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Licht- und Schattenseiten
Crewmitglied der Sphinx
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#1
Licht- und Schattenseiten
19.03.1822
Sphinx
Licht- und Schattenseiten
Irgendwo zwischen Linara und Mîlui, auf dem Weg zu einer Insel, von der noch niemand ahnt.


Enrique, Talin & Lucien
19. März 1822 | Vormittag | an Bord der Sphinx

Es war das erste Mal seit seiner Rettung von der Morgenwind, dass er das Bett in der Kapitänskajüte tatsächlich verließ. Das war jetzt fast vier Tage her. Nach jener Nacht hatte er bis zum übernächsten Morgen geschlafen und auch danach nicht viel mehr getan, als zu essen, sich auszuruhen und in den wachen Stunden mit Talin zu reden. Über das, was nach seiner Abreise damals geschehen war, was sie in diesen drei Jahren erlebt hatte, was mit dem Schiff ihres Vaters geschehen war und wie er selbst in die Hände der Marine geriet. Seine Zeit dort, die Erlebnisse, die ihn inzwischen prägten, behielt er wohl wissend für sich. Mit ihrem Zorn hätte er umgehen können. Doch nicht mit der traurigen Hilflosigkeit, die einen bis ins Mark erfasste, weil man die Dinge nicht ungeschehen machen konnte. Und zweifelsohne würde sie sich genau das für ihn wünschen. Er würde es sich wünschen.
Unbewusst rieb sich Lucien über die inzwischen verschorften Wunden an seinem Handgelenk. Dort, wo vor kurzem noch Handschellen gewesen waren. Sie juckten und er sehnte sich danach, die Verbände zu erneuern, um das Verlangen zu kratzen wenigstens ein bisschen unter Kontrolle zu bringen. Also griff er nach dem Lappen, der in einem Eimer kaltem Wasser schwamm, wrang den Stoff aus und begann vorsichtig, sich die Arme und den nackten Oberkörper zu waschen.
Ein sauberes Hemd lag auf der Kommode neben ihm. Auch darum hatte Talin sich gekümmert. Keine Ahnung, wo sie die Kleidung für ihn aufgetrieben hatte. Oder die Schere und das Barbiermesser, mit dem er sich den Bart abrasiert und die Haare geschnitten hatte. Vielleicht von der ehemaligen Crew. Letzten Endes spielte es ohnehin keine Rolle, denn es war mehr, als er bis dato besessen hatte und er nahm den Glücksfall dankbar an.
Alles andere konnte er sich schon irgendwie besorgen, wenn sie das nächste Mal eine Insel anliefen. Denn noch befand sich die Sphinx auf dem Meer. Der Dunkelhaarige genoss das beständige Schwanken unter ihm, die tröstenden Geräusche eines Schiffes auf den Wellen. Und noch immer erschien ihm der Gedanke wieder frei zu sein vollkommen surreal, während seine Zeit im Gefängnis zugleich mehr und mehr zu einem düsteren Traum zu werden schien. Und er befand sich in einem schwammigen Zustand irgendwo dazwischen.

"Wir bringen die Sphinx also wieder auf Vordermann.", warf Lucien plötzlich in den Raum, als hätten er und Talin schon die ganze Zeit über dieses Thema gesprochen – und nicht die letzte halbe Stunde, seit sie zurück in die Kajüte gekommen war, in einvernehmlichem Schweigen verbracht. "Und dann? Was machen wir dann?"

