelte bereits in der Luft, die Miene blieb noch unschlüssig. Wo sollte sie anfangen? Zwei Lampen erhellten den Raum, zu dem kein Tageslicht durchdrang. Nicht viel... aber vielleicht würde es reichen. Die hellen Augen wanderten über die Fässer und Kisten. Ihre Begegnung mit dem Marinekerl hatte sie aus dem Zeitplan gebracht, umso schneller musste sie nun arbeiten. Es schien immernoch zu rechnen, also war es vermutlich überall auf dem Schiff gleichnass. Und hier unten schien sie niemand zu stören – außer dem Gackern der Hühner. Ein leises Schnaufen. Und mit dem nächsten Atemzug machte die Schwarzhaarige einen kleinen Satz von der Stufe, schnappte sich eines der Taue von der Wand und machte sich daran, die Fässer zu befestigen. Man konnte hier keine Ordnung schaffen, wenn man irgendwann von den Dingern überrollt wurde. Und noch musste sie nicht zurück ans Steuer – die Zeit wollte also genutzt werden.
Dem Drang sich ständig die Handgelenke zu reiben zu widerstehen, war gar nicht so leicht. Der behelfsmäßige Medizinmann hatte ihm irgendwelches Zeug auf die Haut geschmiert, der die von den Eisen gereizten Stellen ein wenig besänftigen sollte. Aber so richtig viel Hoffnung hatte Farley nicht. Normalerweise hieß es: widerstehe oder kratz dich blutig. Er war auf Letzteres wenig scharf, also war er auf der Suche nach Ablenkung – was auf diesem Schiff aber gar nicht so leicht war. Irgendwie hatte der Braunschopf keine Aufgabe, wusste wenig mit sich anzufangen. Kein Wunder, immerhin konnte man seine Talente im Moment ja eher wenig gebrauchen – es sei denn, irgendjemand kam auf die Idee einem Crewmitglied irgendetwas abluchsen zu wollen. Das aber konnte sich Farley kaum vorstellen. Er musste sich also nach anderen Beschäftigungen umsehen, wenn er nicht vor Langeweile sterben wollte, bis sie den nächsten Hafen ansteuerten. Und nachdem Gregory ihn vor einer halben Stunde aus seinem „Behandlungsraum“ - wenn man es so nennen wollte – entlassen hatte und er gerade einen eintönigen Spaziergang an Deck beendet hatte, kam ihm die Gestalt der Schwarzhaarigen gerade recht. Farley hatte kam gerade die Treppe zum Kanonendeck hinunterspaziert, als er das Mädchen im Frachtraum verschwinden sah und nur einen Augenblick später hörte er geschäftige Geräusche. Er überlegte kurz, ob er sie in Ruhe lassen sollte, entschied sich aber schnell dagegen und folgte ihr so unauffällig er konnte – man musste ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.
Shanaya stemmte einen Fuß gegen die Fässer, um das Tau darum ein wenig fester ziehen zu können. Was für eine eintönige Arbeit, die sie in den letzten Tagen viel zu oft wiederholt hatte. Wenn es wenigstens neue Fässer gewesen wären. Aber es würde nicht mehr lang dauern, dann würde sich hier genug neues Zeug stapeln. Was war überhaupt in diesen Fässern? Vielleicht wollte sie es nicht wissen. Aber was blieb ihr anderes übrig? Das Deck schrubben machte keinen Sinn, die Hühner waren gefüttert... und auch wenn sie kein Problem mit dem Ragen hatte, wollte sie nun nicht unbedingt in der Takelage hängen. Also schnaufte sie noch einmal, knotete das Tau fest. Es war nur leise, aber trotzdem entging der Dunkelhaarigen das Knarzen nicht. Es hätte auch einfach ein Geräusch des Holzes sein können, aber sie erkannte bei einem kurzen Seitenblick, ohne den Kopf zu drehen, eine Silhouette. Sie wusste nicht, wer dort stand... aber sie reagierte auch nicht. Wenn irgendwer etwas von ihr wollte, konnte er ruhig den Mund aufmachen – oder sie im stillen begaffen. Shanaya drehte sich also zur anderen Seite, nahm halbherzig die nächsten Fässer ins Visier.
