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Kapitel 5 - Melodie des Frühlings
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Aug 2017
Zielsicher griff die Pinzette, trotz des Blutes, Glassplitter um Glassplitter und beförderte sie in eine Schüssel auf dem Tisch. Falls Lissa drauf bestand, würde er sie später reinigen; aber er würde das Glas nicht auf den Boden werfen, wo Trevor erneut hineintreten können würde.
Immer nur kurz folgte er den Worten und Gesten seines Bruders, registrierte Bücher, Truhen und Anderes, was unter normalen Umständen locker seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte.
Und auch wenn es anders schien, er bekam ihre Worte durchaus mit. Das Wort Alleshändlerin ließ ihn stutzen, sagte ihm aber nichts, ihre Erklärung dann brachte ihn allerdings dazu sich kurz zu versteifen, als eine Irrationale Hoffnung schlagartig von ihm Besitz ergriff.
'Could she ...?'
Langsam sah er zu ihr hinüber, doch ehe er fragen konnte brachte ihn sein Cousin zurück in die Realität. Mit ein paar geschickten griffen wechselte er von Trevors linken zu seiner rechten Hand und machte weiter, schmunzelte widerwillig über die geplapperten Worte und war einen Augenblick lang aus dem Konzept gebracht, so dass der jüngere Scovell ihre Name vor ihm bestätigen konnte.
Wieder war sie da, diese dumme, irrationale Hoffnung, dieser schmerzhafte, verzweifelte Wunsch, so stark, dass er Trevor einen Moment vergaß, was dieses Energiebündel prompt nutzte um zu Lissa zu hüpfen.
Greg seufzte.
'Dann muss ich ihn eben wieder einfangen.'
Während er ihm also zur Händlerin folgte erklärte sie ihnen noch einmal genau was es mit ihren Waren auf sich hatte. Mit jedem Wort, dass sie äußerte, verstärkte sich das Ziehen erneut in seiner Magengegend. Dann präsentierte sie das Blatt Papier.
Gregory stoppte mitten in der Bewegung, mit der er nach seinem Bruder hatte greifen wollen, die Arme sanken herab und jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
'Is it another ...?! Please, let it be ...!'
Dann äußerte Lissa den Namen.

PLING - Ting - ka-kling

Die Pinzette war aus seinen Fingern gelitten und dröhnte genau wie der Name in seinen Ohren.

"Tante Aranne ...", flüsterte er.

{ Marktplatz, Lissas Stand | bei Trevor und Lissa }
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Crewmitglied der Sphinx
für 60 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
Shanayas Grinsen wurde nicht weniger, auch wenn zuerst keiner der beiden auf sie reagierte. Gut, bei Talin verstand sie es. Die wurde festgehalten und kümmerte sich vorerst um den Mann, von dem die Schwarzhaarige in keinster Weise wusste, was seine Intentionen waren. Sie sprach zu dem Älteren – und dieser richtete seine Aufmerksamkeit kurz auf Shanaya. Sie sollten sich mit seinen drei zusammen tun? Versuchte er gerade ihre eigene Lüge mit einer weiteren zu übertrumpfen? Das war ja ein ganz neuer Trick. Er schien ein wirklich harter Kerl zu sein. Die junge Frau unterdrückte ein amüsiertes Schnaufen, beobachtete lieber, was die drei veranstalteten. Der Fremde begann zu sprechen, die junge Frau bekam jedoch nur die Hälfte davon mit. Noch immer halb hinter Lucien stehend ließ sie den Blick schweifen. Sie hörte zwar die Stimmen der anderen, achtete jedoch nicht auf das, was sie taten. Und sie... sie hatte noch immer dieses feine Prickeln im Nacken. Das Gefühl, beobachtet zu werden. Und sie wollte nicht unbedingt überrascht werden, wenn sich... jemand an sie heran schlich und überwältigte. Wirklich nicht.
Erst der Schuss, der durch die Straße hallte und die Schwarzhaarige aus der Gewohnheit heraus hatte zusammen zucken lassen, ließ sie ihre Aufmerksamkeit wieder umlenken. Die junge Frau erwartete fast, dass sie ein Blutbad zu sehen bekam, wenn sie sich nun umwandte. Aber scheinbar hatte Lucien das Risiko, Talin zu treffen, doch nicht kalt gelassen. Dafür hatte die Wand dran glauben müssen. Die Wand, die sie hatte küssen wollen! Und jetzt hatte er sie und Talin erwischt. Sie hätte ihm direkt auf die Finger hauen sollen! Shanaya war in diesem Moment für keinen der Anwesenden wirklich anwesend – was sie jedoch nicht störte. Lucien wäre dumm gewesen, einen Mann aus den Augen zu lassen, auf den er gerade quasi geschossen hatte, Talin musste auch auf den Fremden aufpassen, wer wusste schon, wie er reagierte. Und besagter Fremder... der schien auch nicht sehr glücklich zu sein. Die blauen Augen ruhten auf ihm, bis Lucien sich mit kurzen Worten doch an sie richtete – und sie zum lachen brachte womit sie ihm locker seinen Rücken patete.

Ich beobachte doch gern, was du mit deinen Händen für Tricks vollbringst. Und meinen Blutdurst kann ich sicher anders stillen.“

Und kaum hatte sie geendet, machte sich der Fremde auf, hielt auf Lucien zu und einen kleinen Moment glaubte die Schwarzhaarige, er würde ihn sich packen. Aber er rempelte ihn nur mit der Schulter an, fluchte noch ein bisschen und machte sich dann auf und davon. War er wohl Rechtshänder? Dann war er sicher mit dem linken Fuß aufgestanden. Eine ganz logische Schlussfolgerung. Shanaya seufzte, zuckte dann aber mit den Schultern. Es war deutlich, welchen von Talins Vorschlägen er für sich wählte.

Wer ist jetzt dafür, zum Schiff zurück zu gehen?“

Die gute Laune lag noch immer in ihrer Stimme, während ihr Blick zwischen den beiden Geschwistern hin und her huschte. Dennoch war ihre Frage ernst gemeint.

[Brunnenplatz | Lucien, Talin und Sylas in der Nähe]
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Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
Wieso verwunderte sie diese Offenbarung nicht im Geringsten? Waren alle Musiker gleich, wenn es um das Thema Spontanität ging? Skadi wandte den Blick kurzweilig voraus, als sie darüber nachdachte. Im Prinzip war dieser Drang nach Flexibilität gleichzusetzen mit dem Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit. Er teilte also allemal dieselben Wünsche wie anderen an Deck der Sphinx. Nichts, was sie mit gut oder schlecht bewerten würde – dafür bestand auch ein Liam aus zu vielen Schichten Persönlichkeit und Erfahrungen. Sie hatte gerade einmal die oberste Schalte sanft mit den Finger abgezogen. Doch war es nicht irgendwie erstaunlich wie leicht ihr Umgang war, wenn man bedachte, wie ihre erste Begegnung verlaufen war? Skadi selbst hatte dank ihm die Morgenwind mit einer blutenden Nase verlassen und zwei Wochen das bunte Feilchen im Gesicht getragen. Liam hingegen hatte schmerzlich seine Glocken läuten hören und ihr Vorhaben, die Schiffskanone Betsi als Waffe gegen die Marine einzusetzen, ziemlich abschätzig bewertet. Generell waren ihre Auffassungen im Kampf vollkommen gegensätzlich gewesen und doch schlenderten sie nun durch Milui, als wäre all das nie passiert. Die Zeit war schon manchmal ein seltsames Konstrukt.

