28.01.2022, 22:03
That‘s how we do
Morgen des 24. Juni 1822
Alex Mason & Shanaya Árashi
Mit beinahe verträumtem Blick ließ Shanaya den Blick über das Deck schweifen, ohne einem genauen Ziel zu folgen. Die Beine hatte sie über die Stufen ausgestreckt, saß auf der obersten Stufe, die zum Achterdeck führte. Keine Böe bewegte die Luft, alles schien still zu stehen. Ob es nur daran lag, dass das morgendliche Gewusel noch nicht begonnen hatte oder daran, dass es noch zu früh war… die Sonne erhellte die Welt, vertrieb die letzten Schatten der Nacht. Und Shanaya wusste nicht einmal, wie lange sie nun schon hier saß, darauf wartete, dass irgendetwas spannendes passierte. Irgendwer war sicher schon wach und ganz vielleicht hatte sie auch einfach nicht bemerkt, wie der ein oder Andere das Deck betreten hatte. Sie hing einfach weiter ihren Gedanken nach, die sie nicht greifen konnte und genoss das Kitzeln der Sonne auf ihrer Haut, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.
Den ein oder anderen hatte es scheinbar doch wieder zurück ins Traumland befördert, obwohl sich das erste Licht bereits durch die unscheinbaren Spalten zwischen den Dielen kämpfte. Ein tiefes Schnarchen dröhnte durch den Bauch der Sphinx und Alex gab schließlich auf, ebenso zu den Fröhlichen gehören zu wollen, die noch ein paar Minuten Ruhe fanden. Mit einem Seufzen schwang er sich aus der Hängematte, kratze sich mit einem missmutigen Blick in die Dunkelheit den Hinterkopf und stieg schließlich auf. Mit einem gezielten Griff in die Richtung seiner Truhe zog er ein Handtuch hervor und schlurfte Richtung Deck davon. In der Abstellkammer besorgte er sich noch einen Eimer und eines der übriggebliebenen Taue, um sich die Schwere mit einer kleinen Dusche aus den Gliedern zu treiben. Der Lockenkopf sah sich nicht groß um, genoss stattdessen die kühle Morgenluft und die Ruhe, während er mit dem Eimer Wasser förderte und sich letztlich über den Kopf goss. Dann stellte er ihn zur Seite, schüttelte kurz die Haare und griff nach dem Handtuch, das er sich über die Schultern gelegt hatte. Im Umdrehen bemerkte er eine Gestalt, die wie eine aufmerksame Katze vom Achterdeck aus nach unten spähte. „Bist du auch geflohen?“, fragte er brummig und gähnte, während er sich die Haare abtrocknend ein paar Schritte in ihre Richtung machte.
Shanaya sah den Mann aus den Augenwinkeln das Deck betreten, wie er sich mit frischem Wasser darum bemühte, wacher zu werden. Zuerst beachtete sie ihn nicht, nahm nicht einmal wirklich wahr, wer genau da aufgetaucht war. Erst als Alex‘ Stimme zu ihr durchdrang, hob die junge Frau leicht den Kopf, neigte ihn etwas zur Seite und betrachtete den nassen Kerl. Sie schmunzelte bei diesem Anblick. Das war eine verdammt gute Idee. „Ich bin eine Romantikerin, ich wollte mir den Sonnenaufgang ansehen.“ Mit ihrer rechten Hand deutete sie auf das Wasser, das das rote Licht der Sonne reflektierte. Den linken Arm schonte sie noch, auch wenn er nicht mehr in einer Schlinge vor ihrem Körper hing. „Ich gehöre zu diesen ekligen Menschen, die ohne Probleme früh aufstehen können. Aber… dich hat man wohl in die Flucht geschlagen, hm?“
Um ihr Schmunzeln zu erwidern, war es ihm zweifellos zu früh. Er musste wirklich schlecht geschlafen haben, so schwer wie sich sein Körper anfühlte. Als Shanaya dann aber auch noch anfing, von Romantik zu reden und auf das blutende Meer hinaus deutete, hob Alex die Augenbrauen und murmelte etwas von „Noch so eine…“ Das klang ja fast schon nach Liam, der – zu seinem eigenen Leidwesen – allerdings noch unter Deck den Schlaf der Ungerechten schlief, statt mit ihm zu tauschen und den Sonnenaufgang betrachten zu können. „Eklig trifft es gut.“, stimmt er ihr ohne Zögern zu und bedachte sie skeptisch. „Wobei ich ja eher Zweifel daran hege, dass das Wort ‚Mensch‘ in diesem Fall überhaupt zutrifft.“ Er war zwar Jäger, aber auch da bevorzugte er eigentlich die Abenddämmerung. „Ein Sägewerk ist nichts dagegen.“ Nah, so schlimm war es auch nicht. Aber wenn man schlecht geschlafen hatte, neigte man dazu, zu übertreiben.