Ach, dämliches Holz. Farley wusste schon, warum er Bretter nie hatte leiden könnten. Sie waren der Anfang allen Verrats und machten auch diesmal seine Möglichkeit zunichte, einfach wieder zu gehen. Nunja. Der junge Mann kannte das Mädchen vor sich nicht sonderlich gut – mal davon abgesehen, dass sie einen ziemlichen Hang zur Dramatik zu haben schien, sonst wäre sie wohl kaum Teil dieser Crew – und wusste deshalb nicht, ob sie ihn gehört hatte. Aber er scherte sich auch nicht darum, sondern ging einfach davon aus. Das Anschleichen konnte er also vergessen. Und wenn er nicht weiterging, konnte er genauso gut bleiben wo er war. Mit einer flüssigen, geschickten Bewegung ließ er sich auf die Stufe nieder, die unter ihm war, streckte eines seiner Beine aus und winkelte das andere so an, dass er sich daraufstützen konnte. Einige Sekunden lang verharrte er so und betrachtete die Schwarzhaarige bei ihrer Arbeit, bevor er das Schweigen brach und – mit einem klein wenig amüsierten Unterton in der Stimme – sagte: „Zieh nicht zu fest, sonst machst du dir noch deine zarten Mädchenhände kaputt.“ Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem ebenso amüsierten Lächeln, das ihr bei genauem Hinsehen durchaus zeigen würde, dass seine Worte keineswegs spöttisch gemeint waren. Stattdessen waren sie tatsächlich ein eher plumper Versuch ins Gespräch zu kommen – oder einen Streit anzufangen.
Shanaya zählte still vor sich hin. Wie lange würde es wohl dauern, bis irgendeine Reaktion kam? Automatisch spielten sich vor ihrem geistigen Auge unzählige Möglichkeiten ab – was sich jedoch als schwierig erwies, immerhin wusste sie noch immer nicht, wer dort auf der Treppe stand. Vielleicht Jemand der Neuen? Vielleicht auch Aspen, um an ihr rum zu meckern? Hatte sie irgendwen getötet, was dem Blonden nicht passte? Schon wieder? Shanaya unterdrückte ein Seufzen, lauschte dann aber dem Geräusch von weiteren Bewegungen. Vielleicht war ihre Gesellschaft wieder gegangen? Also nicht Aspen, der hätte erst gemotzt. Aber dann erklang doch eine Stimme – im ersten Moment konnte sie sie nicht zuordnen. Mit den Worten wollte die junge Frau im ersten Moment die Augen verdrehen, drehte sich dann aber ohne eine Regung herum, eine Augenbraue leicht erhoben und mit einem Lächeln in die Richtung des Mannes blickend, den sie durch Zufall gerettet hatten. Ihre Mimik wechselte einen Moment zu einer besorgten Miene, mit denen sie ihre Hände betrachtete. Ihre armen, wunderbar weichen, zarten, zerbrechlichen Mädchenhände. Sie war ja nicht Aspen. „Du meinst die, die dir deinen Hintern gerettet haben?“ Ein Hauch Herausforderung schwang in ihrer Stimme mit. Aber das Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück.
Fast war er versucht ob ihrer Antwort zu lachen. Schlagfertig war sie, das musste man ihr lassen. „Oh, mir war eher so, als hätten sie zugelassen, dass dir ein Stuhl auf den Kopf fällt.“ Er hatte nichts gegen eine nette kleine Plänkelei und entschied für sich, dass er gut daran getan hatte hier hinunterzukommen. Das würde ihn hoffentlich zumindest für ein paar weitere Minuten von der Eintönigkeit ablenken. „Aber für die Rettung meines Hinterns bin ich auch sehr dankbar, obwohl ich behaupten würde, dass er von allen meinen Körperteilen am wenigsten in Gefahr war.“ Und das war durchaus nicht gelogen. Seine eigenen Hände wären wahrscheinlich eher dran gewesen ihn zu verlassen, hätten sie ihn nicht mitgenommen. Beim Gedanken an die Fesseln, die er getragen hatte, bevor sie ihn in eine der Schiffszellen gesteckt hatten, rieb er sich nun doch gedankenversunken über die Handgelenke. Das Lächeln war ein wenig verblasst.