Schlagartig aus den Gedanken gerissen, wandte Skadi den Kopf über die Schulter. Spürte eine Haarsträhne unangenehm an ihrem Augenwinkel kleben, während sie Liam musterte und die Lippen verzog. Gut betuchte Kinder klauten. War die Welt bereits so heruntergekommen, dass das ein Ding der Möglichkeit war? Gott konnten die froh sein, nicht in ihrer Familie aufgewachsen zu sein. So viele Hände konnte kein Mensch vom Körper trennen.

“Ich halte uns beide für schlau genug, um selbst das Elternthema in den Griff zu bekommen.“
Das zuversichtliche Grinsen auf ihren Lippen machte zumindest keinen Hehl daraus, dass sie auf jede erdenkliche Weise damit klar käme. Töten stand vielleicht nicht unbedingt zur Debatte, doch eine kleine Ablenkung bewirkte manchmal wahre Wunder.
Seine Zweideutigkeit in Punkto Spontanität war ihr leider gänzlich entgangen. Viel zu sehr hatte sie sich auf die Möglichkeiten ihrer Vorstellungskraft konzentriert, um die feinen Nuancen seiner Stimmlage und Mimik wahrzunehmen. Und dabei blieb es auch, während sie ihm in die Gasse hinein folgte und dicht an seinen Versen klebte. Die Vorstellung gefiel ihr zunehmend besser, nun auf der anderen Seite einer Verfolgungsjagd zu stehen. Und überhaupt war sie strickt für die richtige Erziehung rebellischer Kinder, da konnte sie nicht einmal mehr aus ihrer Haut. Allerdings beschlich sie das Gefühl nach wie vor, dass Liam etwas andere unter dem Verstand, was sie mit dem Wort „Bestrafung“ verband. Wenn sie sich recht erinnerte, war es nicht der Typ für’s „Grobe“. Womöglich belief sich diese Aktion auch einen Furcht einflößenden Streich, bei dem sie gern als Horrorclown herhielt.

Langsam holte sie auf seine Schulterhöhe auf und reckte den dunklen Schopf in die Gasse hinein. Starrte wie der Lockenkopf auf den schwach erkennbaren Eingang im Boden, der offensichtlich tief hinab ins Herz der Stadt führte. Bisher waren ihr nur wenige dieser Gänge begegnet. Die meisten waren unpassierbar und mit dicken Gesteinsbrocken verschüttet. Doch dieser schien intakt und führte irgendwie als Ader in den Untergrund. Womöglich in die Kanalisation. Skadi wusste es nicht – fragte sich aber, ob sie diese Information alsbald für ihren neuen Rachefeldzug nutzen konnte.

Vorsichtig presste sie sich an Liam vorbei, ging im Laufen immer tiefer in die Hocke, bis sie vor den Treppenstufen zum Stehen kam und mit langsamen Bewegungen hinein blickte. Bisher war kein flackerndes Licht auf dem Boden zu erkennen, was nur bedeutete, dass die Kinder viel tiefer im Gang versteckt waren. Mit einem Grinsen blickte die Nordskov über ihre schmale Schulter zu Liam zurück und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er näher kommen sollte.

“Siehst du das da?“, flüsterte sie in die Abgeschiedenheit der Gasse hinein und deutete auf einen kleinen, nur schwer erkennbaren Flaschenzug am Rand des Eingangs.
“Die kleinen Biester sind schlau… wenn du genau hinsiehst kannst du am Boden die dünne Schnur erkennen, die an dem Holzwindspiel zieht, wenn du dagegen läufst. So wissen sie direkt, dass jemand in ihr Geheimversteck hinein platzt.“
Sie kannte diese Art Stolperfalle und hatte sie als Kind liebend gern im Wald aufgestellt. Doch statt eines Holzwindspiels, hatte sie bunte Glasscherben verwendet.

Nur langsam erhob sie sich in eine gebückte Haltung und lief die Treppenstufen hinab. Achtete bei jedem ihrer Schritte peinlichst genau darauf, keine versteckten Fallen auszulösen und stieg fast schon grazil über die aufgespannte Schnur im Türrahmen. Der Gang dahinter lag im Halbschatten und erstreckte sich wie das Maul eines Ungeheuers vor ihnen. Nur am Ende flackerten helle, rote Flecken und markierten wohl den Beginn der kindlichen Festung. Mit einem letzten Blick auf Liam zurück – das Grinsen auf ihren Zügen konnte kaum noch breiter sein, als es sich gerade bis zu ihren Ohren erstreckte – presste sich Skadi in der Hocke gegen die Wand und versuchte sich tief in den schwarzen Schatten zu verstecken. Sollte eines der Plagegeister unvermittelt auftauchen, würde sie so zumindest die Möglichkeit haben, aus dem „Nichts“ agieren zu können.

[Erst in der Seitengasse, dann einem Tunnel unter der Erde | direkt vor Liam]
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Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
Skadis Überraschung entging ihm, zu sehr war er in Gedanken versunken gewesen. Er versuchte, sich an die Kinder zu erinnern, die Ryan und ihm vor nur wenig Zeit in die Arme gelaufen waren. Sie hatten nicht wie Bettler ausgesehen, aber auch keineswegs wie Kinder reicher Familien. Unterer Mittelstand vielleicht, die entweder tatsächlich ihr Taschengeld aufbessern wollten oder schlicht das Abenteuer suchten. Vielleicht gehörten sie aber auch wirklich einer größeren kriminellen Bande an, von der sie instrumentalisiert worden waren. Spielenden Kindern schenkte man immerhin weitaus weniger Aufmerksamkeit als zwielichtigen Gestalten. Das leise Stimmengewirr, welches sie bald darauf aufgespürt hatten, ließ allerdings nur Kinder vermuten. Vorsichtig sollten sie trotzdem sein, denn noch hatten sie dank des raffinierten Verstecks der kleinen Biester niemanden zu Gesicht bekommen. Liam beobachtete die die augenscheinliche Sackgasse einen Moment. Die Lautstärke der Stimmen veränderte sich nicht und klang noch immer gedämpft. Es war unmöglich, wirkliche Wortfetzen aufzufangen und auch Skadi schien nicht mehr Erfolg zu haben als er, als sie neben ihm in die Gasse hineinschielte. Liams Blick lag für einen Moment auf ihrem Antlitz, als erwarte er, dass sie gleich irgendeine Erkenntnis mit ihm teilte, doch ihre Konzentration lag auf dem, was vor ihnen lag. Eine Sekunde später hatte sie sich schon an ihm vorbeigedrückt und pirschte auf die kleine Treppe zu. Der Lockenkopf hingegen blieb abwartend im Schatten. Nicht, weil er nicht folgen wollte – Skadi duckte sich geschickt immer näher gen Boden, während sie fast lautlos auf ihr Ziel zuschlich. Tatsächlich hätte sich das mit ihrem Kleid äußerst schlecht vertragen. Liam also beobachtete die junge Frau bei ihrem Treiben, beobachtete, wie sie einen prüfenden Blick die Treppe hinunterwarf und als sie die Hand in eindeutiger Geste hob, erinnerte er sich auch wieder daran, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, es ihr gleichzutun.

