10.02.2016, 23:04
You always meet twice
16. Februar 1822Aspen Montrose & Shanaya Árashi
Shanaya schüttelte kurz den Kopf, um sich die wirr geschnittenen Haare aus der Stirn zu schütteln. Die See war ruhiger geworden, keine Wolken deuteten auf einen weiteren Sturm hin. Und so hatte sie Talin ihre Ruhe gelassen, sie konnte noch ein wenig über ihren Bruder grübeln, während Shanaya sich selbst das Schiff noch ein wenig ansehen wollte. Gestern hatte sie dazu nicht wirklich die Zeit und den Kopf gehabt, die Nacht hatte sie erst einmal einiges verarbeiten müssen... heute Morgen dann der Sturm. Also wollte sie sich jetzt ein Bild machen, auf was für einem Schiff sie hier gelandet war. Und vielleicht konnte sie dabei – ganz unauffällig natürlich – etwas über die Crew erfahren. Wenn sie einige los werden wollten wäre es ja nur zu gut, wer wirklich auf ihrer Seite stand – und wer nicht. Somit lief die Schwarzhaarige über das noch nasse Deck, ließ den Blick ein wenig schweifen, bis sie stehen blieb und den hellen Blick zum Segel nach oben richtete. Besondere, rote Segel. Sie hatte sich da ein ziemlich schickes Schiff ausgesucht.
Aspen saß doch tatsächlich mitten über dem Meer, das vor einigen Stunden noch wild am schwanken gewesen war, auf einem vergleichsweise schmalen Mast. Allein gehalten durch sein Gleichgewicht und die Höhenangst die ihn packte, als er das erste Mal nach unten gesehen hatte. Das erste Mal. Aspen konnte klettern, er war schließlich mit genügend einladenden Bäumen griß geworden, doch ihm gefiel das Schwanken auf einem so dünnen Ding überhaupt nicht. Kopfschüttelnd entschlang er die Beine auseinander, um sich mehr oder weniger elegant zurück in die vernetzten Taue gleiten zu lassen. Bei allen Welten, ihm gefielen die Masten nicht. Überhaupt nicht. Sie waren durch das Salz viel zu sprüde geworden. Doch er würde einen Teufel dafür tun ein weiteres Mal mitten auf See dort hinauf zu klettern. Das war... lebensmüde und noch dümmer als die Meuterei der letzten Nacht, der er nichts hatte abgewinnen können. Es dauerte seine Zeit, bis er mit einem Seufzen die verknoteten Taue verließ und zurück auf das Deck sprang.
Shanaya schloss einen Moment die hellen Augen und konzentrierte sich auf den sanften Wind auf ihren Armen und in den Haaren. Noch immer hatte sie nicht wirklich realisiert, dass sie dem alten Leben den Rücken kehren konnte. Endlich konnte sie nach vorn blicken, in eine Zukunft, die sie bestimmte. Sie konnte nach ihren Regeln leben. Ohne die Ketten ihrer Heimatinsel Mit diesem Gedanken und einem ruhigen Lächeln ließ sie den Kopf wieder ein wenig sinken, als es in ihrer Nähe lauter auf dem Deck wurde. Ein kurzes Blinzeln, ehe sie den Mann erblickte, bei dessen Anblick sie leicht eine Augenbraue hob. Er war da oben von irgendwo aufs Deck gesprungen... okay. Viel mehr störte sie ein anderer Gedanke. Dieser blonde Kerl kam ihr von der Seite furchtbar bekannt vor. Sie kramte also in ihrem Gedächtnis. Sie hatte nie wirklich Jemanden kennen gelernt, der es wert gewesen wäre, sich an ihn zu erinnern. Und die Gedanken, die sich bei seinem Anblick in ihre Gedanken schlichen, verdrängte sie lieber.