Bei der Reaktion des Mannes, die die junge Frau nicht überraschte, schüttelte Shanaya leicht den Kopf. Für sie würde es immer ein Rätsel bleiben, wie man aufgrund der Uhrzeit so… knatschig sein konnte. Alex zumindest schien nicht einmal eine morgendliche Dusche helfen zu können. Armer, armer Tropf! Seine Worte entlockten ihr dann ein leises Lachen. „So kann man den Tag immerhin optimal nutzen!“ Indem man auf einer Treppe saß und seinen haltlosen Gedanken nachhing. Ganz genau. Mit diesem Gedanken erhob die Schwarzhaarige sich jedoch, zupfte kurz die Bluse zurecht und nahm mit ruhigen Schritten die Treppen nach unten auf das Deck. „Wenn ich dir also richtig auf den Zeiger gehen will, muss ich dich also einfach nur früh genug aufwecken, ja? Am besten mit Schnarchgeräuschen...“ Ein vielsagendes Grinsen galt dem Lockenkopf, als ihre nackten Füße die Planken des Decks berührten. „Darf ich mir das Mal ausleihen?“ Shanaya deutete auf den Eimer, auf das Tau.
Man sah ihm an, dass ihm der Gedanke nicht unbedingt gefiel, sie auf diesen Gedanken gebracht zu haben. Alex beobachtete sie, ohne den Kopf groß zu drehen und ließ sie abwartend näherkommen. „Musst halt nur damit rechnen, möglicherweise mit einem Kissen im Gesicht wieder aufzuwachen.“, gab er mit einer ähnlichen Leichtigkeit zurück, wie Shanaya sie in der Stimme gehabt hatte und zuckte mit den Schultern. „… Oder eben nicht mehr.“ Jetzt war da ein Hauch eines Lächelns, auch wenn das nicht bedeuten sollte, dass er nicht wirklich zu derartigen Mitteln greifen würde. „Klar, nur zu.“, wies er auf die improvisierte Dusche und machte einen Schritt zur Seite.
Das Lächeln der jungen Frau wurde bei der Drohung des Mannes noch einen Hauch breiter. „So schlimm steht es um dich, dass du eine arme, liebenswerte Dame umbringen würdest, nur, weil sie ein bisschen Aufmerksamkeit will?“ Sie setzte ihre unschuldigste Miene auf, blinzelte dem Mann sanftmütig entgegen. „Du würdest manch einem sicher einen Gefallen tun, aber… ich muss schon sagen. Ich bin wirklich TIEF verletzt.“ Ihre Stimme machte mehr als deutlich, dass sie keines dieser Worte ernst meinte. Stattdessen griff sie nach dem Eimer, ließ ihn zum Meer runter und zog ihn mit Hilfe beider Hände wieder zurück an Deck, auch wenn sie dabei die Zähne etwas fester aufeinander beißen musste. Nein, das war noch nicht ganz ausgestanden. Zuerst hielt sie den Eimer auf der Reling fest, ehe sie sich zu Alex herum wandte, nur einen Moment zögerte und das Gefäß im nächsten Moment in die Richtung des Mannes entleerte, ein amüsiertes Grinsen aufgesetzt. „Vielleicht hilft ja noch ein bisschen Wasser gegen deinen Missmut.“
„Ja.“, überlegte er nicht lange, als Shanaya ihm mit säuselnder Stimme näherbrachte, dass das doch unmöglich sein Vorhaben sein konnte. Der Sarkasmus dahinter war ihm allerdings durchaus bewusst. „Allerdings nicht, um irgendwem einen Gefallen zu tun außer mit selbst.“, stellte er dabei noch klar. „Klingt allerdings so, dass du dir nur ungern Freunde an Board machst.“ Sonst würde ihr vermeintlicher Tod sicherlich nicht manch einem als Gefallen genügen. Alex klang nicht danach, dass ihn das groß kümmern würde. Er war auch nicht unbedingt der Typ, der alles daran setzte, sich Freunde zu machen. Das Theater war ihm meist viel zu dumm. Wie sehr Shanaya es allerdings darauf abgesehen hatte, sich Feinde zu machen, hatte er zu diesem Zeitpunkt am Morgen unterschätzt. Er runzelte die Stirn, als ihre Aussage nicht direkt Sinn für ihn ergab und dann war es auch schon zu spät. Alex duckte sich weg, was ihm bei einem Eimer Wasser allerdings herzlich wenig brachte. Sein Handtuch war nass, Hemd und Hose nun ebenfalls weitaus nasser als zuvor. „Na warte.“, brummte er während eines flüchtigen Blicks an sich hinunter, ließ das Handtuch klatschend zu Boden fallen und nutzte nun seinerseits den Überraschungsmoment, indem er Shanaya packte und im Schwung zurück zur Reling hob. „Kannst du mit dem Arm eigentlich schwimmen?“, hakte er nach, und beugte die Schwarzhaarige bestimmt über die Reling hinweg. Nun blitzte doch ein Funken Spaß an der Sache in seinen dunklen Augen auf.