Shanaya hob den Kopf bei den nächsten Worten des Mannes ein wenig an, ihr Grinsen wurde eine Spur breiter. „Sie wussten einfach, dass dem Sturschädel Nichts schlimmes passieren würde.“ Ganz einfach! Und sie hatte Recht behalten, immerhin stand sie hier aufrecht, wurde nur noch bei zu schnellen Bewegungen von kurzen Schmerzwellen geplagt. Nichts, was sie aufhalten würde. Wenigstens war er dankbar für seine Rettung – was ja auch das mindeste war. „Sich den Hintern in nass gepinkeltem Stroh und auf feuchten Steinen platt sitzen ist trotzdem sicher nicht sehr angenehm.“ Einen kurzen Moment überlegte sie, neigte den mit einem Deuten ihres Kopfes in die Richtung der Zellen. „Sollte dir das aber fehlen, bitteschön.“
„Zumindest nichts, was dich von der Arbeit abzuhalten scheint“ , antwortete er und ignorierte ihren Hinweis auf den Zellenbereich gekonnt. Wäre Farley darauf eingegangen, hätte er ihr leider sagen müssen, dass sich die Fahrt auf diesem Schiff nicht viel anders anfühlte. Er stand nicht nur in der Schuld dieser Leute, er konnte sie nicht einmal auszahlen und dann winkend zusehen, wie sie davonfuhren – denn es gab keinen Hafen, an dem er sich davonmachen konnte. Und Geld auch nicht, wobei sich das leicht ändern lassen konnte. Im Endeffekt konnte er also nicht weg und war wie zuvor gefangen – nur dass er besser behandelt wurde und sich immerhin auf dem Schiff frei bewegen konnte. Aber das behielt er für sich, zu viel wollte er dem Mädchen nicht preis geben. „Also, warum schiebst du hier unten Fässer umher, wenn du dir auch oben an Deck die Sonne auf die Haut scheinen lassen könntest?“
Shanaya schnaufte nur leise. „Da muss schon mehr kommen als so ein kleiner Schlag gegen den Kopf.“ Der Stuhl war trotzdem ihr Feind! Nur... dass er bei ihrer nächsten Begegnung vermutlich nicht mehr als ein glitschiges Stück Treibholz sein würde. Schade drum. Dafür hatten sie ja nun den Dunkelhaarigen, der in diesem Moment bei ihr war, sowie die zwei weiteren Gefangenen und die Marinetypen bei sich. Vielleicht fand sich da ja ein Stuhlersatz. Sehr wahrscheinlich sogar. Die nächste Frage besagter Gesellschaft ließ Shanaya leicht die Nase rümpfen, was dann in ein weiteres Lächeln und ein kurzes Zucken der Schultern überging. „Ich mache mir meine zarten Mädchenhände einfach viel zu gerne schmutzig.“ Ein Blick zur Seite. „Dieses Schiff braucht eine Generalüberholung – und ich bin nicht der Typ, der sich faul in eine Ecke setzt und andere die Arbeit machen lässt.“ Außerdem... machte sie das selbst viel lieber. Dann wusste sie wenigstens, das es richtig gemacht wurde.
Ein Prinzesschen war sie also nicht – Farley fand das sehr sympathisch. Anscheinend ging sie die Dinge pragmatisch an und war jemand, der zupackte. In den letzten Monaten hatte er viel zu viel mit diesen wohlerzogenen Damen zu tun gehabt, die ein Fass nicht mal ansehen würden. Die Hände der Schwarzhaarigen waren ihm da wesentlich lieber – nun, zumindest bis jetzt. Er wusste ja nicht, was sie mit ihren Händen sonst noch so anstellte, von irgendwelchen Schiffen in die Luft jagen mal abgesehen. Er hob dennoch – gespielt verblüfft – die Augenbrauen in die Höhe und lächelte amüsiert. „So so“, sagte er nur, ohne es wirklich böse zu meinen. Aber die Zweideutigkeit ihrer Worte konnte er einfach nicht ignorieren – das ließ seine lose Zunge nicht zu. Dafür hätte sie es einige Augenblicke später fast geschafft, ihm ein schlechtes Gewissen zu verpassen. Da er das aber schon vor vielen Jahren abgelegt hatte, schrammte sie knapp an einem Erfolg vorbei. Farley schaffte es, ihre Bemerkung über faul in der Ecke Sitzende nicht auf sich zu beziehen. Stattdessen folgte er ihrem Blick und nickte bedächtig. Er hatte die größeren Schäden gesehen, obwohl er kein Interesse daran hatte, beim Flicken zu helfen. Schiffe hatten die dumme Angewohnheit aus Holz zu bestehen – und von der Arbeit mit diesem Rohstoff würde er sich so weit wie möglich fernhalten. >„Und abgesehen von losen Fässern und Löchern im Rumpf, was würdest du noch auf Vordermann bringen?“ Er hatte ein Grundwissen, was Schiffe anging, aber er war nie ein wirkliches Crewmitglied gewesen. Das Mädchen dagegen – er erinnerte sich nicht einmal an ihren Namen – schien sich recht gut auszukennen. Vielleicht konnte sie ihm helfen ein Mittel gegen seine Langeweile zu finden.