Aspen strich sich mich wenigen Handbewegungen durch das feuchte Gesicht, die hellen Locken zurück legend, die durch die Nässe der Segel zerzaust waren. Ihm lief im Nachhinein sogar ein Schauer über den Rücken, wenn er an die rutschigen Taue dachte. Er musste sogar darüber schmunzeln, leise in sich hinein grunzen, wenn er sich vor Augen hielt, dass er sein Leben für das Heil eines einfachen Schiffes opferte. Dämlich. Als er einen Schmene aus dem Augenwinkel wahrnahm ohne ihn wirklich einer Person zuordnen zu können, deutete er mit dem Kinn nur in Richtung Mast hinauf. "Wenn wir dem Salzwasser noch weiter die Chance geben das Holz anzugreifen, können wir bald selbst rudern", meinte er sarkastisch, doch keinesfalls angreifend. Ihm gefiel nur die drückende Stille nicht zwischen den übrig gebliebenen Crewmitgliedern, seit der nächtliche Kampf seine Opfer gefordert hatte.
Shanaya betrachtete den Mann mit leicht gehobener Augenbraue. Er wandte sich jedoch nicht wirklich zu ihr herum, sodass sie nicht sein Gesicht sehen konnte. Mit skeptischer Miene folgte sie seinem kurzen Nicken, erstarrte dann fast beim Blick nach oben, als der Blonde sprach. Oh nein, nicht wirklich. Diese Stimme... sie hatte sie nicht oft gehört. Aber das reichte aus, um sie JETZT zu erkennen. Eindeutig. Damit war ihr auch klar, wieso er ihr so bekannt vorkam. Wieder senkte sich ihr Kopf ein wenig, wog ihn dabei leicht hin und her. Was für ein herrlicher Zufall. „Ja, da sollte man dringend etwas tun.“ Ihre Stimme klang mehr beiläufig, nicht so, als würde sie wirklich auf seine Worte eingehen.
Aspen wartete einen Moment zu lange, so dass er fast dem Trug verfiel, dass seine Augen ihn getäuscht hatten und er in Selbstgesprächen enden würde. Gerade als er sich irritiert umwenden wollte, um sich selbst und seinen - hoffentlich - wachen Geist zu bestätigen, folgte eine Antwort die ihn aus der Bahn warf. Wie...? Für den Moment erstarrte er in der Bewegung, um die Klangstimme ein zweites Mal einzuordnen, um auch ja sicher zu gehen, bevor er sich umdrehte, gefasst auf das Gesicht, das sich ihm nun zeigen würde. "Du verfolgst mich doch nicht, damit wir unsere Zwangsheirat vollziehen können, Rabe?", war die einzige spontane Erwiderung die über seine Lippen kam, ohne dass er seine Überraschung verraten hätte. Zumindest fast. Denn der bis dato benutzte Titel schwang nun mehr vor Wiedererkennung, als vor Spott. Auch wenn sich seine Augen kurz verengten, als würde er dies wirklich in Betracht ziehen, so erhob er doch ergeben die Arme, trat spielerisch einen Schritt zur Seite, als müsse er sich seinem Schicksal beugen. Die Lippen verzogen sich zu eben jenem Schmunzeln, dass er zuvor noch über sich selbst gezeigt hatte.
Shanaya fragte sich einen Moment, ob sie vielleicht doch noch mit einem Kater irgendwo unter Deck lag und mit einem nervigen Traum kämpfte. Aber sie brauchte sich nicht kneifen um zu wissen, dass das Wunschdenken sein würde. Dazu hätte sie jetzt viel zu lange geträumt. Und schließlich wandte auch der Blonde sich herum, ließ mit seinem Gesicht keinen Zweifel mehr daran, WER er war. Und mit seinen Worten noch viel weniger. Shanayas Miene blieb kühl, ehe sie leise seufzte. Sie wusste nicht, ob er seine Worte ernst meinte, konnte es sich jedoch kaum vorstellen. „Oh Aspen, ich hatte so gehofft, das wir uns wieder sehen.“ Ihr Ausdruck und der Klang ihrer Stimme machten nur allzu deutlich, dass diese Worte kaum von Wahrheit geprägt waren.
Aspen ließ die ergeben gehobenen Hände langsam sinken, während das Schmunzeln geringer und seine Lippen sich mehr zu einer gezwungen lächelnden Miene zogen. Die feuchten Hände wischte er sich an der Hose ab. "Das will ich auch hoffen, nachdem wir uns trotz all der Hoffnungen und Versprechungen entzweit hatten." Die tiefe Stimme triefte nur so vor Spott, auch wenn es ihm doch in gewisser Hinsicht Spaß macht - zumindest so lange er noch ignorierte, dass das willkürliche Mädchen die Wahrheit über ihn kannte.