Alex‘ knappe Antwort ließ die junge Frau erneut auflachen, womit sie leicht den Kopf neigte. So ein Rüpel! Wie gut, dass sie das nicht wirklich persönlich nahm, so viel Humor auf die eigenen Kosten ertrug sie dann doch ganz gut. „Ich habe nicht wirklich einen Charakter, mit dem viele Menschen befreundet sein wollen… und können.“ Das war einfach eine Tatsache, ein Fakt mit dem sie sehr gut leben konnte. Ihr reichte die kleine Hand voll Leuten, denen sie traute, an die sie sich wenden konnte, wenn es nötig war. Dafür hatte er nun seine Quittung bekommen und Shanaya, ob es nun an den herum irrenden Gedanken oder der frühen Uhrzeit lag, wandte sich von dem Dunkelhaarigen ab, um einen neuen Eimer Wasser an Deck zu holen – dieses Mal wirklich für sich. Dass Alex sich postwendend rächen würde… vielleicht hätte sie sonst damit gerechnet, als sie sich jedoch in einem festen Griff wiederfand, entfloh der jungen Frau nur ein aufgescheuchtes, überraschtes Quieken.Ihr Körper spannte sich an, mit jeglicher Kontrolle unterdrückte die Schwarzhaarige dennoch das Verlangen, nach dem Lockenkopf zu schlagen, um sich zu befreien. „Probier‘s aus, wenn es dich so brennend interessiert!“ Ihre Stimme war eine einzige Provokation. Sie war für alle Fälle gewappnet.
Na, immerhin schien sie das Problem nicht auf andere schieben zu wollen, war ja auch etwas. Normalerweise war man von Frauen meist Gezeter und Schuldzuweisungen gewohnt. Da war dieser abgebrühte Realismus durchaus erfrischend. Solange sie auch mit den Individuen zusammenarbeiten konnte, die sie nicht riechen wollte, war ihm alles recht. Sie waren hier immerhin nicht auf einem Familienausflug oder einem Liebesboot. Das hier war Arbeit. Auch, wenn es viele oftmals vergaßen, weil die Grenze zwischen Arbeit und Privatem zwangsläufig miteinander verschmolz, wenn man auf See festsaß. Bei seiner Rache schien die Dunkelhaarige in erster Linie überrascht und nicht panisch, ansonsten hätte Alex vermutlich von ihr abgelassen, um spätere psychische Folgeschäden zu umgehen. Shanaya hatte allerdings nicht nur eine große Klappe um auszuteilen, sondern schien auch hier und da einstecken zu können. Das Schmunzeln in seinen Mundwinkeln wuchs zu einem Grinsen heran, als sie tollkühn noch immer die Furchtlose mimte und vermutlich auf Gnade hoffte. Sie war offensichtlich noch nicht von Liam vorgewarnt worden, dass er nur wenig Skrupel hatte. „Ah, so ist das also? Na dann.“, überlegte er noch für einen flüchtigen Moment laut, als hätte er nicht bereits beschlossen, dass sie bekam, was sie wollte. „Und hep!“ Ohne Zögern griff er um, um die junge Piratin wie gefordert über die Reling zu buchsieren.
Was sollte schon passieren? Shanaya hatte keine Angst vor Wasser, war eine ausgezeichnete Schwimmerin und auch ihr verdammter Arm würde sie schon nicht hilflos ertrinken lassen. Und da war ja auch immer noch ihr Plan, für den sie sich gerade still feierte. Dafür musste Alex nur mitspielen. Der Lockenkopf war so nett und tat genau das, womit die Schwarzhaarige sich im nächsten Moment im freien Fall befand. Nur ein (vielleicht gespielter) überraschter Ton drang über ihre Lippen, da sie sich jedoch darauf vorberietet hatte, konnte sie, kurz bevor das kalte Wasser sie in Empfang nahm, noch einmal Luft holen. Erst dann durchbrach sie die Wasseroberfläche, spürte die Kälte wie unzählige kleine Nadeln. Ab dem ersten Moment im Wasser setzte die junge Frau jedoch alles daran, untergetaucht zu bleiben. Die ersten, schnellen Bewegungen ihres verletzten Armes ließen sie etwas Luft verlieren, was dem Plan nicht ganz entgegen kam. Aber noch klappte alles und Shanaya tauchte erst einmal nicht mehr auf.