Ein kurzer Blick wanderte die Gasse hinter ihm zurück. Niemand schien sich dafür zu interessieren, was hier drin passierte. Vermutlich war es wirklich eine Sackgasse – vorausgesetzt natürlich, man hatte nicht wie sie die Kanalisation als Ziel, die einer Gruppe Kleinkrimineller als Unterschlupf diente. Nicht ganz so tief gebückt wie Skadi zuvor folgte er der Kurzhaarigen tiefer in die Schatten der Gassen hinein und hockte sich neben ihr auf die oberste Stufe der Treppe, die in die Tiefe führte. Aufmerksam folgte er ihrer Erklärung und erkannte tatsächlich die provisorische Alarmanlage, als sie ihn darauf aufmerksam machte. Nicht schlecht. Beide. Sowohl Skadi, die definitiv den Anschein erweckte, so etwas nicht das erste Mal zu machen, als auch die Zwerge, die sich offenbar schon länger im Untergrund versteckten, um ihre Beute zu teilen. Bei solch einem Geheimversteck wäre der achtjährige Liam mit Sicherheit vor Neid erblasst. Und auch der fünfundzwanzigjährige Liam konnte einen leisen Hauch Bewunderung dafür nicht leugnen. Trotzdem: Eigentlich empfand er es eher als bedauerlich, dass Kinder bereits in diesem Alter auf Diebstahl zurückgriffen. Ganz egal ob freiwillig oder von welchen Umständen auch immer gezwungen. Der Musiker nickte Skadi lautlos zu, um ihr zu bedeuten, dass er gesehen und verstanden hatte, was sie entdeckt hatte. Es war wohl wirklich das schlauste, ihr ab sofort die Führung zu überlassen. Nichts, womit er ein Problem gehabt hätte. Er wäre vermutlich eher einfach mit einem ‚Tada!‘ hineingeplatzt und hätte breit grinsend darauf hingewiesen, dass Ryan und er ihr Versprechen gehalten hatten. Oder viel mehr nur er. Ryan war ja noch immer damit beschäftigt, einer Hexe den Kopf zu waschen.

Unnatürlich genau achtete er darauf, zumindest fast auf dieselben Stellen zu treten, die die Frau vor ihm vorgab. Skadi wirkte mehr und mehr so, als wäre genau das hier ihr Element und bevor er Gefahr lief, doch noch in eine versteckte Falle zu laufen und das ganze Vorhaben zu ruinieren, hielt er sich lieber im Hintergrund und genoss das Schauspiel. Als sie den Stolperdraht erreicht hatten, fiel sein Schritt darüber vorsichtshalber etwas größer aus als nötig, ehe er sich der Jägerin gegenüber ebenfalls ins Dunkel drückte und näher an das Licht heranschlich, welches flackernd die Düsternis erhellte. Inzwischen konnte man auch die Stimmen besser vernehmen. Es klang nach drei oder vier verschiedenen Kindern. Vielleicht auch fünf, wenn man bedachte, dass die Gruppe zuvor in etwa so groß gewesen war. Liam unterdrückte ein amüsiertes Glucksen, als der Gesprächsverlauf vermuten ließ, dass sie sich wohl an die Drohung des Diebes erinnerten. Tja, Ryan hatte auch einfach das Auftreten, um Kindern Angst einzujagen. Unschuldig zuckte er im Dunkel mit den Schultern, als er Skadis Blick auffing, als wolle er sagen, dass er dafür auch nichts konnte, dass ihr zwielichtiger Dieb so einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Aber offensichtlich schien der Anführer der kleinen Rotzlöffel sich nur über die magere Ausbeute zu ärgern, statt wirklich zu befürchten, dass man ihnen auf die Schliche kam. Das spielte ihnen definitiv in die Karten. Das abenteuerliche Funkeln in den dunklen Augen des Mannes war dieses Mal nur zu erahnen. Als sie sich bis zur nächsten Ecke vorgearbeitet hatten, an denen die Fackeln an der Wand hingen, fanden sie allerdings nur einen leeren, kleinen, runden Raum vor. In der Mitte allerdings lockte eine offene Luke weiter in die Tiefe und – dem Stimmengewirr nach – auch näher an ihr Ziel. Tatsächlich konnte man die Kinderscharr von oben erkennen, ein paar (vermutlich gestohlene) Geldbörsen und allerlei, was man Menschen so aus den Taschen ziehen konnte. Konzentriert warf der Gelockte einen Blick in den Raum unter ihnen. Wirklich viele Möglichkeiten blieben ihnen so nicht wirklich – also kam wohl doch wieder seine beliebte Taktik zum Zuge: Tada, da waren sie! Als er bereit war, sah er zu Skadi auf und wenn sie keine andere glorreiche Idee hatte, deutete er ihr mit einer Bewegung des Kopfes, dass er ihr den Vortritt lassen würde, wenn sie wollte.


{ Skadi | Tunnel unter der Erde }
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Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
Liam folgte ihr wortlos, mimte ihre Bewegungen wie selbstverständlich und verhielt sich so leise, dass Skadi ein zwei Mal vom Pfad absah, um nach ihm zu sehen. Es war erstaunlich wie gut er sich ihrem Tempo anpasste. Ihre letzten Unternehmungen mit Trevor waren nämlich alles andere als „erfolgreich“ gewesen. Der Trampel hatte jegliche Pfade verlassen und ihr eine unnötige Hetzjagd aufgezwungen, die darin gipfelte, dass sie ihm nur noch einen Stein an den Kopf warf, damit er nicht blindlings in eine Schlingfalle hinein tappte. Eine Gesellschaft wie Liam war somit eine willkommene Abwechslung. Denn ganz offensichtlich war der Musiker jemand, mit dem man arbeiten konnte. Der von allein sehr gut verstand, dass ihre Vorsicht in diesem Moment angebracht war und handelte entsprechend. Das legte die Hoffnung nahe, dass sie im Fall der Fälle ein gutes Team bilden würden.
Je weiter sie voran durch die Dunkelheit auf das Licht zusteuerten, desto klarer wurden die Worte, die an ihr Ohr drangen. Skadi verstand nur Bruchstücke der Unterhaltung, versuchte den Tonuswechsel zu zählen und daran abzulesen, wie viele Kinder sich in dem kleinen Kabuff am Ende des Ganges befanden. Doch die wenigen Worte, die sie in sich aufnahm, reichten vollkommen aus, um die Geschichte des bösen Kapuzenmannes bildlich vor Augen zu haben. Kurz blinzelte sie zu dem Lockenkopf hinüber, der ihr gegenüber auf der anderen Seite des Ganges  hockte. Schüttelte grinsend den kurz geschnittenen Schopf und erhielt daraufhin prompt ein abwehrendes Schulterzucken. So viel also dazu, dass Ryan mit einem blauen Auge davon kommen würde. Irgendwie schollt sie sich immer noch für diese unbedachte Aussage und biss sich jäh auf die Unterlippe. Noch einmal sollte ihr dieser Fehler nicht unterlaufen. Auch wenn Liam dabei fast in Tränen ausgebrochen war. Vor Lachen.