Während sich der Dunkelhaarige mit dem Lappen über den Nacken fuhr, wandte er sich halb seiner Schwester zu. Sie saß am Schreibtisch, brütete über irgendwelchen Schriftstücken, um sich die Zeit zu vertreiben, bis der Leutnant kam. Lucien hatte sie darum gebeten, ihn zu holen, als sie frisches Wasser besorgen ging. Denn noch mehr als bei irgendjemandem sonst drängte es ihn zu einem Gespräch mit diesem Mann, der auf den ersten Blick nicht wirklich auf die Sphinx zu gehören schien. Ob dieser erste Eindruck stimmte, würde sich hoffentlich bald zeigen.
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Crewmitglied der Sphinx
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#2
        Enrique war auf dem Weg zur Kapitänskajüte während die Gedanken in seinem Kopf einander jagten:
        Es war also endlich soweit. Das Warten vor verschlossener Tür hatte ein Ende. Zumindest für ihn, schien doch ein guter Teil der Crew ebenfalls gespannt auf den neuen Capitán zu sein. Erstaunlich, wo sie für ihn ihr Leben riskiert hatten. Aber wenn sie ihn nicht kannten, dann war die Crew entweder lebensmüde, allesamt Draufgänger oder Talin bedingungslos loyal. Wahrscheinlich von allem etwas. Was für eine Mischung.
        Das brachte ihn mal wieder zu Talin. Wäre sie in ihrer Kajüte, würde er um eine Konfrontation mit ihr wohl kaum herum kommen können. Und sollte das aus dem Ruder laufen, dann verscherzte er es sich wahrscheinlich gleich mit Beiden. Sein süffisante grinsen wurde von einem Schnauben begleitet. Wie typisch. Wenn machte er keine halben Sachen. Na, wenigstens konnte er sich jetzt auf das Problem stürzen, dass ihm die ganze Zeit auf die Nerven ging, wie eine juckende Stelle, wenn man sich nicht kratzen kann. Insgeheim hoffte er allerdings immer noch darauf, dass sie sich irgendwo anders auf dem Schiff beschäftigen würde. Einfach weil ihr Bruder sich das ausgebeten haben mochte.
        Gut, gestand er sich ein, zunächst war er erleichtert gewesen, dass sich auch die Draveans zurückzogen. Immerhin hatte er genug persönliches zu erledigen gehabt. Doch bereits während dessen war die Frage, auf wen oder was er sich hiermit eingelassen hatte immer mehr in den Vordergrund gerückt. Je eher er das klärte, um so schneller würde er wieder ruhig schlafen und nach vorne sehen können.
        Dieses Treffen brannte ihm also seit Tagen unter den Nägel.
        Warum nur hatte er dann Talin abweisend erwidert, er käme, sowie er mit seinen Arbeiten fertig wäre und Gregory erbarmungslos niedergestarrt, damit der auch ja nicht äußerte, dass er den Rest alleine erledigen könnte? Das Blickduell hatte er schnell gewonnen, er wusste allerdings auch, dass der Schiffsarzt nur nachgegeben hatte, weil es ihn egal war. Um so überraschter war der dann, als der ehemalige Leutnant sich, nach Talins Verschwinden,  tatsächlich bei ihm entschuldigte. Zum Glück hatte Gregory wohl gespürt, dass Enrique seine Ruhe wollte und nicht weiter nachgehackt, sondern stumm geknickt.
         Da musste der ehemalige Leutnant Shanaya dann doch ein wenig recht geben:
        Gerade in diesem Punkt benahm er sich momentan wirklich wie ein paranoider Irrer.
         Und das war auch etwas, was ihn aus der Bahn warf:
        Wieso bei allen siebzehn perros rojos schaffte er es in Talins Gegenwart nicht ruhig zu bleiben, was ihm bei den meisten anderen gelang? Shanaya wollte provozieren und er war zu angespannt. Bei ihr war es ihm klar. Aber bei Talin Dravean? Lag es an ihrem Verhalten an Bord der Morgenwind?
        Seine Finger zupften abwesend an den Manschetten des Hemdes. Auch das war so ein Problem gewesen. Sollte er in Uniform gehen? Zum vollen Ornat fehlte ihm der Zweispitz und geflickt war die Uniform auch nicht. Also würde er ein tadelloses Äußeres nicht hinbekommen. Aber wollte er das überhaupt? Eine Alternative zur Uniform blieb ihm nicht. Alles was er tun konnte, wäre die Abzeichen entfernen oder auf den Rock zu verzichten, er würde ihn für ein paar Meter über Deck nicht zwingend brauchen. Am Ende war er dann doch bei voller Uniform gelandet. Alles saß so tadellos, wie es nach dem Kampf und dem Bad nur ging. Gewohnheit? Vermutlich. Größtenteils aber weil er nichts anderes hatte und ihm das einfache herunterreißen der Epaulets gegen den Strich ging.
        Und da er sich jetzt Gedanken darüber machte war ihm der Hohn dieses Auftretens voll bewusst. Zusätzlich zu der Tatsache, dass es hier bestimmt viele gab, die ihn und diese Uniform am liebsten auf den Grund des Ozeans schicken wollten. Vielleicht war er doch zurecht ein bisschen paranoid?
        Die letzten Meter über das Deck waren die schwersten. Anders als auf der Morgenwind fehlte ihm der Hass als antrieb und er musste ihn durch Willenskraft ersetzen. ¡Verdugo con eso! Es gab nichts in dieser Kajüte, dass er fürchten müsste. Grimmig beschleunigte er seine Schritte ein wenig, nur um kurz darauf vor der Tür zu stoppen und zu klopfen. Sollte er einfach eintreten? Immerhin erwarteten sie ihn. Also gab er ihnen den Anstandsmoment um mit "Ja?" oder "Herein!" zu antworten und trat ein.

       "Du wolltest mich sprechen Dravean", meinte er, während er die Tür von innen schloss und den dämmerigen Raum mit dem Blick maß.
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Crewmitglied der Sphinx
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#3
Wirst du glücklich sein? Sie starrte diese Worte immer und immer wieder an, während Lucien mitten im Raum vor einem Eimer mit sauberem Wasser stand. Wirst du glücklich sein? Ja, hätte die Antwort noch bis vor ein paar Tagen gelautet. Keine Ahnung war es jetzt, was sie würde antworten müssen. Oh, sie war glücklich, dass sie ihren Bruder befreien konnten, sie platzte fast vor Glück, dass er immer noch am Leben und nun in Sicherheit war. Doch war es nicht mehr das Gleiche, nicht so, wie sie dachte, dass es sein würde. Wobei das auch ziemlich blauäugig von ihr gewesen war. Wie konnte es wie früher sein, nachdem sie beide Dinge erlebt hatten, über die sie nicht sprechen konnten...oder wollten.
Ihre Hand glitt unbewusst unter dem schweren Tisch zu ihrem Bauch, als sie Wasser plätschern hörte. Langsam hob sie den Kopf von dem Brief und sah ihren Bruder an, wie er halbnackt dort stand und sich frisch machte, das erste Mal alleine, seit dem Tag, an dem sie zurück auf die Sphinx gekommen waren. Wirst du glücklich sein? Tja, weiterhin würde die Antwort wohl ja und gleichzeitig keine Ahnung lauten, aber sie hatte auch nicht mehr den Nerv darüber nachzudenken.
Ein wenig angewidert, schob sie den Brief und den leeren Zettel, auf dem sie ihre Antwort schreiben wollte, von sich und ihr Blick glitt von Lucien zu dem Eimer, vor dem er stand. Und schon dachte sie an den Mann, den sie vorhin beim Wasser hohlen in die Kajüte eingeladen hatte. Sie wusste nicht so ganz, was sie von dem Marinesoldaten halte sollte. Er mochte sie nicht, was sie verstehen konnte, nachdem sie sein Schiff in die Luft gejagt hatte, aber außer diese Ablehnung spürte sie keinen Hass auf sich, oder er wusste diese Gefühle sehr gut zu verbergen. Vielleicht würde dieses Gespräch sie endlich einmal erleuchten, denn Unwissenheit war ein Gefühl, womit sie nicht gut klar kam.
Luciens plötzliche Worte schreckten Talin ein klein wenig auf und sie hob den Blick, den sie unbewusst wieder auf den Brief gelegt hatte, zu ihrem Bruder. Seine Frage brachte sie etwas aus dem Konzept, denn – ganz ehrlich? - weiter als bis zu seiner Rettung hatte sie nie gedacht. Obwohl in ihrem Kopf ziemliche Leere herrschte, blieb sie für ein paar Sekunden still, als würde sie überlegen.