Er ging einfach mal davon aus, dass sie das nicht geplant hatte. Allerdings versuchte sie auch gar nicht groß, etwas dagegen zu tun, ober gar ihn mit in die Tiefe zu ziehen. Mit einem lauten ‚Platsch‘ nahm die See sie in Empfang und verschluckte sie fürs erste. Alex spähte über die Reling hinterher und wartete. Doch es passierte nichts. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Versteh‘ schon. Guter Versuch., sagte er zu sich selbst und verschränkte die Arme. Niemand ertrank ohne panisches Fuchteln. Um in zu beunruhigen, musste sie scheinbar noch früher aufstehen. Alex wandte sich ab und schlenderte gemütlich zum Hauptmast, um aus einem der Fässer dort die Strickleiter zu holen. Spätestens, wenn sie bewusstlos war, würde sie ganz von allein wieder nach oben treiben. Oder auf ewig im Meer versunken bleiben – dann hätte er den anderen doch einen Gefallen getan. Mist. Als er zurückkam, späte er abermals über die Reling und lehnte sich an. Im Kopf zählte er die Sekunden, die wohl schon vergangen waren.
Es passierte… nichts. Auch wenn die junge Frau die Augen ein wenig offen halten konnte, in der tiefen Dunkelheit des Ozeans erkannte sie nichts. Keine Bewegung, kein dumpfes Geräusch. Shanaya wusste nicht, wie viel Zeit sie nun schon hinter sich gebracht hatte, aber irgendwann ging auch ihr die Luft aus und zwang sie zum Auftauchen. Sie hielt es noch einige Herzschläge länger aus, ehe sie sich mit kurzen, schmerzhaften Bewegungen an die Oberfläche zurück brachte. Sofort schnappte sie nach Luft, hustete kurz und schüttelte dann die dunkel Haare aus dem Gesicht. So wenig wie möglich versuchte sie den linken Arm zu belasten, hob den Blick hoch zum Schiff – wo Alex stand und vollkommen entspannt über die Reling blickte. Na gut, ein Punkt für ihn. „Dein Mordversuch hat leider nicht angeschlagen. Aber du solltest das auch Mal versuchen. Bringt mehr als ein oller Eimer mit Wasser. Weckt die Lebensgeister.“
Eines musste man ihr lassen: Hinter ihrer großen Klappe war offenbar auch ziemlich viel Platz für Sauerstoffreserven. Dann allerdings bewegte sich ein Schatten unter der Oberfläche und kurz darauf brach auch schon die hustende Gestalt Shanayas hindurch und zurück in ihre Welt. Alex wandte sich nun gänzlich um, lehnte sich ein Stück über die Reling und blickte zufrieden auf die Dunkelhaarige im Wasser hinab. Der Schreck schien ihr aber noch immer nicht Sprache und Witz geraubt zu haben. Sehr schön. „Schade, habe mich schon so sehr auf die Lobpreisungen der anderen gefreut.“, rief er zurück und gab sich Mühe, möglichst enttäuscht zu klingen. „Aber Respekt. Knapp 50 Sekunden. Hat das deine Familie öfter mit dir gemacht, um dich zum Schweigen zu bringen?“, neckte er ungeachtet der Wirkung. Dann atmete er lachend aus, blieb ihr ob ihres Angebots vorerst allerdings eine Antwort schuldig. Stattdessen verschwand sein Kopf wieder hinter der Reling, als er die Stickleiter aufhob, an Board befestigte und sie schließlich zu Wasser ließ. Im nächsten Moment warf er schließlich tatsächlich eines seiner Beine über das Holz und folgte ihr gleich darauf hinunter in die kalten Wellen.