Wie eine Katze schlich sie nun dem Älteren hinterher. Grinste angesichts des offensichtlichen Missmuts der Jungen über ihre Ausbeute und blieb auf der anderen Seite der Luke stehen. Schob vorsichtig ihre funkelnden Augenpaare über den Rand und bemaß den schummrig ausgeleuchteten Raum unter sich. Zahllose Kissen und Kisten türmten sich zu allen Seiten. Der Schatz, der ein Stockwerk tiefer schlummerte, musste sich über Monate angehäuft haben. Skadi mochte sich nicht ausmalen auf wie vielen Streifzügen die Bande unschuldige Passanten bestohlen haben mussten. Ob das wirklich nötig war? Zumindest bezweifelte sie es in Ansätzen, wenn sie so der Unterhaltung lauschte, die in ein Glucksen übergegangen war. Erst im zweiten Schritt erspähten die aufgeweckten Bernsteine die fünf Kindsköpfe. Einer von ihnen stand direkt unter ihr, zwei weitere lümmelte sich gemütlich auf einem der hohen Kissenberge, während die anderen drei um eine Kiste voller Schmuck herum lungerten und gierig darin herumzuwühlen begannen. Und nicht einer von ihnen hatte sie bisher bemerkt.  Prüfend hob Skadi den dunklen Haarschopf und erkannte just in dem Moment, als sich ihre und Liams Blicke trafen, dass er wohl denselben Gedanken hegte wie sie. Ein zuversichtliches Grinsen umspielte ihre Mundwinkel, ließ das Funkeln in ihren Augen erneut aufblitzen und wie ein Lauffeuer durch ihren schmalen Körper fahren. Fast beiläufig rieb sie die Finger der rechten Hand über den staubigen Boden. Fuhr sich mit Zeige- und Mittelfinger wie bei einem Ritual über Stirn und Kinn und hinterließ eine dunkle Spur auf der braun gebrannten Haut. Tat selbiges über ihren Augen, die nun bedrohlich dunkel wirkten. Wenn sie diesen Kindern schon eine Heidenangst einjagen sollte, dann so richtig. Entfernte sogar das Band von ihrem Kopf und zerzauste die dunklen Strähnen zu einer wilden Mähne, ehe sie sich voraus beugte und ohne zu zögern auf dem Musiker mit beiden Händen von der Innenseite seiner Wangen nach unten zu den Ohrlämpchen dunkle Staubmale hinterließ. Lautlos formte sie das böse Knurren und Fauchen eines Tieres. Musterte ein letztes Mal das Antlitz ihres Begleiters, bevor sie sich mit einem ohrenbetäubenden Lärm durch die Luke hinab stürzte.

Wie zu erwarten erstarrten die Kinder augenblicklich in ihrer Bewegung. Hoben verwirrt blinzelnd die Köpfe, während sich Skadi mit aufgerissenen Augen bereits auf einen stürzte und ihn wie ein tollwütiger Schatten laut knurrend mit den Armen umschlang. Schrillend stieß der Schrei des Jungen durch den Raum – auch wenn Skadi nichts anderes tat als ihren Kopf in seiner Halsbeuge zu vergraben und fest mit Nase und leicht geöffneten Lippen dagegen zu drücken. Doch es reichte, damit er panisch zu strampeln begann und glaubte, er würde alsbald sterben. Während einer bereits Reiß aus nahm, standen die anderen unsicher auf ihrem Posten.

[In einem Tunnel unter der Erde | erst direkt vor Liam, dann eine Etage tiefer bei 5 Kinderdieben]
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Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Feb 2016
Sie überraschte ihn. Wiedermal. Und das, obwohl Liam eigentlich gar nichts bestimmtes erwartete. Er zwängte sie gedanklich nicht in eine Rolle oder irgendein Klischee und das lag nicht daran, dass es ihm an dem Klischee mangelte, das zu ihr gepasst hätte. Er hatte schon viele Menschen getroffen und zumeist mit Abenteurern seine Zeit verbracht, die ähnlich gestrickt waren wie er. Frei und auf der Suche nach etwas, was sie nicht benennen konnten. Abenteuer, Mythen, Legenden. Naturschauspiele, zerklüftete Klippen oder märchenhafte Wälder. All das zähmte die Sehnsucht ein wenig, bis man sich wieder vor einem neuen Erlebnis sah. Und nicht nur das: Auch all die Erzählungen der anderen fütterten die Neugier nach einer Begegnung mit einer dieser zahllosen sagenumwobenen Gestalten. Diesbezüglich erinnerte ihn Skadi sogar an eine alte Freundin, die sich ihrer Herkunft verschuldet ähnlich lautlos und grazil durch die Dunkelheit hatte bewegen können. Sie hatte ähnlich wenig Wert auf Eitelkeit oder Ernst gelegt und ebenso gewusst, wie man sich zwischen einem Haufen Männer zur Wehr setzte. Tatsächlich fanden sich einige Gemeinsamkeiten, doch Skadi wirkte dabei… wilder. Entschlossener. Wenn man mal von ihrer Einstellung zu Sineca absah. Als die Kurzhaarige ihrerseits die Lage sondiert hatte und sich ihre Blicke trafen, spürte er allerdings eine ähnliche stumme Einigkeit wie es mit Lubaya der Fall gewesen war. Eine Einigkeit, die nicht nur die Erfolgschancen in die Höhe trieb, sondern den Spaß gleich noch dazu.

Erst mit dem zweiten Blick fiel ihm auf, dass ihre Finger über den Boden glitten. Liam versuchte zu erkennen, was sie in den Staub zeichnete, um ihrer stummen Absprache zu folgen und sah verwundert auf, als ihm bewusst wurde, dass das Muster im Schmutz nicht von Belang war. Schweigend beobachtete er ihr ihre Bewegung und während er es anfangs noch als einfachen Teil ihres Planes eingeschätzt hatte, dämmerte es ihm mit der Zeit, dass es vermutlich viel bedeutsamer war. So routiniert, wie sie ihre staubigen Finger in den verschiedensten Linien über ihre Haut führte, machte sie so etwas öfter. Und auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über die Luke hinweg zu ihm hinüberbeugte, um ihm eine vergleichbare Bemalung zu verpassen, überzeugte ihn davon, dass es nichts mit ihrem Spaß zu tun hatte. Und es faszinierte ihn, wie alles, was mit fremden Kulturen einher ging. Die Frage nach ihrer Herkunft allerdings flackerte nur kurz in seinen Gedanken auf, ehe ihn das wilde Funkeln ihrer dunklen Augen im Fackelschein wieder vereinnahmte. Ihre Köpfe hingen noch immer über dem Loch im Boden, als der Lockenkopf ihre Geste mit einem Schmunzeln bedachte und langsam nickte, ehe Skadi auch schon durch die Luke verschwunden war.