„Ehrlich gesagt...ich hab keine Ahnung. Weiter als bis zu deiner Rettung habe ich nie gedacht.“ Die Blonde stand auf, um dem Gefühl der plötzlichen inneren Unruhe Platz zu machen. Sie ging einmal um den Tisch herum und setzte sich schließlich halb auf eine von dessen Kanten. „Wir können alles machen, was wir wollen. Alle sieben Welten stehen uns offen. Wir können Schiffe plündern, Kehlen aufschneiden oder Drachen jagen.“

Bei dem letzten Wort schmunzelte sie leicht und hoffte damit auch Lucien ein Lächeln zu entringen. Denn nichts hatte sie so sehr in den letzten Jahren vermisst, wie das verschmitzte Lächeln ihres Bruders. Und seit seinem Abschied vor drei Jahren bis jetzt, hatte sie es auch noch nicht wieder gesehen.
Letztlich riss sie ein Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken. Sie sah dorthin, blieb still, weil Lucien den Gast hineinbat, und die Tür ging auf. Herein trat Enrique, was sie natürlich nicht verwunderte. Seine Klamotten hingegen, ließen ihre Augenbrauen verwundert nach oben wandern und ihre Hand heben, damit er ihr etwas abfälliges Grinsen nicht sehen konnte. Als würde er zum Erschießungskommando gehen.
Vermutlich hatte der Soldat keine andere Kleidung als seine Uniform, aber dennoch zeigte man sich Piratenkapitänen nicht in seiner Marinemontur. Oder dem was davon übrig war. Aber sie sagte nichts dazu, räusperte sich nur kurz und nickte dem Mann grüßend zu, nachdem sie ihre Hand herunter genommen hatte. Was ihr Bruder genau mit Enrique besprechen wollte, interessierte sie auch sehr, deshalb würde sie ihre eigene Frage an den Lieutnant zurück halten und erst einmal nur zu hören.
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#4
Ein Tropfen kalten Wassers rann ihm über den vernarbten Rücken, dicht gefolgt von einem kräftigen Schauer.
Talin hatte aufgesehen, als er sie aus ihren Gedanken riss, antwortete aber nicht sofort. Der Dunkelhaarige beobachtete sie nur kurz dabei, wie sie über seine Frage nachdachte, ehe er das Schweigen nutzte, um den Lappen noch einmal im Eimer auszuwaschen. Sein Blick lag dabei auf dem, was er tat, doch als seine Schwester schließlich das Wort ergriff, täuschte auch seine augenscheinliche Geschäftigkeit kaum darüber hinweg, dass sie seine Aufmerksamkeit sofort zurück erhielt.
Allerdings vermied er es dabei, sie anzusehen... um das flüchtig amüsiertes Lächeln zu verbergen, das daraufhin auf seinen Lippen erschien. Drachen jagen. Bei allen Welten, es war so lange her. Ein ganzes Leben beinahe. Die verdammten Drachen finden und damit in die Geschichte der Sieben Welten eingehen... das war immer sein Wunsch gewesen, als sie Kinder gewesen waren. Und es war so leicht gewesen, sie damit anzustecken. Er hatte ganze Welten für sie erschaffen: Drachen, Meerjungfrauen, Mahlströme, Seeungeheuer. Und ein Schiff mit roten Segeln, um damit von einem Abenteuer zum nächsten zu segeln. Ein Schiff wie die Sphinx...
Nun besaßen sie dieses Schiff. Nur seine Kindheitswünsche gab es nicht mehr. Etwas hatte sich verändert. Lucien hielt inne, hob den Blick und richtete ihn auf Talin – das Lächeln wieder verschwunden. Die Drachen interessierten ihn nicht mehr. Eigentlich interessierte ihn überhaupt nichts mehr, außer eines: Egal, was sie tun wollte, egal, wohin es sie verschlug. Er würde dorthin gehen, wohin sie ging.

Eben diese Antwort lag ihm auf der Zunge, als es an der Tür klopfte und seine Konzentration abriss, sodass er unwillkürlich zum Eingang der Kajüte sah.
Der Leutnant...
Lucien stieß leise die Luft aus und schluckte die Worte hinunter. Gut, das konnte er ihr auch nachher noch sagen. Immerhin wusste er jetzt, dass sie im Grunde beide keine großen Ziele hatten, die es anzusteuern galt und konnte sich, wenn auch plötzlich mit einem Hauch Widerwillen, dem Gespräch widmen, das nun folgen würde. Erwartungen hatte er keine. Er ließ es auf sich zu kommen, wie er es immer tat.

"Komm rein!"

Noch während er die Stimme erhob, um den ehemaligen Leutnant hinein zu bitten, ließ Lucien den Lappen in den Eimer gleiten und griff nach der Kleidung auf der Kommode. Einen Moment später hörte er hinter sich die Tür der Kajüte deutlich knarrend nach innen aufschwingen und den anderen Mann eintreten.
Ohne wirkliche Eile zog Lucien sich das helle Leinenhemd über den Kopf, hob die Hände, um das Band zu schließen, das einen kleinen Ausschnitt am Hals zusammen hielt, und wandte sich dabei dem Neuankömmling zu. Mit einem kurzen Blick registrierte er die – mehr oder weniger – tadellose Marinemontur und die angespannte Haltung, reagierte allerdings kaum sichtbar darauf. Er nahm das Auftreten des Leutnants zur Kenntnis, zog es jedoch vor, keine Schlüsse zu ziehen. Noch nicht. Stattdessen lächelte er und neigte grüßend den Kopf.