Shanaya grinste noch ein wenig breiter, auch wenn sie sich wirklich fragte, wie die Crew reagieren würde, wenn Alex ihnen unterbreiten würde, dass er ihre Navigatorin vollkommen unbeabsichtigt ertränkt hatte. Bei manchen fände die junge Frau dieses Wissen durchaus interessant. Nicht, weil sie sich darüber den Kopf zerbrechen wollte, einfach nur aus Interesse. Dem Großteil war es vermutlich einfach vollkommen egal. Als der Lockenkopf sich erkundigte, ob sie Übung darin hatte, die Luft anzuhalten, schluckte die Schwarzhaarige trocken. Hätte ihre Familie das mit ihr geübt, wäre sie über eine Übungseinheit vermutlich nicht hinaus gekommen. „Ich bin einfach, wie bei allem, ein Naturtalent.“ Der Mann verschwand aus ihrem Blickfeld und Shanayas Kopf wog sich ein wenig zur Seite. Dann kam eine Leiter und kurz danach Alex selbst geflogen. Shanaya blinzelte, nahm dann den Mund voll Wasser – und spuckte es direkt wieder aus. Mit Süßwasser war das deutlich angenehmer. Ein Gedanke, den sie Lucien nicht wissen lassen sollte. Sonst sorgte ihr Captain garantiert nur noch dafür, dass er sie in Salzwasser schubsen konnte. Noch einmal schüttelte sie die dunklen Haare und wartete, bis der Mann auftauchte. „Und? Ist dein Gemüt beruhigt?“
Dieses Mal hatte er sich ihre Antwort ein bisschen spannender vorgestellt, aber er gab sich zufrieden. Er nickte langsam, ungläubig, aber deutlich genug, dass sie es von unten sehen konnte. „Klar. Ich vergaß.“, schmunzelte er dann nach unten, ehe er sich dranmachte, ihnen den Rückweg zu erleichtern – denn gleich darauf sprang er hinterher, weil er keinen Grund hatte, es nicht zu tun. Das Meer war kalt. Eisig kalt, wenn man – wie Shanaya und er – eher unvorbereitet hineinsprang. Die Morgenluft war noch kühl genug, um eine Abkühlung nicht unbedingt notwendig zu machen, aber man gewöhnte sich schnell dran. Mancher Fluss, an dem Liam und er schon genächtigt hatten, war weitaus kälter gewesen. Von Shanayas Vorhaben bekam er nichts mit, als sein Kopf wieder durch die Wasseroberfläche brach und er kurz am Bauch der Sphinx hinaufsah. „Abgekühlt auf jeden Fall.“, antwortete er und schüttelte sich kurz die Haare aus den Augen. „Aber für den Rest sorgt der Rum im Haferbrei. Können wir nicht einfach zur Regel machen, dass jeder, der Schnarcht, einmal von Board geschmissen wird?“
Mit einer schnellen Bewegung strich Shanaya sich mit ihrer linken Hand ein paar nasse Strähnen aus den Augen, richtete den blauen Blick dann auf Alex, dessen Locken dem Wasser zum Opfer gefallen waren. „Braucht so eine Frisur eigentlich länger zum Trocknen als normale Haare?“ Eine, wie Shanaya fand, berechtigte Frage. Wenn auch vielleicht etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Bei seinem Vorschlag wog die Frau den Kopf etwas grüblerisch zur Seite. „Das ist gar keine so schlechte Idee…“ Ihr Grinsen wurde ein wenig hämischer. „So kann man sich auch einfach unliebsamer Crewmitglieder entledigen…“ So gut es schwimmend ging, zuckte Shanaya mit den Schultern, setzte wieder eine unschuldige Miene auf. „Huch… den haben wir wohl nach seiner Schnarch-Bestrafung vergessen...“
Auf ihre Rückfrage hin schielte der Lockenkopf nach oben und verzog ernsthaft überlegend die Mundwinkel. „Eher nicht. Hab‘ ich mir aber auch noch nie Gedanken drum gemacht, weil… Wie sie fallen, fallen sie eben.“ Er jedenfalls machte sich nicht groß die Mühe, sich groß um etwas anderes zu bemühen. Sie trockneten eben. Irgendwie. Das war der Vorteil an Locken. Und wenn sie einen störten, band man sie einfach nach hinten. Dann führte sie ihren Plan aus und Alex sah zweifellos nicht abgeneigt aus. „… Mit genug Alkohol bringt man fast jeden zum Schnarchen.“, warf er vielsagend ein, ohne die genaue Tatsache direkt auszusprechen, wohl wissend allerdings, dass es dann auch ihn treffen würde. „So, wie ich dich kennengelernt habe, hättest du sogar ganz spontan eine Liste mit der nötigen Reihenfolge, hm?“
Alex überlegte einen Moment und seine Antwort entlockte Shanaya dann ein munteres Lachen. „Das ist wohl das typisch männlichste, was ich seit einer Weile gehört habe.“ Nicht, dass sie sich groß darum scheren musste, dass ihre Haare perfekt saßen – sie taten es einfach – aber… irgendwie passte das genau in das Bild, das sie von dem Mann hatte. Sein nächster Vorschlag ließ ihre Miene dann wieder ein wenig grüblerischer werden. „Ich habe meine Reihenfolge, natürlich. Dafür hast du direkt ziemlich viele Ideen, diese Liste schnell abzufertigen.“ Mit wenigen Schwimmzügen hatte Shanaya nun die Leiter erreicht, hielt sich mit der Hand des gesunden Armes fest, wandte sich dann noch einmal zu Alex herum. „Du kannst gern noch ein paar Runden schwimmen, vielleicht bessert das deine Laune.“ Sie grinste schelmisch. „Aber… ich schone meinen Arm vielleicht lieber noch ein bisschen. Sonst gehe ich am Ende doch noch unter.“ Ein vielsagender Blick, ehe sich die Schwarzhaarige mit zusammen gebissenen Zähnen auf den Weg nach oben machte.