Und ihre Show war so spektakulär, dass er sich auch einfach hätte zurücklehnen können, um sie zu genießen. Mit geweiteten Augen beobachtete er ihre Rage, die sie einem Wendigo gleich (jedenfalls hatte er gerade eine erstaunlich gute Vorstellung davon, wie sie wohl sein konnten) zwischen den Kindern herumfahren ließ, bis sie sich einen von ihnen geschnappt hatte. Die Panik lag fast greifbar in der Luft. Liam konnte es keinem von ihnen verübeln. Hätte er nicht gewusst, dass die Bestie, die dort unten wütete, eigentlich Skadi war, hätte er wohl wirklich geglaubt, einem waschechten Wendigo gegenüberzustehen. Himmel. Skadi machte man sich wohl wirklich besser nicht zum Feind. Denn wenn ihr Spaß schon so überzeugend war, wollte er ihre Rache gar nicht kennenlernen. Während sich der eine Junge im Griff wand und freizukämpfen versuchte, stürmten die übrigen vier voller Angst auf die Leiter zu, die in den oberen Raum führte. Hastig zog Liam den Kopf zurück, schaute sich um und zog sich schließlich in den Gang zurück, durch den sie gekommen waren, bis er wieder in den Schatten verschwunden war. Er glaubte fast, den viel zu schnellen Herzschlag der Kinder zu hören, als sie sich vermutlich gleichzeitig durch die Luke zu quetschen versuchten. Und dann, mit Skadis Vorbild, erklang erst ein leises, rasselndes Atmen aus der Dunkelheit, in der er lauerte, bis es zu einem Knurren anschwoll. Voller Angst blieben die Kinder vor ihm im Schein der Fackeln stehen, während sich sein dunkel bemaltes Gesicht allmählich aus der Dunkelheit schälte. In geduckter Haltung und bedrohlich langsam kam er näher und drängte die kleinen Diebe damit zurück. Auch, wenn sein Knurren nicht im entferntesten so furchterregend klang wie das der Jägerin einen Raum tiefer, schien es seine Wirkung nicht zu verfehlen. Eines der Kinder vertrat sich und rutschte kurzerhand wieder in die Kammer hinab, konnte sich aber gerade so noch an der Leiter festkrallen, bevor es gänzlich in Skadis Revier verloren ging. Ein anderer der drei verbliebenden Jungen schien alles auf eine Karte setzen zu wollen und stürmte los – genau auf Liam zu, um sich in seiner Angst so schnell wie möglich an ihm vorbeizudrängen und ins Freie zu entkommen. Kurzerhand machte er einen kleinen Ausfallschritt, als der Junge knapp auf seiner Höhe war und beförderte ihn somit wieder zu Boden. Liam überlegte nicht lange, griff sich mit seinen klauenartig gebogenen Fingern den Gürtel, der um die Hüfte des Kindes gelegt war und zog ihn seinen übrigen Freunden entgegen. Die Zwei, die vorhin noch gemütlich auf den Kissen gelegen hatten, drückten sich ängstlich gegen die Wand. Berauscht von ihrem glorreichen Erfolg bemerkte er erst, als die beiden Kinder weinend an der Wand zusammensackten, dass sie ein wenig zu weit gegangen waren. Er an ihrer Stelle jedenfalls hätte vermutlich nie mehr einen Fuß in diesen Tunnel gesetzt, geschweigedenn irgendetwas an sich genommen, was ihm nicht gehörte, wenn er befürchten musste, noch einmal Opfer solch eines Angriffs zu werden. Mit einem letzten Ruck schob er den Jungen, dessen Hosenbund er noch in der Hand hatte, unversehrt in die Richtung seiner Freunde. Das Knurren verebbte nach und nach.

„Ich glaube, das reicht.“, rief er schließlich zu Skadi hinab, als er wieder auf Höhe der Luke war, fixierte aber noch immer die drei Kinder vor ihm. „Wir haben euch gesagt, dass ihr nicht ungeschoren davon kommt. Los. Runter da.“

Mit dem Kopf wies er die Leiter hinunter, wo die anderen zwei und Skadi warteten. Und er klang nicht danach, als hätten sie eine andere Wahl.


{ Skadi | Tunnel unter der Erde }
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Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
Wild rauschte das Blut durch ihre Ohren, benebelte fast ihren Verstand, während sich die vollen Lippen immer wieder gegen den Hals des Kindes pressten, aus dessen Hilfeschreien ein bitterliches Schluchzen geworden war. Skadi spürte wie ihr Körper vor Euphorie zu kribbeln begann und ließ erst los, als sie etwas Nasses auf ihrer Haut spürte. Etwas, das binnen weniger Sekunden stark nach Urin roch. Hatte sie es etwas übertrieben und sollte lieber einen Gang zurück schalten? Das hier war als reine Lektion geplant, nicht als Versuch ein bleibendes Trauma zu hinterlassen oder das medizinische Wunder eines Herzinfarktes zu vollbringen. Wie ein Mehlsack sank der zitternde Körper des jungen vor ihr auf die Kissen, krabbelte wimmernd und panisch vor ihr davon. Eine Weile musterte sie das Kind, dessen Alter sie auf 8 oder 10 schätzte. Bemerkte erst im letzten Augenblick eine Regung in ihrem Augenwinkel und schnellte mit funkelndem Blick herum. Der Zweite, der mit ihr hier unten gefangen war, versuchte über die Leiter abzuhauen.

“Du willst doch nicht etwa schon gehen, oder?!“, kam es ungewohnt tief und zischelnd aus ihrer Kehle. Mit nur einem Satz hechtete sie über die Berge zerstreuter Krüge, Geldbörsen und Bücher, packte das vor Panik schreiende Kind an der Hüfte und zog es kraftvoll zum Boden zurück. Drückte erst seinen Brustkorb auf das kalte Gestein, ehe sie in einem raschen Moment seine Hände hinter dem Rücken fesselte. Die um Gnade flehenden Rufe ignorierte sie. Hörte die Schreie von oberhalb und musste sich ein breites Grinsen angesichts der Laute, die Liam ausstieß, verkneifen. Zu gern hätte sie ihn bei seinem Spiel beobachtet. Wäre sicherlich stolz über die Kriegsbemalung gewesen, die sie ihm verpasst hatte. Stünde ihm seine sanfte Art nicht so gut zu Gesicht, hätte sie ihn fast für Ihresgleichen halten können. Ihr Vater wäre zumindest ein wenig stolz auf sie – auch wenn er all dem hier eine Amputation der Hände vorgezogen hätte. Doch sie war nun einmal nicht wie ihr Vater. Sie wägte die Möglichkeiten dieser Welt ab und zog auch Alternativen in Erwägung, die nicht 100% mit ihrem Glauben konform gingen. Und letzten Endes gab es niemanden, der sie dafür bestrafen konnte. Im selben Atemzug wie Liam den Jungen am Gürtel zurück zog, hievte Skadi das Balg auf die Füße und drängte es zurück zu dem anderen, das sich mit weit aufgerissenen Augen gegen die Wand presste. Nur leise vernahm sie Liams Ruf, kaum dass sie sich einige Schritt weit von den Kindern entfernt hatte und schwer zu atmen begann. Die Hände leicht erhoben und zu einer klauenartigen Silhouette verkrümmt. Der Spaß schien also vorbei. Nun gut. Ganz offensichtlich hatte der Musiker seine Rolle perfekt gespielt. Zitternd kletterten die anderen Kinder die Leiter hinab, sahen verängstigt zu Skadi hinüber, die ihnen lauernd Platz machte und darauf wartete, dass der Lockenkopf hinab stieg. Schenkte den Bälgern ein wütendes Schnauben, damit sie ihre Schritte beschleunigten und neben ihren Kumpanen an der Wand Platz nahmen.

Und erst als der Lockenkopf neben ihr zum Stehen kam, richtete sie sich wieder zur vollen Größe auf und sah mehr als zufrieden auf die kleinen Häufchen hinab.

“Ich habe gehört ihr Mistkröten wart ganz schön unartig und habt Leute bestohlen.“ Wieder kehrte dieser zischelnde Laut in ihre Stimme. Sie konnte es nicht einmal recht kontrollieren. Doch letztlich käme es ihnen zu Gute. Niemand würde den Jungen glauben, wenn sie von einem wilden Wesen berichteten, dass sie in einem Tunnel unter der Stadt überfallen hatte.

“Macht man das etwa als gut erzogenes Kind?“

Langsam beugte sie sich voraus, ging für einige Zentimeter in die Hocke und riss die Augen auf. Sah mit pochendem Herzen die Angst in den Augen und wusste, dass sie alle Zeit der Welt haben würde, um unbemerkt von hier zu verschwinden. Keiner von ihnen würde sich trauen davon zu laufen – aus Angst ihnen wieder in die Arme zu rennen.