Shanaya beobachtete aufmerksam die Regung in der Mimik des Mannes. Er machte jedenfalls nicht den Anschein, als würde er gleich aufspringen und ihr helfen. Aber das kümmerte sie nicht – wie gesagt, machte sie es sowieso lieber selbst und allein. Zwei Hände mehr hätten ihr vermutlich nicht viel geholfen. Sein kurz gehaltener Kommentar ließ sie nur kurz eine Augenbraue heben. Immernoch keine Regung, sich zu erheben. Also wandte die Dunkelhaarige sich einer Kiste zu, die schräg auf einer anderen stand. Mit einem kräftigen Schub stand sie wieder gerade, während Shanaya der Stimme hinter sich lauschte. „Oh, vielleicht die Manieren der Männer? Die Dummheit der Menschheit? Ich habe leider eine große Auswahl.“ Eine Hand klopfte noch einmal gegen die Kiste, das Lächeln schwang aber in ihrer Stimme mit. „Aber beim Schiff ist die Auswahl genauso groß. Aber für das Meiste fehlt uns Holz... es gibt genug Löcher zu stopfen, Segel zu flicken... Solltest du also bei uns bleiben, wird dir sicher nicht langweilig.“
Ihre Antwort verwirrte ihn ein wenig, bis er dahinter kam, dass er nicht explizit nach dem Schiff gefragt hatte. Er schmunzelte kurz bei ihrer Antwort. „Ich wäre fast versucht zu sagen, wenn du einem Mann Manieren beibringst, wird er zur Frau. Aber das wäre eine glatte Lüge – es gibt Frauen, die sind sehr viel schlimmer.“ Das Fehlen an Manieren machte sich bei den Damen nur anders bemerkbar. Welche Weise an Ungehobeltheit man nun schlimmer fand, durfte jeder gerne für dich entscheiden. Allerdings hatte Farley befürchtet, dass sie Holzarbeiten am Schiff vorschlagen würde. Als sie Segel flicken hinzufügte, seufzte er ein wenig resignierte. Er nahm den Arm von seinem Bein, steckte das angewinkelte nun auch noch aus und lehnte sich mit angewinkelten Ellenbogen nach hinten, sodass er nun lässig auf der Stufe lehnte. Ihm war bewusst, dass er damit noch fauler wirkte. Aber sie wirkte nicht wirklich, als hätte er ihr helfend zur Hand gehen können. Wahrscheinlich würde sie ihn nach zwei Minuten fauchend davonjagen. „Das bezweifle ich. Meine Finger sind eher in anderen Dingen... geübt.“ Er verzichtete auf eine genauere Erklärung und beobachtete sie weiter interessiert bei ihrem geschäftigen Treiben. „Ich könnte dir dabei helfen. Aber du siehst aus, als würdest du es gut alleine hinbekommen.“ Und das war das höflichste, sowie erste und letzte Hilfsangebot, dass er ihr machen würde.