Er konnte ihr nicht einmal widersprechen. In manchen Dingen waren sie eben einfach gestrickt – wobei, nicht alle. James hätte ihn vermutlich entrüstet angeblinzelt und sich vorsorglich selbst noch einmal die Haare gerichtet. Aber das konnte der Schnösel handhaben, wie er wollte. „Wow. Und das, nachdem du wie viel Zeit fast ausschließlich mit Männern auf See verbracht hast?“ Zynisch hob er eine Augenbraue und schmunzelte. Sprach nicht zwingend für die Crew, was? Vor allem, wenn sie sich knallhart Piraten nannten. Allmählich verstand er, weshalb sie Liam aufgenommen hatten, als er herrenlos herumgestreunt war. „Tja. Und trotzdem denken alle, Liam wäre das kreative Köpfchen von uns beiden.“ Mit gespielter Verständnislosigkeit zog er die Schultern hoch. Dann machte sich Shanaya auf den Weg nach oben. Sie hatte lang genug so getan, als wäre sie nicht beeinträchtigt. „Fall nicht wieder runter, sonst hast du den doppelten Weg.“, gab er ihr den gutgemeinten Rat mit und verweilte noch ein wenig im Wasser, bis sich die verletzte Navigatorin nach oben gekämpft hatte. Dann folgte er.
„Den Großteil der Mitglieder kann man nicht wirklich als ‚Männer‘ bezeichnen. Zumindest verhalten sie sich nicht wirklich so. Ich setze also erst einmal auf jeden neuen, männlichen Neuankömmling“ Ein leises Schnaufen untermalte die Worte der Schwarzhaarigen, lauschte Liams Erwähnung, reagierte jedoch noch nicht darauf, warf dem Lockenkopf nur einen gespielt vorwurfsvollen Blick auf seinen Rat hin zu. Sie war sich sicher, sollte sie fallen, würde sie ihn garantiert noch einmal mit sich ziehen. Damit machte Shanaya sich auf den Rückweg, zog sich Stück für Stück nach oben. Erst, als ihre nassen Füße wieder Holz unter sich spürten, erlaubte sich die junge Frau einmal durch zu atmen. Kurz warf sie einen Blick zur Reling, ehe sie sich daran machte, die durchnässte Bluse auszuziehen. Ein wenig umständlich, aber schließlich zog sie sie über den Kopf, begann damit, sie auszuwringen. „Du bist also kreativer als Liam, ja? Spielst du auch irgendwelche Instrumente?“ Ehrliche Neugier lag in ihrem blauen Blick, während sie noch immer das Stück Stoff auswrang.
Sie schien ja wirklich viel von ihrer eigenen Crew zu halten. Alex schnaubte amüsiert, ließ sie aber ziehen. Immerhin war sie freiwillig hier – ihr stand es vermutlich wie jedem anderen Mitglied frei, an jedem Hafen ihrer eigenen Wege zu ziehen. Ihr Weg nach oben sah deutlich mühsam aus, aber Alex sah im Moment keinen Grund darin, sie damit aufzuziehen. Immerhin jammerte sie nicht und hatte nicht nur ihm den sauren Apfel präsentiert, sondern auch selbst einen Bissen davon genommen. Shanaya beschäftigte sich bereits damit, ihre Klamotten wieder zu trocknen, als er oben ankam. Tja, einfacher wäre es gewesen, hätte sie sie von Anfang an ausgelassen. Alex hätte sie nicht davon abgehalten, wäre es ihr letzter Wunsch vor ihrem unfreiwilligen Flug von Board gewesen. So großzügig war er. Er sah auf, als sie ihn wieder ansprach und sammelte gleichzeitig sein Handtuch vom Boden auf, um es ebenfalls auszuwringen. Ein Schmunzeln legte sich auf seine Züge, voller Erwartung, was sie erfahren wollte. Die Frage fiel allerdings weniger stichelnd als fast schon gewöhnlich aus. „Gitarre.“, antwortete Alex daher. „Ja, ist vielleicht nicht ganz so vielfältig wie Mr. Instrumentenwunder, aber hey. Was ist mit dir? Du wurdest doch sicher mit Instrumentenunterricht zugeworfen als Kind.“ So war das doch in der High Society.