"Du kannst dich entspannen, Leutnant. Niemand in dieser Kajüte ist dein Feind." Die Bestimmtheit in seiner Stimme ließ daran keinen Zweifel.
"Aber es ist schon witzig, wie schnell sich das Blatt wenden kann, oder? Noch vor ein paar Tagen saßen wir uns in deiner Kajüte gegenüber. Mit dem winzigen Unterschied, dass du jetzt mehr Wahlmöglichkeiten hast, als ich neulich."

Den kurzen, zynischen Seitenhieb konnte sich der 21-Jährige nicht verkneifen. Dennoch blieb seine Stimme freundlich und die grünen Augen maßen den Älteren aufmerksam.
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#5
Seine Augen striffen über Lucien, der sich anzog, den Eimer, die Möbel, bis hin zu Talin und dem Tisch mit den Papieren darauf, an dem sie lehnte und blieben an ihr hängen. Zorn regte sich. Er hatte mit Lucien reden wollen, nicht mit ihr. Mühsam sperrte er das Gefühl und diesen Gedanken in seinen Hinterkopf und hielt die neutrale Maske auf seinem Gesicht aufrecht. Sie war also anwesend. Und sie reagierte auf seine Aufmachung. Etwas anderes konnte es kaum sein, dass sie die Augenbrauen heben und ihren Mund hinter der Hand verstecken ließ. Wenigstens ihren Tag hatte er auf diese Weise also etwas surrealer gestalten können. Aber ob sie auch seine Gründe verstand? Sollte er es ihnen erklären? No. Noch nicht. Erst musste er anderes in Erfahrung bringen.

Ihr grüßendes Nicken erwiderte er knapp, sah sie noch einen Moment lang an, doch sie schwieg. Dabei stellte er überrascht fest, dass ihre Anwesenheit ihm dann doch einen Teil seiner Unruhe nahm. Klar, sie störte ihn immer noch, dagegen etwas unternehmen konnte er aber nicht. Zumindest nicht, ohne dieses Gespräch von vornherein zu einer Katastrophe zu machen.
Vielleicht lag seine Ruhe aber auch daran, dass er jetzt hier war und es eh kein zurück mehr gab. Wenn es schief ginge, ginge es eben schief. Diese Art Fatalismus hatte ihn schon häufiger Dinge einfach hinnehmen lassen, über die er sich sonst maßlos aufgeregt hätte.
Außerdem wusste er jetzt woran er war.

Also wandte er sich dem Schmuggler zu, der ihm ebenfalls grüßend zunickte und dann anfing zu reden. Interessanter Weise entlockte ihm die Uniform kaum eine Reaktion. Verbarg er sie nur oder war ihm Enriques Aufmachung tatsächlich egal?
Trotz der Aufforderung sich zu entspannen legte der Offizier die Hände hinter seinem Rücken ineinander und nahm eine aufrechte, militärische Haltung an. Noch war Harper zu präsent, als das er die antrainierten Reflexe von vornherein unterdrücken oder gar abgelegt hätte haben können. Und der hätte jede andere Haltung trotz so einer Aufforderung als inakzeptabel angesehen.
Und so betrachtet entspannte es Enrique tatsächlich, war ihm diese Reaktion doch vertraut und hatte sie ihn bis jetzt vor weiteren Unannehmlichkeiten einigermaßen geschützt.
Über die Worte "Niemand in dieser Kajüte ist dein Feind" mußte er wider erwarten schmunzeln. Hatte er Luc und Talin als Feinde gesehen? Sah er sie so? Er wusste nicht, was er von ihnen halten sollte. Luc? Nein. Talin — war ein anderes Problem. Und es gab mindestens einen Feind in seinem Leben, mit dem diese Beiden es bis jetzt definitiv nicht aufnehmen konnten.
Die eindeutige Anspielung ließ ihn dann mit breitem Grinsen den Kopf schütteln.

"Wenn du mich weiter Leutnant nennst, dann wird es sich für mich nicht so anfühlen Dravean. Auch wenn das nichts mit dir zu tun hat. Probier es mit de Guzmán oder Enrique."

Er seufzte, ehe er den Blick hob und Lucien direkt ansah.

"Und um deine Frage zu beantworten: Die Ironie ist mir nicht entgangen. Aber streng genommen habe ich die gleiche Wahl wie du: Mich einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit zu entziehen oder das zu tun, was mir Vorteile bringt."

Der Schwarzhaarige verspürte den drang, auf und ab zu wandern, hätte ihm das doch beim Nachdenken geholfen. Stattdessen begnügte er sich damit, die Arme vor der Brust zu verschränken und kurz zur Blonden hinüber zu spähen. Etwas dunkles regte sich in seiner Brust und drohte ihn aus der Ruhe zu bringen. So wie sie da lehnte, mit ihrer spitzbübischen Art, ihrer unverholenen Neugier, wollte er am liebsten — ja was eigentlich? Ruckartig drehte er den Kopf zurück. Dafür war jetzt keine Zeit. Er musste sich konzentrieren. Das Lächeln war von der neutralen Maske verschwunden. Dennoch bemühte er sich um einen ruhigen Tonfall.

"Welche Möglichkeiten diese Zusammenarbeit beinhaltet, wie weit sie geht und welche Vorteile das sind, das ist hier die Frage. Was also bietest du mir? Oder müsste ich eher ihr sagen?"