Shanaya beobachtete genau die Bewegungen des Mannes. Hier war keine dunkle Gasse, in die er sie ziehen konnte. Und sollte er das noch einmal vorhaben... sie hätte nicht garantieren können, dass sie sich nicht deutlich schmerzhafter wehren würde. Auch der Klang seiner Stimme sagte eigentlich genug. Wie lang war er schon auf dem Schiff? Seit Yvenes hatten sie keine Insel mehr angesteuert. Er konnte also nicht nach ihr, nach der Meuterei an Bord gekommen sein. Er gehörte also vielleicht zu denen, die sich gegen Talin als neuen Captain stellten. Es bestand also die Möglichkeit, dass er am nächsten Hafen einfach wieder verschwand, wenn sie eine neue Crew zusammen heuerten. „Und DU willst dich also einer Frau unterordnen?“
Aspen konnte nicht genau einordnen, ob Shanaya nun kurz davor war sich auf ihn zu stürzen, ob sie skeptisch über ihre Begegnung nachdachte, oder was ansonsten in dem jugendlichen Köpfchen vorging. Deswegen behielt er einfach seine Mimik gleich, eingefroren wie bei all den gesellschaftlichen Veranstaltungen zuvor. Hu? Nunja, fast. Denn kaum öffnete der kleine Rabe den Mund, hoben sich seine Augenbrauen fragend. "Einer Frau?!", fragte er gespielt entrüstet und fuhr sich über das Kinn. "Willst du mir etwa sagen, dass du nicht nur zum putzen hier bist?" Beinahe entsetzt schüttelte er den Kopf, bevor er mit der Hand über das Deck deutete und sich einladend verbeugte, als wolle er ihre Aufgaben zeigen. Belustigt verzog sich sein Gesicht.
Shanaya ließ den Blonden nicht aus den Augen. Sie misstraute ihm – und daraus machte sie keinerlei Geheimnis. Es wäre wohl besser für sie beide, wenn jeder blieb, wo er war. Nur kurz wandte sie die blauen Augen zur Seite, achtete aber aus den Augenwinkeln auf den Mann. So schnell war der Plan, sich das Schiff ein wenig genauer anzusehen zur Seite geschoben... Wobei. Wieso sollte sie sich von diesem Kerl aufhalten lassen? Als er ihre Frage überspitzt wiederholte hob die Schwarzhaarige leicht eine Augenbraue. Sie kannte ihn wirklich nicht gut genug, um zu urteilen, ob er ihr etwas vor spielte – zumindest nicht in diesem Moment. Als er sich jedoch verbeugte hob sie auch die zweite Augenbraue, ehe ihr Ausdruck einen etwas dunkleren Ausdruck annahm. „Will mir etwa ein Vatermörder sagen, was ich zu tun habe?“
Aspen hätte nicht sagen können, ob es ihm mehr Spaß gemacht hätte, wenn das versteifte Mädchen in seinen Sarkasmus mit einfiel, oder ob es ihm besser gefiel sich über ihre Kosten lustig zu machen. Nunja, immerhin teilten sie zumindest einen kleinen Augenblick ihres Lebens - weswegen er sich mit ihr wohl nicht auf Kriegsfuß stellen sollte. Das bestätigte zumindest ihr nächster Satz, auf den hin seine Gesichtszüge wieder einmal in ihrer Position inne hielten, damit sie ihm nicht entglitten. Sollte er hoch pokern und weiter spielen? Dass sie nicht in der Position war die Zeitung zu lesen? Das wäre wahrscheinlich interessanter gewesen, doch die ungewollte Anspannung in seinem Inneren ließ es nicht zu. Statt dessen fuhr er sich nur ein weiteres Mal durch die Locken. "Ein Mädchen aus deinem Stand sollte von dem Wahrheitsgehalt der Klatschblätter doch bescheid wissen?", überließ er es also ihr, sich ihren eigenen Reim auf die Schlagzeilen zu machen. Ein Schnauben folgte, das sowohl in das kleine Schauspiel passen würde, dass er sich über sie amüsierte, als auch - und dies traf wohl eher zu - eine Entrüstung darüber war, wie schnell sich solche Geschichten verbreiteten.