Mit einem prüfenden Blick behielt Shanaya Alex im Auge, als auch er das Deck betrat. Er kümmerte sich nur um das Handtuch, wrang es aus und Shanaya machte einen Schritt zur Reling, hing die Bluse in die Sonne. Entweder besaß er genug Anstand oder er gehörte, wie die meisten Männer auf diesem Schiff, zu denen, die den Anblick einer nackten Frau verschmähten. Wenn die ersten an Deck kamen, würden sie sich vermutlich nicht einmal wundern, wieso sie halbnackt herum rannte. Das tat sie ja nun wirklich nicht selten. „Dann hast du dich doch bestimmt mit deinem Freund zusammen getan, um gemeinsam Musik zu machen?“ Das war auch etwas, wo sie sich Liam gut vorstellen konnte. Immerhin war er es auch, der das Lied für die Sphinx geschrieben hatte. „Wie kommst du darauf?“ Wieder lag ehrliches Interesse in Shanayas Stimme. Inzwischen war es kein wirkliches Geheimnis mehr, woher sie stammte, aber es schien größere Wellen zu schlagen, als sie geglaubt hatte.
Sein Handtuch würde ihm nicht wirklich viel bringen, so nass, wie es bereits war. Kurzerhand hing er es also auch über die Reling in die aufsteigende Sonne und würde eben an der Luft trocknen. „Nicht in erster Linie, aber auch.“, korrigierte er sie und lehnte sich rücklings an die Reling, um der Dunkelhaarigen ungeniert bei ihrem Treiben zuzusehen. Sein Blick ruhte dabei oftmals auf ihrem Gesicht – jedenfalls oftmals dann, wenn sie hinsah. Die Unschuld ihrer Frage hätte man ihr ebenfalls glatt abnehmen können. Aber Alex bezweifelte, dass sie sie wirklich überraschte. „Ach komm. Willst du mir erzählen, dass die Árashis keinen Wert auf all diesen Wohlhabendenkram legen?“ Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen und musterte das Mädchen abermals, ehe er sich zufrieden lächelnd abwandte. „Dafür übrigens, dass du dich das letzte Mal so geniert hast, ging die Sache mit dem Ausziehen dieses Mal recht flott.“
„Dein Freund hat ein Lied für die Sphinx geschrieben. Dann bist du doch sicher dabei, das musikalisch umzusetzen.“ Sie musste sich Liam dazu unbedingt noch einmal packen, egal, ob Alex sich daran beteiligte oder nicht. Die Erwähnung ihrer Familie ließ sie dann jedoch kurz blinzeln. Sie sprach nicht mit jedem darüber, der ihr über den Weg lief, aber sie machte auch kein riesiges Geheimnis aus ihrer Familie. Auch, wenn sie dem Mann gewiss nicht genug traute, um ihm… gewisse Einzelheiten zu erzählen. „Glaub mir, der Fokus meiner Familie lag gewiss nicht auf meiner Kreativität. Das hätte nur einen weiteren Hauslehrer bedeutet, den ich in den Wahnsinn hätte treiben können.“ Was er dann von sich gab, entlockte der jungen Frau ein amüsiertes Lachen. Wieder setzte sie eine vollkommen unschuldige Miene auf. „Sieh es als… Akzeptanz der Aufnahme in der Crew. Ich präsentiere mich eben nicht jedem auf Kommando. Dann könnte ich dafür auch direkt Geld nehmen.“ Und sie war sich sicher, es würden genug Leute dafür bezahlen.