Erneut musterte er Talin, dieses Mal deutlich und auffordernd. Er spürte den Drang, sie mit Fragen zu löchern, sie zu nötigen sich ihm zu enthüllen, ihr seine Wut entgegenzuschleudern, sie zu packen und aus der Kajüte zu entfernen und noch einiges mehr, verschloss das alles aber tief in sich, wo es niemand mitbekam und es sich mit anderen, dunkleren Gefühlen vermischte. Ruhe. Er musste Ruhe bewahren. Es würde ihn viel Mühe kosten aber nach all den Jahren konnte er das. Und er konnte warten. Auch wenn ihm eine innere Stimme die Frage vorhielt, warum er den Schmuggler gerade so kleinkariert verbessert habe, wo er doch wisse, dass ihm das höchstens Minuspunkte einbrächte? ¡Maldita! Verwünschte er sich innerlich. Soviel zum Thema: 'erst Denken, dann reden'...
Auch das schob er bei Seite um sich wieder gänzlich auf das Gespräch zu konzentrieren. Wer würde antworten? Und wie?
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Crewmitglied der Sphinx
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#6
Das Lächeln auf Luciens Lippen vertiefte sich. Denn statt auf seine Einladung hin eine lockerere Haltung anzunehmen, tat der Leutnant das genaue Gegenteil. Er straffte sich. Ein anderer wäre jetzt vielleicht zu dem Schluss gekommen, dass dieses Verhalten der Provokation dienen sollte. Dass sich der ehemalige Soldat als eine Art Gefangener betrachtete. Ein Isolierter zwischen einer ganzen Mannschaft von Piraten, die stets erklärte Feinde seiner ehemaligen Arbeitgeber waren. Und dass sowohl Uniform als auch Haltung dazu dienten, eine deutliche Grenze zu ziehen. Abstand zu wahren. Eine Seite zu wählen. Doch der 21-Jährige war sich da längst nicht mehr so sicher. Unter normalen Umständen – klar. Dann hätte er sein Urteil schnell gefällt und es wäre nicht besonders positiv ausgefallen. Dieses Mal aber war es anders. Er hatte gesehen, was der Leutnant auf der Morgenwind getan hatte und hatte bezüglich der "Seiten" inzwischen seine Zweifel.

"Dann bevorzuge ich 'Enrique'."

Die Antwort kam unverblümt und ohne Zögern. Alles andere ließ er zunächst unkommentiert, während der Blick des ehemaligen Leutnants für einen kurzen Moment zu Talin huschte. Lucien beobachtete ihn dabei, sah aber selbst nicht zu seiner Schwester hinüber, sondern wartete, bis Enrique erneut das Wort ergriff und in bemüht ruhigem Ton zum Kernpunkt ihres Treffens kam.
Daraufhin kehrte sein Blick zu Talin zurück, blieb dieses Mal auf ihr liegen. Doch es war ihr Bruder, der als erstes auf den auffordernden Blick des ehemaligen Offiziers reagierte.

"Streng genommen hast du Recht. Auch wenn ich damals nichts von meinen Wahlmöglichkeiten wusste. Das war mehr... auf gut Glück." Ein kleines Lächeln schwang in seiner Stimme mit. So viel zu seinen Gründen dafür, eine Zusammenarbeit mit Enrique einzugehen. Der Ältere kam ihm jedoch nie so vor, als würde er 'auf gut Glück' entscheiden. Er traf seine Wahl deutlich überlegter, geradezu taktisch. "Ich weiß nicht, wie die Marine das jetzt handhabt, aber ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht einfacher wird, sollte jemand von deinen Leuten auf der Morgenwind gesehen haben, dass du uns geholfen hast – und überlebt haben, um die Geschichte zu erzählen."

Während er sprach, setzte sich Lucien wieder in Bewegung, trat an Talins Seite, die bereits halb auf der Kante des Schreibtisches saß und lehnte sich neben ihr mit der Hüfte gegen das glatte Holz. Kurz hob er den Blick, traf dabei auf den ihren und verschränkte beiläufig die Arme vor der Brust. Sie hatte keine Einwände erhoben, als er ihr den Vorschlag unterbreitete, den er nun auch dem ehemaligen Marineoffizier unterbreiten würde.
Die grünen Augen richteten sich wieder auf Enrique und das geradezu freundschaftliche Schmunzeln kehrte auf seine Lippen zurück.

"Was Talin und ich dir anbieten, ist, dich uns ganz einfach anzuschließen. Wir sind nicht die Marine. Uns beiden ist gleich, was du vorher warst. Was zählt sind deine Fähigkeiten – und wir können jemanden wie dich hier gut gebrauchen.
Wenn nicht, setzen wir dich im nächsten Hafen ab und du kannst dein Glück auf andere Art und Weise versuchen. Du und ich, wir beide schulden einander nichts mehr. Du hast also die freie Wahl... Für deinen Sergeant gilt übrigens das gleiche Angebot.
"
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#7
Als die Augen des Leutnants an ihr hängen blieben, versteifte sie sich etwas, hielt seinem Blick aber stand. Sie wusste nicht recht, was sie von diesem Mann halten sollte. Natürlich verstand sie seinen Schmerz – oder Trauer oder Wut – aber sie konnte nicht anders, als ihm gegenüber skeptisch zu bleiben, auch wenn sie Luciens Urteil vertraute. Wenn ihr Bruder meinte, er müsse dem Soldaten so etwas anbieten, dann würde sie sich nicht dagegen wehren, egal was der Dunkelhaarige von ihr hielt oder sie von ihm. Deshalb blieb sie ja auch. Weil sie das lieber mit ihm klären sollte, nahm sie an diesem Gespräch teil, obwohl sie vorerst noch schwieg.
Ihr Blick glitt zwischen den beiden Männern hin und her und sie zog leicht die Augenbraue hoch bei diesem...fast freundschaftlichen Gespräch. Da fühlte sich die Blonde beinahe wie ein Störfaktor, denn sie war nicht Teil dieses Gespräches. Die Tatsache, dass der Leut...Enrique sie auch immer wieder ansah und das Gefühl dadurch nur noch verstärkte, machte es nicht viel besser. Sie war ein Eindringling, der der Unterhaltung nur schweigend folgen konnte. Trotz allem, oder vielleicht gerade deshalb, musste sie lächeln. Es amüsierte und faszinierte sie, Einblicke in das Verhältnis der beiden zu erhalten, damit sie sich ein Bild des Mannes in Uniform machen konnte.
Dennoch blieben Talins Augen schlussendlich an Lucien hängen, als er sich in Bewegung setzte und sich neben ihr an den Schreibtisch lehnte. Kurz trafen sich ihre Blicke und sie schmunzelte leicht, bevor sie mit den Schultern zuckte. Sie wusste, was er als nächstes sagen würde und widersprach ihm nicht. Genauso wenig ging sie kleinkariert auf Enriques Spitze ein. Ja, hier trafen sie beide – Lucien und Talin – die Entscheidungen. Das war eine Tatsache. Wobei es gut war, dass ihr Bruder das Reden übernahm, denn wenn sie dem Marinesoldaten das Angebot gemacht hätte, dann würde er es sicher schlechter aufnehmen. Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, Luciens Worte noch zu ergänzen. Sie verschränkte ebenfalls locker die Arme vor der Brust und legte den Kopf leicht schief.