Shanaya blickte sich suchend in dem spärlich beleuchteten Raum um, ohne den hellen Blick dabei zurück zu dem Mann zu werfen. Seine Worte ließen sie jedoch inne halten, den Kopf überlegend zur Seite geneigt. „Wir sind dabei aber so zuckersüß, dass uns niemand böse sein kann.“ Sagte sie, die den Großteil der weiblichen Menschheit am liebsten einfach los wäre. Diese ganzen kleinen Püppchen, die sich ihr Kleidchen nicht dreckig machen wollten. Shanaya schauderte, richtete den blauen Blick dann doch kurz zurück, als der Dunkelhaarige seufzte, seine Position änderte. Aber er blieb sitzen, sprach dann weiter. So? In anderen Dingen? „Solche, die dich auf die Morgenwind gebracht haben? Oder möchtest du in die Schublade 'Grabscher' gesteckt werden?“ Eine Augenbraue gehoben musterte sie den Mann mit einem vielsagenden Grinsen. Seine Wahl. Seine Haltung machte jedoch seine Einstellung zu seinem eigenen Angebot deutlich. „Da ich deine Arbeit eh kontrollieren würde, kannst du auch gleich sitzen bleiben.“ Mit einem Fuß schob sie junge Frau eines der Taue zur Seite, verzog die Lippen zu einem leichten Grübeln. „Aber du kannst die Hühner füttern, sollte dich doch der Arbeitsmut überkommen.“
Er lachte leise bei ihrer Antwort. „Nun, wer sagt dir, dass ich nicht fürs Grapschen verhaftet wurde?“ Farley kannte durchaus Leute, die für eine falsche Berührung an ihren Frauen einen Krieg anzetteln würden. Deshalb war die Annahme gar nicht so furchtbar daneben, aber er ging davon aus, dass die Schwarzhaarige sehr wohl wusste, was er meinte. „Aber im Endeffekt ist es mir egal, in welche Schublade du mich steckst – oder irgendjemand anderes auf diesem Schiff. Oder sonstwo in irgendeiner der sieben Welten. Das macht das Leben einfacher.“ Er richtete sich wieder auf und – oha – erhob sich schließlich sogar gänzlich. Für einen Moment schien er noch zu überlegen, ob er sich wirklich zum Hühnerfüttern überreden lassen sollte. Doch was hatte er schon sonst zu tun? Und immerhin waren diese Tiere dafür da ihn zu ernähren. Also was sollte es schon schaden. Ohne ein weiteres Wort an das Mädchen zu richten, ging Farley zu den Tierpferchen herüber und blickte sich um. Als er einen Eimer entdeckt hatte, dessen Inhalt verdächtig nach körnigem Hühnerfutter aussah, griff er danach und ließ die Hand hineingleiten. Es war lange her, dass er ein Haus versorgt und Tiere gefüttert hatte.
Shanaya schmunzelte über die Widerworte des Mannes, zuckte aber erneut nur leicht mit den Schultern. Ihr war egal, wofür er auf diesem Schiff gelandet war. Genau wie bei den zwei Anderen. Wer hatte schon eine weiße Weste? Vermutlich niemand, auch nicht die ach so hohen Marinehunde. Und so lange er seine Hände bei sich behielt... Und es war ihm egal, was andere von ihm dachten. Immerhin ein Pluspunkt, er fing also nicht das Speichellecken an, um nirgends anzuecken. Zumindest würde sich das noch zeigen, er konnte ja viel erzählen... „Dann bin ich gespannt, wie du dich machst.“ Und das war sogar ernst gemeint – wenn er auf der Sphinx blieb. Wenn er beim nächsten Hafen eilig vom Schiff sprang... nun, sie würde sein Gesicht vermutlich schnell vergessen können. Aber dann erhob er sich tatsächlich auf ihre Worte hin – und allein diese Tatsache ließ Shanayas Grinsen ein ganzes Stück breiter werden. So einfach war das. Trotzdem beobachteten ihre blauen Augen die Bewegungen des Mannes missstrauisch, bis er nach dem Eimer griff und sich daran machte, die Federviecher zu versorgen. Wer wusste schon, ob er die Chance – hier unten mit ihr allein – nicht nutzen würde. „Man muss die also nur direkte Anweisungen geben. Gut zu wissen...“
Dafür, dass er das schon einige Jahre nicht gemacht hatte, stellte er sich gar nicht so dumm an. Mit einer flinken Handbewegung hatte Farley die Tür zum Käfig geöffnet und eine handvoll Futter in zum Federvieh geworfen, das sich laut krakeelend darüber hermachte. „Das Leben ist zeitsparender, wenn man direkt ist. Abgesehen davon...“ , er wiederholte das Spiel mit dem Futter, „kommt es auf die Anweisung an.“ Farley schloss die Tür rasch wieder, er hatte keine Lust einem der Hühner hinterherjagen zu müssen, wenn es entwischte. Wobei das immerhin Abwechslung gebracht hätte. Der junge Dieb malte sich in Gedanken aus, wie die Schwarzhaarige gemeinsam mit ihm ein flinkes, widerspenstiges Federvieh zwischen der Brig und den Fässern umherjagte. In seinem Kopf gab das ein nicht allzu schlechtes Bild ab. „Und du? Wie gibt man dir am besten Anweisungen? Indem man sich befreien und dann vier Tage kaum blicken lässt?“ Es war natürlich eine Anspielung auf den offensichtlich neuen Kapitän, den aber kaum eines der Crewmitglieder zu kennen schien. Eine sehr seltsame Konstellation.