“Solltet ihr es noch einmal wagen, andere zu bestehlen, werde ich euch alle einzeln holen kommen… Nachts, wenn ihr süß schlummernd in eurem Bettchen liegt.“
Ihr Kopf drehte sich zur Seite, zuckte, als sie sich ein, zwei Schritte voraus bewegte und ein schockiertes Aufatmen auslöste. Doch mitten in ihrer Bewegung blieb sie stehen, starrte ein letztes Mal auf die Jungen hinab, die keine Anstalten machten, sich zu rühren. Wandte sich dann auf den Zehenspitzen herum und schenkte Liam ein breites Grinsen, das so gar nicht mehr nach bösartigem Ungeheuer aussah. Sie hoffte, dass er die Zeit genutzt hatte, um nach seinem gestohlenen Eigentum Ausschau zu halten. Sie hingegen verfiel wieder in ihre Wendigohaltung und kletterte wortlos die Leiter hinauf. Wischte sich bereits auf ihrem Weg den dunklen Gang hinunter den Dreck aus dem Gesicht und huschte, statt aus dem Tunnel hinaus in eine kleine Nische, die sie auf ihrem Weg ins Versteck passiert hatten.

“Wir warten hier bis sie fort sind… dann schauen wir uns da unten noch einmal um.“

Es gab einiges, das auf den ersten Blick wertvoll und interessant ausgesehen hatte. Bücher, die älter noch als ihre Urgroßeltern sein mussten. Edelsteine, die sich im Zweifelsfall auf einer anderen Insel zu viel Geld machen ließen. Und hoffentlich fand Liam eben jene Bücher wieder, die er in Teilen von der Straße hatte aufsammeln müssen.
Minuten vergingen, in denen sie dicht beisammen in der Nische hockten. Den Atem des anderen auf der Haut spürten und nur einen Finger zu erheben brauchten, um dem anderen in die Seite zu pieksen. Und gerade als Skadi glaubte, dass keines der Angsthasen sich zurück an die Oberfläche traute, hörte sie das leise Brabbeln. Gefolgt von schnellen Schritten und vorbeihuschenden Schatten, die panisch das Weite suchten. Bingo!

Langsam schälte sie sich aus dem Schatten, spähte abwartend in Richtung des Ausgangs und wandte sich dann kurz mit einem anerkennenden Ausdruck auf den Zügen Liam zu. Zuckte spielerisch mit den Augenbrauen und grinste.

“Du warst echt beeindruckend, du Tiger.“

Fast erklomm ein Lachen ihre Kehle, doch sie versteckte es in einer raschen Bewegung ihrer Finger, die ihm eine dicke Spinnwebe aus den zerzausten Locken zog.

“Das Spiel sollten wir öfter mal spielen.“

Mit einem kecken Ausdruck in den brauen Augenpaaren schenkte sie ihm einen letzten intensiven Blick, ehe sie sich herum wandte und den Weg zurück in die Dunkelheit einschlug. Sie glaubte in ihrem Gerangel ein in Leder gebundenes Buch gesehen zu haben, dessen aufgeschlagene Seite sie stark an Liams Zeichenstil erinnerte.

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Meerjungfrauen, Gnome, Elfen, Kobolde. Liam hatte zweifellos eine Faszination für allerlei Sagengestalten und saugte sämtliche Geschichten, die er darüber hörte, förmlich auf wie ein Schwamm. Besonders die Berichte über Sichtungen interessierten ihn hierbei: also die Art von Märchen, die sich Seemänner abends betrunken in den Tavernen erzählten, um sich gegenseitig zu übertrumphen. Doch dabei war er kein naiver kleiner Junge mehr, der mit einem Funkeln in den Augen allerlei Märchen glaubte, die man ihm erzählte. So lange, wie er die Gestalten nicht selbst zu Gesicht bekommen hatte, blieben die Legenden das, was sie nun eben einmal waren: faszinierende Märchengeschichten, die vermutlich zu Achzig Prozent aus Fantasie bestanden. Doch die Show, die Skadi gerade vollführte, brachte ihn wahrlich dazu, darüber nachzudenken, seine Ansichten zu Wendigowak in Zukunft ein bisschen anders zu behandeln. Es war ungemein amüsant, wie viele Gemeinsamkeiten man fand, wenn man nur gezielt danach suchte. Andererseits überraschte es auch nicht sonderlich, wenn man bedachte, wie unterschiedlich die Beschreibungen dieser Kreaturen im Allgemeinen waren. Vom leblosen, verwesten Körper bis hin zu einer gewaltigen Art Werwolf gab es alles, was man damit in Verbindung brachte – wobei Liam die Idee des felligen Werwolfs mit majestätischem Geweih dabei am besten gefiel. Ein magisches und gleichsam tödliches Geschöpf, dem man besser nicht begegnen wollte; allein schon wegen dem, wofür es stand.

Als sie die kleine Kinderscharr im unteren Raum zusammengetrieben hatten und der Lockenkopf eigentlich vorgehabt hatte, sich noch ein bisschen die Taschen voll zu machen und sie mit ihrem Schreck allein zurückzulassen, schien Skadi noch lange nicht genug zu haben. Wie eine Bestie im Käfig lief sie auf und ab und wirkte fast, als hätte sie ihre Gier noch lange nicht gestillt. Das hier war kein Schauspiel mehr. Es war ein Teil von ihr, den sie nicht spielen musste. Sie lebte ihn. Liam hätte es keinen Augenblick gewundert, wenn sie in ihrer Rage herumgefahren und sich statt der Kinder plötzlich ihn als Ziel ausgesucht hätte. Doch irgendetwas sagte ihm, dass nichts passieren würde. Irgendetwas, bei dem er sich noch nicht sicher war, ob es wirklich schlau war, darauf zu vertrauen. Statt aber die gebotene Ablenkung zu nutzen, stand er da, verschränkte die Arme und beobachte die wilde Bestie, in die sich Skadi verwandelt hatte und den Kindern die Bedeutung von Angst anschaulich näher brachte. Sie übertrieben. Das war Liam inzwischen mehr als bewusst. Doch die Faszination überwog, verwurzelte ihn an Ort und Stelle und ließ ihn unwillkürlich erschaudern ließ, als sich Skadi zu ihm umwandte. Da aber war sie wieder – die Skadi, die er kennengelernt hatte, breit grinsend und voller Euphorie. Einen Herzschlag später aber schon war der bekannte Zug bereits wieder in der Wildnis verschwunden, die von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Sie trat an ihm vorbei und erklomm die Leiter. Liam erstarrte, als sie auf seiner Höhe war, folgte ihr dann aber mit einem letzten, fast schon entschuldigendem Blick gen Kinder und verschwand die Leiter hinauf. Es war keine Angst, die er empfand, aber Vorsicht. Vorsicht wie bei einem wilden Tier. Als sie ihren Plan mit ihm teilte, war der zischelnde Unterton aus ihrer Stimme verschwunden. Trotzdem wäre ihm niemals eingefallen, ihr zu widersprechen. Nicht nach dieser beeindruckenden Vorführung. Bereitwillig als duckte er sich neben ihr in die Dunkelheit hinein und schwieg, bis ein Wimmern von den Tunnelgängen hallte und die Kinder weinend nach draußen verschwanden. Inzwischen hatte sich auch sein Herzschlag ein wenig beruhig und ließ ihn im Stillen über das nachdenken, was gerade geschehen war. Das schlechte Gewissen hinterließ ein hohles Gefühl in seiner Magengegend, doch er ignorierte es geflissentlich. Wären sie den Stadtwachen in die Arme gelaufen, wären sie nicht nur mit dem Schrecken davon gekommen, sondern vermutlich auch mit jeweils einer Hand weniger.