Shanaya konnte den Spott, den er ihr entgegen brachte mit bestem Gewissen einfach ignorieren. Es war ihr schlicht egal, und so lange er die Finger von ihr ließ, war er selbst ihr nicht minder egal. Aber diese eine Sache... das interessierte sie schon. Aber nicht, weil es sich speziell um Aspen drehte. Mit einem grüblerischen Ausdruck in den blauen Augen wog sie den Kopf zur Seite. Soso. So versuchte er sich also heraus zu reden? Auf ihrem Stand herum trampeln. „Woher willst du wissen, woher ich davon weiß?“ Herausfordernd wurde ihr Grinsen ein wenig hämisch. „Und kannst du mit reinem Gewissen sagen, dass du es nicht getan hast? Du willst mich doch nicht anlügen.“ Ihr Lächeln blieb, sie blinzelte dem Mann einige Mal zuckersüß entgegen.
Aspen trat einige Schritte auf sie zu, schlendernd, als würde Shanaya gar nicht sein Ziel bilden, bevor er sich zu ihr nach vorne beugte - den Kopf zumindest ansatzweise auf ihrer Höhe. "Warum sollte ich meine Frau denn anlügen?", fragte er scheinbar entrüstet, als würde ihn dies wirklich interessieren. Nein, er wollte nicht klein bei geben. Es gab wenige Menschen denen er die Wahrheit erzählen wollte und der kleine Rabe war keiner von ihnen. Kaum dass er sich wieder aufrichtete, spiegelte Aspen ihr hämischen Grinsen, auch wenn er keine Zähne zeigte. "Dein Gewissen, mein Gewissen - allein Gott wird uns richten", zitierte er seinen alten Inselpfarrer.
Shanaya hob den Kopf ein wenig als, als Aspen näher kam, ohne dass das Lächeln ihrerseits dabei verblasste. Sie war auf alles vorbereitet, wich jedoch auch nicht zurück, als er sich zu ihr beugte, noch näher kam. Seine Worte, zumindest diesen einen bestimmten Teil, überging sie. Sollte er sich daraus einen Spaß machen, darauf würde sie nicht eingehen. „Nun, ich weiß nicht. Vielleicht, damit ich dein kleines Geheimnis nicht herum erzähle. Ich könnte mir vorstellen, das manch einer an deinem Kopf interessiert ist...“ Mit einem nachdenklichen Ausdruck wog sie den Kopf ein wenig zum Himmel. Wenn sie es sich genau überlegte, war das gar keine so schlechte Idee. Die Erwähnung eines Gottes überging sie ebenso. Das war kein Thema, mit dem sie sich befasste.
Aspen beobachtete sie, während Shanaya den Kopf hin und her wog. "An meinem Kopf?", wiederholte er scheinbar nachdenklich. "Ach kleiner Rabe, du weißt doch, dass sich seit unserem letzten Treffen niemand mehr für mich interessieren darf außer dir." Mit einem Nicken bestätigte er seine Worte und plusterte für den Moment die Wangen auf, als würde er sich konzentrieren. "Obwohl ich seit der letzten Nacht Zweifel hege, ob wir beide zusammen glücklich werden."