„Ich gehe davon aus, dass – solltet ihr vom Schiff wollen – ihr vorsichtig sein müsst. Egal wie man es dreht und wendet, ihr seid fahnenflüchtig und damit gesuchte Verbrecher. In eurer jetzigen Aufmachung würdet ihr auffallen wie bunte Hunde.“ Sie streckte das Kinn vor und sah Enrique an, als wollte sie ihn zwingen, ihr zu widersprechen. „Wir können euch natürlich Kleidung besorgen und ich kann euch ein paar Leute nennen, die euch die erste Zeit auch helfen würden, wenn du das willst.“ Kurz drehte sie noch einmal den Kopf, sah Lucien mit leicht fragend hochgezogener Augenbraue an, bevor sie dann wieder zu Enrique sah. „Wenn du allerdings bleiben möchtest, musst du damit leben, uns beide als Captain zu haben. Oder wäre das ein Problem für dich?“ fragte sie mit einem süßen, falschen Lächeln auf den Lippen.
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#8
Doch für einen Augenblick entglitt dem Schwarzhaarigen die Konzentration und er hatte das Gefühl, dass nicht er, sondern das Licht, das durch die Fenster fiel, schwankte. Überhaupt spielten ihm derzeit seine Sinne einen streich, schienen ihm doch einen Moment lang als wären nur die beleuchteten Bereiche existent.
Er nickte knapp. Dann also Enrique.
Langsam kehrten die Schattenbereiche zurück und auch die ganzen überflüssigen Details, wie zum Beispiel das knarzen des Gebälk oder die entfernten Schritte auf dem Hauptdeck.
Bei "Auf gut Glück" senkte er mit leichtem Schnauben ein wenig den Kopf. Irgendwie war das schon amüsant.

"Falls es jemand mitbekommen und überlebt hat hast du wahrscheinlich recht", antwortete er halb spöttisch ehe er es verhindern konnte. Der zweite Satz kippte dann ungewollt leicht Richtung Wut und klang dementsprechend ernst: "Aber da würde ich an deiner Stelle nicht drauf wetten. Weder auf das Eine noch das Andere."

Dann fing er sich und wahrte erstmal Schweigen. Auf Lucs Angebot reagierte er zunächst kaum, sprach doch Talin direkt danach. Lediglich ein kurzes Augenschließen und Lufftholen drang durch die neutrale Maske und zeigte, was er von dieser Bestätigung hielt.
Dann ergriff die Blonde das Wort und sofort wich, was an Entspannung eingetreten war wieder dem Aufruhr, den sie standardmäßig in ihm hervorzurufen schien und der Raum und alles in ihm gewann überdeutliche Schärfe. Trotzdem wartete er ab und gemahnte sich zur Ruhe. Doch ihre provokante Art vorderte ihn heraus und er stellte sich ihr, zunächst nur mit trotzigem Blick und hochgezogenem Mundwinkel. Sollte sie sagen, was sie zu sagen hatte!
Bis zu der Frage, ob das ein Problem für ihn wäre hielt er durch.

"Keines, dass sich nicht beseitigen ließe", schoss die Retourkutsche aus ihm heraus, mit ebenso falschem Lächeln. Auf genau so etwas schien er äußerlich nur gewartet zu haben. Innerlich verfluchte er allerdings seine Impulsivität, ließ sich aber nichts davon anmerken. Er hatte sich damit auf dieses Spiel eingelassen und würde es auch zu Ende spielen.

"Und welch großzügiges Angebot!"

Er löste die Arme, verbeugte sich in übertrieben höfischer Manier, ohne Talin aus den Augen zu lassen und verfiel wie selbstverständlich für einen Moment in den Pluralis Majestatis.

"Eine paar Kleidungsstücke sind definitiv ausreichend um aus uns buntem Hund eine ganz andere Person zu machen. Da sind wir uns sicher.
"Aber noch sind wir uns nicht sicher, dass wir das auch wollen."


Dann ließ er das Gehabe fallen, hielt einfach nur ihrem Blick, mit erneut vor der Brust verschränkten Armen, weiter stand und blieb bei dem spöttisch-provokantem Tonfall.

"Bis jetzt sind Kaladar und ich einfache Schiffbrüchige, die auf dem falschen Schiff gelandet sind, falls man uns nicht für tot hält; oder wir sind entführt worden, denn wer sollte mir widersprechen, dass du mir ein Messer an die Kehle gehalten hast?", fragte er mit finsterem Grinsen. "Und was die Überlebenden betrifft, so wäre da nur O'Reilly, der was dazu sagen könnte, doch der ging zu früh, um das Ende mitzubekommen.
"Auch eure Verlegung in meine Kajüte läßt sich leicht erklären. Immerhin wird es für die, die überhaupt darauf geachtet haben so ausgesehen haben, als hätte ich euch unter strenger Bewachung dorthin bringen lassen und da Harper mir die Verantwortung für die Gefangenen Übertragung hatte..."