Shanaya beobachtete still, wie der Dunkelhaarige sich mit den Hühnern beschäftigte. Die freuten sich natürlich, kein Wunder, wenn man sonst nicht wirklich etwas zum freuen hatte. Nicht einmal Tageslicht. „Gut zu wissen, dann beobachte ich einfach, welchen Anweisungen du folgst, und welchen nicht.“ Mit munterer Miene trat die junge Frau nun zu einem Netz, das dreckig und löchrig von einem Stapel Kisten hinab hing. Eine schnelle Bewegung und zumindest ein Teil des Drecks fiel auf die Planken. Während der Mann die Käfige schloß – ein Geräusch, das Shanayas Blick noch einmal herum wandern ließ. Bei seiner Frage hob sie zuerst eine Augenbraue, konnte sich ein Lachen dann aber nicht verkneifen. „Eher nicht. Aber mir Anweisungen zu geben ist sowieso Glücksspiel. Ich tue Nichts, was ich für dumm halte. Und ob ich auf die Anweisungen diesen Herren höre, zeigt sich, wenn er das Versteckspiel beendet hat.“
Farley hatte sich mittlerweile wieder umgewandt, ließ die Hühner gackern und stellte den Eimer dorthin zurück, wo er ihn gefunden hatte. Wahrscheinlich wäre es auch noch nötig gewesen, den Käfig des Federviehs einmal sauber zu machen, aber dazu wäre er auf Hilfe beim Umsiedeln des Viehzeugs angewiesen - und er hatte wahrlich keine Lust nach Hilfe zu fragen. „Ein wahrlich gepflegtes Schif“, kommentierte er das löchrige Tau und den herabfallenden Dreck etwas spöttisch. Dann schob er sich mit der Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinter das Ohr, bevor er sich umblickte und einen alten Besen entdeckte. Während die Schwarzhaarige noch mit dem Netz beschäftigt war, ging Farley an ihr vorbei und schnappte sich den Stielknecht und begann den Dreck zusammenzukehren. Ungefragt, nur um das festzuhalten. „Ein ziemlich seltsames Verhalten jemanden zum Captain zu erklären, der die Crew nicht unter Kontrolle hat“, stellte er fest.
Shanaya schüttelte das Netz noch ein bisschen hin und her, schnaufte leise über die Löcher darin. So viel zu tun... aber wenigstens konnten sie sich jetzt darauf konzentrieren. Und so schnaufte sie nur über die Worte des Mannes. „Es hat schon bessere Tage gesehen, ja. Aber gib uns ein bisschen Zeit... dann erstrahlt sie in neuem Glanz.“ Einen kurzen Moment verlor sich ihr Blick in der Dunkelheit, die nur von den zwei flackernden Laternen gebrochen wurde. Sie war sich sicher, dass die Sphinx dann ein wunderschönes Schiff sein würde. Das Geräusch, das schließlich hinter ihr erklang, ließ die Dunkelhaarige den Kopf herum drehen, und beinahe etwas überrascht beobachtete sie die Bemühung des Mannes. „Du willst es dir hier also doch häuslich einrichten?“ Sie grinste munter, dachte nicht lange über eine Antwort auf seine nächsten Worte nach. „Nach so einer langen Zeit in solcher Gesellschaft und zu solchen Bedingungen... ich kanns ihm nicht verübeln, auch wenn ich es nicht unbedingt klug finde. Aber das wird schon, wenn er wieder auf den Beinen ist. Sonst wäre ich längst nicht mehr hier.“
Er erwiderte ihr Grinsen mindestens ebenso breit, als er kurz aufhörte und sich an den Besenstiel lehnte. „Nicht doch, ich will dir nur helfen deinen verrückten Traum vom hübsch glänzenden Schiff zu erfüllen“, er schüttelte amüsiert den Kopf und fuhr fort den Dreck zusammenzukehren. Das Kopfschütteln galt übrigens nicht nur ihrer Idee vom makellosen Rumpf und von Segeln ohne Löcher. Auch ihre Erklärung was den neuen Anführer der Crew anging, überzeugte ihn nicht wirklich. „Wohin wärst du denn verschwunden? Hättest du den bösen Stuhl zu Kleinholz verarbeitet und dich dann von der Marine aus dem Meer fischen lassen?“ Ebenfalls ein irgendwie amüsanter Gedanke – allerdings erschien er ihm doch etwas abwegig.