Shanaya musste dem Mann eines lassen – er war hartnäckig, wenn es darum ging, sich irgendwie raus zu reden. Aber da hatte er die Rechnung ohne sie gemacht. Sie wusste nicht sicher, was und ob er getan hatte, was man sich erzählte. Aber das war definitiv Nichts, was sie einfach so unter den Tisch kehren würde. So nicht. Und so wurde ihre Miene bei seinen weiteren Worten nur ein wenig skeptischer. „Du versuchst wirklich, dieses Thema zu umgehen. Fast bewundernswert.“ Als er dann weiter sprach lachte die Schwarzhaarige einmal kühl auf. „Hast du Angst, dass du neben mir einschläfst und nie wieder aufstehst, weil dir Jemand die Kehle durchtrennt hat?“
Aspen zog nun seinerseits skeptisch die Schultern hoch. "Ich schätze dich nicht als feige ein, deswegen würden wir wahrscheinlich 'bis ans Ende unserer Tage zusammen leben'.", mutmaßte er mit einem theatralischem Blick gen Himmel. "Jemanden im Schlaf zu ermorden, nein. Das zeugt von Angst, nicht von Können." Als sein Blick sich wieder auf die Dunkelhaarige senkte, war das Schmunzeln von seinen Zügen gewichen. Ja, er war ausnahmsweise einmal ernst. "Was meinst du wie viele Feiglinge sich dem Schwanenhals angeschlossen haben, nur um nicht zu sterben?", philosophierte er fragend, als wolle er ihre Antwort wirklich wissen. Es fiel ihm schwer sich zu erinnern, ob er Shanaya bei der Meuterei gesehen hatte, auch wenn er sich an manche Momente glaubte erinnern zu können, ihre Haare durch die Luft wehen zu sehen.
Shanaya beobachtete weiterhin die Regungen des Mannes, zog bei seinen Worten die Augenbrauen leicht zusammen. Er schätzte sie nicht als feige ein? Mit dem, was er dann sagte konnte sie das ja fast als Kompliment aufnehmen. Sie war sich jedenfalls sicher, dass es ihm nicht gut tun würde, würde er ihr zu nah kommen. So wie schon einmal. Die Schwarzhaarige beobachtete still, wie sich sein Ausdruck änderte und seine Frage mit einem Mal verändert klang. Wurde er jetzt tiefgründig? Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Wer sich so seiner Angst ergibt hat bekommen, was er dafür verdient. Oder wird es noch bekommen.“ Das Lächeln wich nicht von ihren Lippen. Sie jedenfalls gehörte nicht zu dieser Sorte Mensch.
Aspen verengte auf ihr Schulterzucken hin die Augen. "Weil die Hälfte der Crew vielleicht mit dem Machtwechsel nicht zufrieden ist, müssen sie also sterben?", fragte er noch einmal nach, auch wenn es rhetorisch war. Ihm war sichtlich anzuhören, dass ihm diese Sichtweise nicht gefiel. Ein Grund mehr, warum er sich weitgehend aus der Meuterei heraus gehalten hatte. "XY war ein schlechter Mensch, kein Anführer. Seine Crew hingegen war ihm zum größten Teil gefolgt, weil ihnen in ihrem armseligem Leben nichts übrig blieb." Ein weiteres eindringliches Nicken folgte als Bestätigung. Nein, nun war es sogar in seinem Gesicht zu lesen, wie sehr ihm Shanayas Geschwafel über wegwerfbare Leben gegen den Strich ging.
Shanaya verdrehte mit einem munteren Lachen die blauen Augen. „Wer hat etwas von sterben gesagt? Leg mir keine Worte in den Mund, die ich so nie gesagt habe.“ Sie hätte nicht einmal Lust gehabt, sich mit jedem auseinander zu setzen, der sich gegen die neue 'Macht' stellte. Dass er so unbegeistert wirkte ließ sie nur weiter lächeln und sie bereute es fast, das klar gestellt zu haben. Ohje, das schien ihn ja wirklich zu verstimmen. „Aber wenn dir das nicht passt – wir steuern bald eine neue Insel an.“ Da konnte er verschwinden, wenn ihm danach war. Sie selbst blieb jedenfalls amüsiert.
Aspen hob fragend die Augenbrauen. "Dann bist du in der letzten Nacht nicht wie der Heilige Geist gegen die Anhänger XYs angetreten?", deutete er sie auf ihren Widerspruch hin. Oh, es war ja sogar schwierig für Aspen selbst gewesen nicht mitzumischen, auch wenn ihm die gesamte Meuterei nicht gefallen hatte. Mit einem weiteren Seufzen richtete er sich auf. "Nein Shanaya,", dehnte er ihren Namen, "jetzt wo du wieder bei mir bist, darf ich dich doch nicht verlassen? In guten wie in schlechten Zeiten."