Als Skadi sich erhob, blickte er auf. Im Licht der Fackeln konnte er erkennen, dass sie ihre Malerei bereits wieder weitestgehend abgewischt hatte und kaum mehr etwas daran erinnerte, was dort unten geschehen war. Liam hob den eigenen Ärmel zum Gesicht, um den Staub zu entfernen, den die junge Frau dort hinterlassen hatte. Skadis jetziger Anblick überraschte und beruhigte ihn zugleich. Das Tier war verschwunden, als wäre es nie da gewesen. Geräuschvoll stieß er die Luft aus, ehe er sich von der Wand abstieß und ebenfalls erhob.

„Tze. Ich war beeindruckend.“, wiederholte er, als wäre es völlig bedeutungslos. Er wusste, dass er gleich Gefahr lief, wie Trevor zu klingen. „Du warst… der Wahnsinn. Hätte ich’s nicht besser gewusst, hätte ich dich für einen waschechten Wendigo gehalten.“

Er stellte sich nicht die Frage, ob sein Gegenüber mit dem Begriff ‚Wendigo‘ etwas anzufangen wusste. Stattdessen folgte er der Bewegung ihrer Hand, mit der sie ihm Bestandteile des unterirdischen Tunnels aus den Haaren angelte, ehe sein Blick wieder auf ihrer Gesichtspartie lag. Sie wirkte fast so ausgelassen wie an jenem Abend vor zwei Tagen. Und Liam gefiel es, nach und nach mehr ihrer Facetten kennenzulernen, selbst wenn es fragwürdige Situationen erforderte. Er lachte auf, als sie eine Wiederholung in Erwägung zog, klang aber definitiv nicht abgeneigt.

„Damit schlägst du vermutlich auch den grimmigsten Seemann in die Flucht.“, hielt er recht überzeugt für möglich. In seinen Mundwinkeln hing noch immer die Faszination, während er ihren Blick erwiderte. Und dann stieg ihm wieder ein Geruch ins Gesicht, der ihm eben in der Nische bereits flüchtig aufgefallen war. Liam rümpfte die Nase, ehe er Skadi einmal kurz von oben bis unten musterte. „Ich schätze, einer der Jungen hat dir deutliche Anerkennung hinterlassen, hm? Wir sollten uns ohnehin beeilen. Nur für den Fall, dass sie doch mit Verstärkung zurückkommen. Und dann beschaffen wir dir was Frisches zum Anziehen.“

Seine Hand ruhte kurz auf ihrer Schulter, als wolle er sagen, dass es halb so wild war und man das Ganze auch als positive Rückmeldung ob ihrer Fähigkeiten sehen konnte. Liam wandte sich an Skadi vorbei zurück in den kleinen Raum und schließlich die Luke wieder hinab. Die Wahrscheinlichkeit, irgendetwas seiner Sachen wiederzufinden, sah er kaum. Neben ein paar losen Zeichnungen war es nur noch sein Skizzenbuch gewesen. Aber vermutlich hatten sie sich all dieser Dinge entledigt, als sie um ihre vermeintliche Wertlosigkeit für sie erfahren hatten. Stattdessen wanderte sein Blick nun über die verschiedensten Geldbörsen und Schmuck. Sie hatten bei weitem nicht genug Taschen, all das einfach einzustecken. Liam füllte ein paar der Lederbörsen in seinen eigenen Beutel um und blieb schließlich an einer kleinen hölzernen Taschenuhr hängen, die er in den Fingern drehte.


{ Skadi | Tunnel unter der Erde }
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Selten brachte sie solch ein Kompliment zum Schmunzeln  Zu einem, das nicht wie üblich amüsiert wirkte oder gar abwertend, weil sie völlig anderer Auffassung war. Skadis Lippen und Mundwinkel strahlten einen Stolz aus, der Wärme über ihre Züge brachte. Ganz gleich ob der Musiker sie mit einem Wesen verglich, dessen Namen sie nie zuvor gehört hatte. Irgendwann käme sie noch dazu, ihn nach der genauen Bedeutung dahinter zu fragen. Allerdings ahnte sie, dass der Ursprung einem Schauermärchen gleich käme – denn nicht anders hatte sie sich dort unten vor den Kindern gezeigt und ihnen mehr als nachdrücklich eine Lektion fürs Leben erteilt.  

“Wir werden sehen… vielleicht versuche ich es mal mit unserem Blauauge.“ Diese Anspielung hatte sich vollkommen selbstständig auf ihre Lippen gelegt und war ausgesprochen, noch bevor die Nordskov darüber nachgedacht hatte. Ja, es wäre äußerst interessant zu wissen, wie die Herrschaften der Sphinx bei einer solchen Darbietung reagiert hätten. Ob es einen von ihnen direkt dazu verleitet hätte, mit seinem Schwert auf sie loszugehen… oder wie Liam gerade vollkommen richtig anmerkte, sich mit seinem Urin auf ihr ergoss.
Erst jetzt bemerkte sie wieder das Brennen in ihren Nasenflügeln, das sie vor lauter Euphorie vollkommen ignoriert hatte. Rümpfte die runde Spitze, kaum dass der hohe Körper des Lockenkopfes an ihr vorbei schritt und sie ihm mit geschürzten Lippen folgte. An und für sich waren Dreck und Schmutz nichts, was sie sonderlich störte. Doch dieser Geruch nach Furcht kitzelte wie Benzin unangenehm in ihrer Nase. Zu gern wäre sie einfach in einen See gesprungen oder über eine große Fläche Moos gerollt. Doch hier gab es außer Dunkelheit, Staub und Erde aus längst vergangenen Zeiten nichts, womit sie sich rein waschen konnte. Wortwörtlich.

Während der Dunkelhaarige bereits ins Geheimversteck hinab stieg, beobachtete die Jägerin ihn eine Weile von der Luke aus. Hockte mit grübelnder Miene am Rand der Öffnung und bettete das Kinn auf die Knie. Die ganzen letzten Tage hatte ihr Leben eine schiere 360° Wendung angenommen, die sie so nie für möglich gehalten hatte. Nicht nur, dass ihre Offenbarung an Enrique eigentlich keine Neuheit für ihn gewesen war, auch entdeckte sie Seiten an sich, die sie nach dem Tod ihrer Familie als ausgestorben geglaubt hatte. Wieso schaffte es dann ein Mensch wie Liam, dessen Miene wie kleine Glühwürmchen im Dunkeln leuchteten, Stück für Stück die kleinen Bruchstücke ihres vergangenen Ichs aus der Tiefe zu ziehen? Kurz kniff Skadi die braunen Augenpaare zu kleinen Schatten zusammen und seufzte.  Sie würde es wohl nie verstehen, wenn sie so recht darüber nachdachte. Womöglich war es auch ganz gut so, wenn sie die Dinge einfach geschehen ließ. Ändern konnte sie umhin nichts – schon gar keine Menschen, erst Recht nicht sich selbst. Die Wölfin in ihr würde den richtigen Weg einschlagen, wenn es an der Zeit war. Sie ließ es gern auf den Versuch ankommen.