Er zuckte mit den Schultern.

"Für alles Andere hätte man uns länger beobachten müssen. Aber wer würde in so einem Chaos schon auf Kleinigkeiten achten?
"Falls man uns also für etwas anderes hält liegt es sicherlich nicht daran, dass ich euch geholfen habe."


Nein, das lag mal wieder daran, dass er sich einen Moment lang nicht hatte beherrschen können. Denn bis zum Ende der Hilfsaktion hatte er alles unter Kontrolle gehabt, sogar Talins Verhalten hatte er noch in seine Pläne mit einbeziehen können. Auch Samuels Aktion danach ließe sich wegdiskutieren und was Kaladars betraf würde es recht leicht sein, sich davon loszusagen, falls er das wollte. Auch dass sie jetzt hier waren, ließe sich mit den eben genannten Gründen erklären.
Blieb diese kleine Unbeherrschtheit. Falls die richtigen Leute nicht überlebt hätten, dann könnte er sich sogar aus ihr rauswinden und sich weiterhin als loyaler Offizier hinstellen. Lediglich die Nummer Eins und der Hauptmann mussten das Zeitliche gesegnet haben und er könnte einem leichteren Leben in der Marine entgegen sehen. Zumindest, wenn man ihn erst reden ließe und Harper in Linara keine Berichte von Bord geschickt hätte. Aber warum sollte er? Die hätten nach Esmacil gesollt und Harper glaubte sich sicher.
Nur: Wollte Enrique das überhaupt? Wieder zurück? Wenn müsste er ohne Kaladar gehen, sich damit vom letzten trennen, was ihm noch persönlich wichtig geblieben war und das widerstrebte ihm. Er wollte also nicht, könnte es aber, das war das, worauf es ihm ankam.
Falls die beiden überlebt haben sollten, ja, dann wären er und Kaladar ab dem Moment gesuchte Verbrecher, wo das Wort der Marine die jeweiligen Herzogtümer erreichte und es diese kümmerte, aber das änderte auch nur die Punkte ob er zurück zur Marine konnte und ab wann einige seiner Pläne nicht mehr funktionierten, nicht den Rest.
Diese Überlegungen aber würde er den Beiden definitiv nicht auf die Nase binden und damit seine Position schwächen. Für sie standen ihm, laut seinen Worte, alle Tore zurück zur Marine offen.
Blieb die Alternative. Sachlich und ernst fragte er also:

"Was genau bietet ihr mir? Ich bin nicht leicht zufrieden zu stellen und brauche Herausforderungen. Mit dem Posten eines einfachen Seemanns werde ich nicht zufrieden sein."

Er sah kurz Lucien an.

"Auch würde mich interessieren warum du glaubst, das mich dieses Angebot überhaupt interessiert?"

Dann, wieder mit Blick auf Talin, da sie nebeneinander lehnten war es leicht Lucien im Augenwinkel zu behalten, fügte er noch eine weitere Sache an. Sein Gesichtsausdruck was dabei weiterhin völlig neutral, während sich in seinen unbeteiligt klingendem Tonfall etwas  lauerndes schlich.

"Und das bringt mich zu einem anderen Punkt:
"Sollte mich dieses Angebot tatsächlich interessieren, ich hier für irgendwas die Verantwortung übernehmen und deswegen eine Anweisung erteilen, die ihr möglicherweise nicht versteht oder die euch nicht passt, was würdet ihr tun?"
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#9
Aus den Augenwinkeln warf der Dunkelhaarige seiner jüngeren Schwester einen Blick zu, kaum dass sie das Wort ergriff und seine Ausführungen ergänzte. Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig. Denn ihr Ton, ihre provozierende Art, die Arroganz, mit der sie das Kinn hob und die ganze Welt herausforderte, sich gegen sie zu stellen: Es erinnerte ihn so sehr an das siebenjährige Mädchen, das sich der ganzen Bande um Juan in den Weg stellte, weil sie es gewagt hatten, sie zu hänseln, zu schubsen, zu verletzen. Garstiges kleines Weib, dachte er im Stillen amüsiert und wurde sich einmal mehr bewusst, wie sehr er Talin die letzten Jahre vermisst hatte.
Um sein Schmunzeln zu verbergen, wandte Lucien kurz das Gesicht ab, bis er seine Züge wieder unter Kontrolle hatte und seine Aufmerksamkeit mit dem gebührenden Ernst zu dem Gespräch zurück kehrte. Und damit zu dem Mann ihnen gegenüber. Noch während seine Schwester sprach, änderte sich Enriques Haltung wieder. Trotz mischte sich in seinen Blick, der Lucien nicht entging. Und ganz intuitiv, weil jahrelang das gleiche Spiel, stellte er sich darauf ein.
Als der ehemalige Soldat zurück schoss, deutete nur ein minimales Heben des Kopfes darauf hin, dass der junge Captain sich innerlich spannte. Das geradezu freundschaftliche Lächeln lag nach wie vor auf seinen Lippen, doch in die grünen Augen trat etwas durchdringend Lauerndes. Er mischte sich nicht ein, warnte seinen Gegenüber auch nicht. Talin konnte sich sehr gut selbst verteidigen und sie hatte diese Reaktion provoziert. Es war also nicht seine Sache. Aber er wurde wachsamer. Mit jedem Wort, das den Mund des Leutnants verließ, veränderte sich Luciens innere Einstellung ihm gegenüber ein Stück weit. Er schwieg beharrlich, ließ die Arme vor der Brust verschränkt, während Enrique antwortete, und wartete. Wartete darauf, dass dieser mit seinen Ausführungen endete, während er selbst mit kalter Gelassenheit im Stillen eine Linie zog. Er mochte den Leutnant aus irgendeinem Grund ganz gern. Aber in der Postion, Forderungen zu stellen, war er deshalb noch lange nicht. Letzten Endes stieß Lucien bedächtig den angehaltenen Atem aus und schloss dabei kurz die Augen, ehe er sich mit kühlem Lächeln wieder an den Mann in Uniform wandte. Gelassen, fast freundschaftlich, aber nüchtern.