Shanaya hob leicht den Kopf etwas an. „Sehr edel von dir.“ Auch wenn ihr erst einmal wichtiger war, dass das Schiff sicher fuhr – und nicht irgendwann mitten auf dem Ozean einfach durchbrach und in die Tiefen versank. Aber ohne Materialien dafür... „Du weichst geschickt diesem Thema aus, ob du auf der Sphinx bleibt.“ Ein weiterer Blick galt dem Mann, ehe sie mit einem gezielten Tritt eine alte Flasche zur Seite beförderte. Und dann folgte ein leises Brummen. Wie er sich an diesem Stuhl festbiss! Das Netz noch immer in der Hand bewegte sie sich nun zu einer Kiste, die sie mit einem Fuß aufstieß. „Ich hätte gar nicht erst mit zur Rettungsaktion kommen müssen. Aber was wäre ich für eine Piratin, die sich solch ein Abenteuer entgehen lassen würde? Und da ich Talins Fähigkeiten und Einstellungen kenne... Da mache ich mir also keinerlei Gedanken.“ Damit beförderte sie das Netz in die offene Kiste und blickte sich suchend um.
Oh, mehr Dankbarkeit bekam er nicht für seine Edelmütigkeit. Undankbar wie immer, diese Frauen. Auf ihre Feststellung hin kniff er jedoch nur die Augen ein wenig zusammen und lächelte verschmitzt. „Wir sind heute aber sehr scharfsinnig, was?“ Tatsächlich hätte er ohnehin nicht gewusst, was er ihr hätte antworten sollen. Sicher konnte er bereits jetzt planen, wie er sich vom Schiff winkend verabschiedete und sie sich alle nie wieder sehen würden. Aber was würde ihm das nützen? Es würde sicher eine Weile dauern, bis der Rumpf repariert war und sie den nächsten Hafen anlaufen würden. Bis dahin war er ohnehin auf dieses Schiff und diese Crew angewiesen. Farley schob den letzten Dreck zusammen und blickte sich nach mehr Arbeit um, doch auch die Schwarzhaarige schien für einen Moment unsicher, was sie tun sollte. Also lehnte er sich wieder leicht auf den Besenstiel und blickte sie eindringlich an. „Also ist es sie, der du vertraust und folgst.“ stellte er fest. Es war keine Frage.
Shanaya pustete sich bei den Worten des Mannes eine lockere Strähne aus der Stirn. „Mit diesem Scharfsinn wirst du dich wohl anfreunden müssen. Der wird dir öfter begegnen.“ Sie gab ihm noch einen Moment Zeit, wog den Kopf dann wissend zur Seite. „Aber deine kleine Feststellung ist da auch keine Antwort drauf.“ Ausweichen war bei ihr keine Option, selbst wenn die Antwort sie nicht unbedingt brennend interessierte. Aber das Prinzip! Ihr Gegenüber höre jedenfalls auf zu fegen, und sie erwiderte seinen Blick mit vollkommen ruhiger Miene. „So kann es auch sehen. Aber... wie schon gesagt habe ich keine Zweifel an seinen Fähigkeiten. Und sollte das doch nach hinten losgehen, steht mir die Welt offen.“