Raschelnd erhob sich die Jägerin somit wieder zur vollen Größe und beobachtete mit einem halben Grinsen auf dem braun gebrannten Gesicht, den verzweifelten Versuch des Lockenkopfes, so viel Gold und Schmuck wie möglich in seine viel zu kleine Tasche zu stopfen. Sengend heiß schoss jäh eine Idee durch ihren Kopf. Eine Alternative die nicht nur praktisch für ihn, sondern ebenso für sie werden könnte. In fließenden Bewegungen öffnete sie das lederne Bustier um ihre Brust. Löste behände die Laschen und Verschlüsse an der Vorderseite, die daraufhin leise unter ihren Fingerspitzen klimperten. Kurz darauf glitt das grüne Kleid von ihren Schultern. Streifte wie ein Schutzschild über ihre Hüften  und entblößte die zerschundene Leinenhose, die sie darunter trug.

“Hey Liam… schau mal ob du daraus irgendwie einen Rucksack basteln kannst.“, rief sie ihm über die Luke gebeugt nach unten, hielt bereits den gefärbten Leinenstoff in den Händen. Ließ ihn dann – prüfend ob er nicht zufällig direkt unter ihr stand – wie ein Kanonengeschoss in die Tiefe fallen.  Erst als sie den dumpfen Aufprall vernahm, warf sie sich das verzierte Lederbustier  über die Schultern, verschloss die erste Lasche lose und kletterte ins Versteck hinab.

“Hast du schon irgendetwas interessantes entdeckt?“

Kraftvoll stieß sie sich von der Leiter ab und landete wie eine Katze auf dem Steinboden, während sie bereits über die Schulter zu Liam blickte. Zumindest sein Beutel sprach dafür, dass er vielleicht nicht unbedingt seine Bücher, aber reichlich Gold und Silber eingesteckt hatte.

“Ich glaube ich habe irgendwo ein paar Karten und Siegel entdeckt. Wer weiß wofür die mal nützlich sein könnten.“

Nur für einen kurzen Moment behielten die dunklen Bernsteine das Gesicht ihres Begleiters im Blick, ehe sich der dunkle Haarschopf in alle Richtungen wandte und bereits mit den Augen das tat, was sie einen Herzschlag später mit Händen und Füßen nachholte. Immer wieder hob sie eines der schweren Kissen in die Höhe in der Hoffnung, dass sie auf etwas besonders Wertvolles stoßen würde. Doch die Schatulle, die ihr vorhin noch aus dem Augenwinkel entgegen gelächelt hatte, blieb gut getarnt vor ihr versteckt. Dass ihr Busen immer wieder in ihrer Bewegung hinter dem lasch sitzenden Leder hervorblitzte, störte die Nordskov allerdings genauso wenig wie damals, als sie auf Enriques Anmerkung hin ihren einengenden Verband abgenommen hatte. Sie empfand Nacktheit nicht als etwas, wofür sie sich schämen musste. Und sie fand es albern so zu tun, als gäbe es etwas, das sie vor aller Augen geheim halten musste – selbst wenn es auf dem Marineschiff tatsächlich notwendig gewesen war, um zu überleben.

“Ach Mist… die waren hier doch irgendwo.“ Vollkommen von der Suche eingenommen, drehte sie sich langsam um sich selbst. Begutachtete die Kisten und Ablageflächen und erkannte endlich  auf einem schief hängenden Regalboden das kleine Kästchen, dessen dunkle Holzverkleidung edel und unheimlich mystisch wirkte.

“Bingo!“ Breit grinsend steuerte sie auf Liam zu, dessen breite Schultern das Regal bis zuletzt vor ihren Blicken verborgen gehalten hatte, umfasste seine Schulter sanft, aber fest mit einer Hand und streckte sich auf ihm abstützend zu der Holzbox hinauf. “Hab ich dich endlich.“  

[In einem Tunnel unter der Erde | direkt bei Liam]
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Trevor war bereits auf halbem Weg zu dem Spitzhut, als die Alleshändlerin den Namen seiner Mutter aussprach. Er lief auch noch ein paar Schritte weiter, dann fiel Gregs Pinzette in die Schüssel mit den blutigen Glasstücken und bei Trevor fiel der Groschen. Er hielt ruckartig an, fuhr herum, belastete den falschen Fuß, taumelte, stolperte, fing sich an etwas ab und brachte einen ganzen Turm erstaunlich ordentlich gefaltete Kleidung zum Einsturz. Er starrte einen Moment auf das Chaos, dann hob er den Blick und sah zu Lissa mit dem gefaltetem Papier in der Hand. Er setzte zu einem „Ich hab Talent, stimmt‘s?“ an, oder zu einem „Nix passiert, mir geht‘s gut“, vielleicht sogar zu einem „Entschuldigung“, aber was stattdessen herauskam, war:

„Was?“

Er hatte sich verhört, oder. Er hatte sich schon öfter verhört, in dem Wirtshaus im Hafen von Rhofala, auf dem Markt in Calbota, einmal sogar an Deck eines fremden Schiffes, mit dem Ellhan irgendein Geschäft hatte abwickeln wollen, zu dem es dann nie gekommen war.
Er riss seinen Blick von dem Brief los, um kurz zu seinem Bruder hinüberzusehen. Greg war kreidebleich. Trevors Augen wurden groß.

„Ja“, sagte er hastig, „ja, das sagt mir was, das sagt uns was, sie ist, also ich meine, so heißt, das ist der Name von –“ Er hielt inne, um Luft zu holen und so was ähnliches wie Ordnung in seine Gedanken zu bringen. „Was er gesagt hat.“ Er zeigte auf Gregory, weil das gerade am einfachsten war. „Unsere Tante.“

Und mehr als das, obwohl sie nie auf dieselbe Art seine Mutter gewesen war wie Felicita. Sie hatte nie seine Hosen geflickt, ihn nie nach einer Erkundungstour draußen im Gewitter gesundgepflegt und auch nie die Scheren von den Krabben in seinem Essen entfernt, als er noch ganz klein gewesen war und Angst vor ihnen hatte. Und trotzdem war Aranne der Grund, warum er hier stand, hunderte Meilen von zu Hause entfernt mit einer Donnerbüchse und einem Entermesser am Gürtel, einer Augenklappe auf der Stirn und der Tätowierung einer Sanduhr auf seinem rechten Arm. Und das hier war ihr erstes Lebenszeichen in Jahren.

„Ist der von ihr?!“ Er stand plötzlich wieder vor Lissa, ohne sich wirklich erinnern zu können, wie er dort hingekommen war. „Es ist ein Brief, ja?“

Er griff danach, bemerkte, wie seine Hand zitterte und zog sie sofort zurück, griff erneut danach, sah das Blut an seinen Fingern und drehte sich weg.

„Er sieht aber ganz schön alt aus, oder Greg? Aber vielleicht hat sie ihn ja nur auf altem Papier geschrieben oder was auch immer, ist ja nicht so, dass Schiffe in Briefpapier schwimmen würden, oder, oder es ist eben ein alter Brief, kann ja auch sein, macht aber nichts, oder? Oder Greg? Hauptsache– Aber bei allen Welten, es sind ja auch schon fünf Jahre.

Er stoppte zum Luftholen, über seinen eigenen Monolog überrascht, aber Reden half ihm immer, wenn er keine Ahnung hatte, was er eigentlich sagen sollte. Er machte ein paar Schritte in Gregs Richtung, ohne wirklich auf ihn zu achten, und drehte sich wieder zu Lissa um.

„Und er ist für uns? Der Brief? Für Gregory und Trevor? Woher weißt du das, wenn du gar nicht reingeguckt hast? Du hast nicht reingeguckt, ich hab dich beobachtet. Also die meiste Zeit zumindest, oder hast du ihn vorher gelesen? Kannst du lesen? Kannst du ihn vorlesen?“

[ An Lissas Stand || bei Lissa und Gregory ]
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