"Du überschätzt deinen Wert für uns, Enrique." Die grünen Augen fixierten den Älteren, ohne dass das Lächeln auf den Lippen des jungen Mannes verschwand. "Ich sagte, wir können 'jemanden wie dich' hier gut gebrauchen. Nicht, dass wir dich brauchen. Wir bitten dich nicht, hier zu bleiben. Wir bieten es dir an. Aus gutem Willen. Wenn du glaubst, in der Marine nach wie vor gute Chancen zu haben – wie du ja gerade ausgeführt hast – dann bitte. Niemand wird dich aufhalten. Auf der Sphinx stehst du unter meinem Schutz, bis wir den nächsten Hafen erreichen und ich stehe zu meinem Wort. Danach kannst du machen, was du willst.. Aber vertraue nicht darauf, dass ich nicht schieße, solltest du mir jemals wieder in Uniform gegenüber stehen."

Er hielt kurz inne, um die Züge Enriques zu mustern. Allerdings nicht lange genug, dass man ihn hätte unterbrechen können. Er fuhr nahtlos fort, hatte nur klargestellt, dass er absolut keine Notwendigkeit sah, irgendjemanden zu überreden. Das hätte ihm in diesem Moment nicht gleichgültiger sein können.

"Entscheidest du dich zu bleiben, kannst du dich meinetwegen um jeden Rang bewerben, für den du dich geeignet hältst. So einfach ist das. Aber wir sind nicht die Marine, es gibt hier keine Hirarchie, keine Offiziere. Du machst deinen Job, wir machen unseren. Brauchst du jemanden, der dir hilft, wirst du Hilfe bekommen. Eine Hand wäscht die andere, aber jeder hier hat seinen eigenen freien Willen. Du wirst über keinen von ihnen bestimmen können." An dieser Stelle neigte Lucien leicht den Kopf und ein amüsiertes Schmunzeln zuckte um seine Mundwinkel. "Genauso, wie niemand über dich bestimmen wird. Und genau das bieten wir dir. Nicht mehr... und nicht weniger."

Die Art und Weise, wie er endete, machte deutlich, dass er nicht mehr dazu sagen würde. Es gab keine Verhandlungen, keine Angebote, und ganz gewiss kein Überreden. Eine einfache, freie Wahl – bei der sich zeigen würde, ob er sich in dem ehemaligen Leutnant getäuscht hatte, oder nicht.
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Crewmitglied der Sphinx
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#10
Das falsche Lächeln klebte wie alter Kautabak auf einem Tisch in ihrem Gesicht. Es würde nicht von dort verschwinden, bis sie die Reaktion hervor gelockt hatte, die sie haben wollte. Nur für einen kurzen, winzigen Augenblick, musste sie jedoch wirklich Grinsen, sowohl über ihre Worte, als auch über ihr Verhalten. In dem Moment war es so, als wüsste sie kurz, was Lucien dachte, als er ihr einen Blick zu warf. Aber vielleicht war ihr auch nur so, weil sie selbst an ihre Kindheit dachte.
Und dann kam die gewünschte Reaktion. Oh, da hatte sie wohl einen Nerv getroffen. Ihr falsches Lächeln wurde schnell zu einem ausgewachsenen Grinsen. Immer und immer breiter. Wie bei einer Katze, die eine Maus gekonnt in die Falle gelockt hatte. Es fehlte eigentlich nur noch, dass sie sich zufrieden schnurrend zusammen rollte.
Mit einem kurzen Seitenblick zu Lucien, wollte sie sich vergewissern, ob es in Ordnung war, einfach noch ein wenig zurück zu piesacken, denn Enrique machte es ihr wirklich unglaublich einfach. Allein seine Überlegungen zu den Geschehnissen auf der Morgenwind hätte sie zerstückeln können, um ihn noch weiter auf die Palme zubringen. Was sie allerdings niemals gemacht hätte, weil das etwas war, was sie vielleicht mit ihm noch einmal besprechen musste, wenn sie nicht mit gebleckten Zähnen auf einander los gingen.
Aber letztlich kam sie eigentlich zu überhaupt nichts, als er nach ihrem Angebot fragte. Nach ihrem Angebot? Er wollte wirklich wissen, was sie ihm boten, damit er auf dem Schiff blieb? War das sein ernst? Unfreiwillig entgleisten ihr die Gesichtszüge, womit sie mit ihren Gedanken weniger hinterm Berg hielt als ihr Bruder. Und genau aus diesem Grund – und weil es jetzt ziemlich sinnlos wäre, noch einen wirklich schlimmen Streit vom Zaun zu brechen – hielt sie einfach ihre Klappe.
Auf die ruhigen Worte von Lucien hin nickte sie nur bestätigend, behielt dabei aber den Soldaten im Auge. Wieso amüsierte es ihn so sehr? Er hatte doch gerade noch gefordert, dass man ihm ein Angebot machte, damit er bliebt, aber jetzt amüsierte er sich? Aber auch an dieser Stelle blieb sie ruhig, lehnte sie nur einmal merklich an ihren Bruder an, um ihm zu sagen, dass sie ganz seiner Meinung war. Wenn sie jetzt allerdings sprach – dass dachte sie sich zumindest – dann konnte das ganze vielleicht sehr schnell wieder eskalieren, wie nur Augenblicke zuvor. Und genau aus diesem Grund hielt sie sich diesmal zurück und beobachtete erst einmal nur.
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