Shanaya wog den Kopf ein wenig zur Seite, täuschte dabei ein stilles Seufzen an. „Ich musste mir überlegen, auf welcher Seite ich stehe. Das habe ich getan. Damit habe ich mir nicht nur Freunde gemacht. Und wenn ich die Wahl habe, jemanden zu töten, der mich angreift und mich sang und klanglos zu ergeben... was glaubst du, tue ich?“ Das Ganze hätte ruhig von Statten gehen können. Aber die liebe Männerwelt fühlte sich natürlich in ihrem Stolz verletzt, wenn sie sich plötzlich einer Frau untergeben sollten. Das war ja auch wirklich eine Schande. Nahezu widerlich. „Sie hatten die Wahl. Sie wollten kämpfen, uns töten. Das war ihr Fehler, den sie bereut haben.“ So einfach. Und das nichtmal, weil sie einfach ein böser Mensch war... es war ihr gutes Recht gewesen, sich zu verteidigen. „Und das, wo du weißt, dass ich solch ein schlechter Mensch bin.“
Aspen rümpfte die Nase. "Wie wäre es damit, sich einfach einmal aus allem rauszuhalten? Dann bräuchtest du weder dein Gewissen belasten, noch jemanden erst vor die Wahl stellen. Wenn mit jemand urplötzlich jemanden vor die Nase setzt der mir Anweisungen geben soll, würde ich mich auch wiedersetzen, sobald mir dieser Jemand nicht passt. Das ist ihr gutes Recht, wie du sagst, aber nur deswegen zu sterben ist nicht gut." Geschmeidig ließ er die Hände in die Hosentaschen gleiten. Kurz verengten sich seine Augen, als sie weiter sprach, ließ es jedoch unkommentiert.
Shanaya konnte nicht anders, als sich sichtlich über die Mimiken und Worte des Mannes zu amüsieren. „Oh, glaub mir. Mein Gewissen lebt bestens mit meiner Lebensweise. Da musst du dir keine Sorgen machen.“ Eine kurze, wegwerfende Handbewegung. „Und es ist nicht mein Recht MEINE Meinung zu sagen und mein Leben zu verteidigen?“ Eine gespielt nachdenkliche Miene legte sich auf ihre Züge. „Du kommst mir ein bisschen naiv vor, Aspen. Das Piratenleben ist hart, brutal und alles andere als ein Garten voller bunter Blumen. Du wirkst mir nicht so, als wäre das etwas für dich.“
Aspen plusterte die Wangen auf, bevor er die Luft aus ihnen entweichen ließ. "Vielleicht hat es ja doch einen Grund, warum die Meinung von 16-jährigen nicht angehört wird.", gab es zu bedenken und streckte einmal die Glieder, bevor er leise summend die Arme wieder sinken ließ. "Wirklich? Dabei mag ich Blumen so gerne." Mit einem Schulter zucken wog er den Kopf hin und her, bevor er sich nun endgültig dazu entschied zurück unter Deck zu gehen. "Weißt du, sag mir einfach nächstes Mal bescheid, wenn du anstatt Blümchen streuen wieder morden möchtest, das macht es uns beiden einfacher." Während er mit einem Nicken an Shanaya vorbei ging, hob er die Hand um sie ihr wie ein Pastor kurz aufzulegen, während er zurück unter Deck ging.
Shanaya beobachtete die Regungen des Mannes mit einer gewissen Genugtuung im Gesicht. Er wusste nicht einmal ihr richtiges Alter, spielte sich hier aber auf. Das mochte sie ja besonders gern. Was er dann weiter sagte ging jedoch genauso an ihr vorbei, sie belächelte seine Worte nur mit einer milden Miene. Vielleicht hätte ihm eine Zeit lang auf dem Schiff ihres Bruders gut getan. Da, wo ein falscher Schritt reichte, um eine Kugel im Kopf zu haben. Und es kam beinah wie erwartet, er ließ sie stehen, was die Schwarzhaarige sich selbst als kleinen Sieg zuschrieb, warf ihm nach seiner kurzen Berührung jedoch keinen Blick hinterher. „Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verletzt, liebster Ehemann.“ Das wäre wirklich jammerschade.