„Hat er?“ Alex hatte bislang noch nichts davon gehört, aber, waren sie ehrlich, es hatte Wichtigeres gegeben. Außerdem war es nicht sein erstes und nicht sein letztes Lied. Dass die Umsetzung bislang aber eher auf Eis lag, hörte er aus ihren Worten. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sich Liams Hand noch immer weigerte, so ganz zu gehorchen. Aber diesem Problem nahmen sie sich an. Und dass er inzwischen zumindest schon wieder nach der Gitarre griff, um zu üben, war ein gutes Zeichen. „Mal sehen. Zählt das als Arbeitszeit?“, fragte er dann halbernst nach. Die Familie Árashi schien jedenfalls kein gutes Thema zu sein und Alex gab sich damit zufrieden. Vorerst. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um mehr darüber herauszufinden. Fakt war: Sie wäre nicht hier, hätte es ihr dort sonderlich gut gefallen. Und dass sie hier war, war den feinen Herren sicherlich ebenso nicht genehm. Er nickte also nur langsam und wechselte das Thema zu erfreulicheren Dingen. „Ohhhh, welch Ehre.“, lachte er dann. „Zugegeben, damit kann nicht jede Crew werben.“ Die meisten schafften es nicht mal, mit einer angezogenen Frau zu werben. „Solange das bei euch nicht insgesamt so ein Ding ist und ich mir jetzt auch noch jeden kleinen Schniedel ansehen muss.“
Shanaya lachte, wog den Kopf dann überlegend von einer zur anderen Seite. „Wenn du es den Captains gegenüber geschickt verpackst, geht das bestimmt als Arbeitszeit durch.“ So wirklich konnte sie sich das nicht vorstellen, aber einen Versuch war es doch allemal wert. Shanaya zeigte es dem Dunkelhaarigen nicht, aber sie war froh, dass er das Thema ‚Árashi‘ ruhen ließ. Wirklich mehr hätte sie dazu so oder so nicht zu sagen gehabt, also war es so allemal besser. Mit seinen nächsten Worten deutete die Frau eine leichte Verbeugung an. So langweilig ein Teil der Crew ist, so besonders sind eben manch andere Teile.“ Natürlich zählte sie sich zu diesem besonderen Teil, das stand außer Frage. Es schauderte sie jedoch bei seinen nächsten Worten deutlich. „Da bin ich ganz bei dir. So sehr ich mir auch manchmal nackte Menschen ansehe… manche sollten ihre Kleidung lieber anbehalten.“
Er bezweifelte es. Und wenn – sollte sich DAS herumsprechen! – hätten sie bald vermutlich ein Schiff voller Barden, die munterfröhlich ihr Geld verdienen wollten. Shanayas Stimme klang allerdings durchaus scherzhaft genug, um zu wissen, dass sie es nicht ernst meinte. Als sie sich schließlich vor ihm verbeugte, hob er das Kinn ein wenig an. Wirklich, es gab schlimmeres als Mann, als dass sich eine Frau oben ohne vor einem verbeugte. Es gefiel ihm, so ehrlich war er. Außerdem schienen sie sich recht einig in ihrer Vorstellung, nicht jeden zwangsläufig so zu Gesicht bekommen zu müssen, wie er zur Welt gekommen war. „Ein Glück, dass die Kleidung erfunden wurde.“, stimmte er ihr zu. „Tja, auf die Revanche wirst du aber leider warten müssen. Ich ziehe mich nicht einfach vor jedem aus und beweisen muss ich dir auch nichts.“ Mit jedem Wort wurde der Ton in seiner Stimme eindeutiger und verdeutlichte, dass er sinngemäß das nachäffte, was sie ihm an jenem Tag in der Werft an den Kopf geworfen hatte. Er zwinkerte und sammelte den Eimer vom Boden auf.
Mit beiden Händen strich Shanaya sich die nassen Haare aus dem Gesicht, ließ den blauen Blick dann kurz zu der Sonne schweifen, die noch ein wenig weiter gestiegen war. „Was das angeht – auf jeden Fall.“ Da sie ihre Zeit jedoch am liebsten ohne besagten Stoff auf der Haut verbrachte und das gesellschaftlich nicht sonderlich akzeptiert war… Aber es hatte schon einen Grund, wieso sie auf einem Piratenschiff gelandet war, mit eigenen Regeln. Nur kurz setzte sie bei Alex‘ Antwort eine gespielt entsetzte Miene auf, grinste dann aber wieder amüsiert. „Mit den eigenen Waffen geschlagen, hm? Ich denke, ich komme damit klar, sollte mir irgendwann danach sein, dich nackt zu sehen, komme ich drauf zurück.“ Sie zwinkerte dem Dunkelhaarigen zu, ließ den Blick dann aufmerksam über das Deck schweifen, als er sich um den Eimer kümmerte. „Wir sind jetzt jedenfalls wacher als der große Rest, der jetzt irgendwann von den Toten auferstehen sollte.“
Um über Shanayas Vorliebe zur Freizügigkeit genaustens im Bilde zu sein, hatte er bislang einfach zu wenig Zeit auf diesem Schiff verbracht. Er hatte kein großes Problem damit – im Gegenteil. Besonders, wenn es sich dabei um die Frauenwelt der Sphinx handelte. Er schmunzelte Shanaya auf ihre Antwort hin verstehend zu, ehe er dazu überging, sie ein wenig aufzuziehen. Und sie nahm es – wie erwartet – mit Humor. Fast hätte man es sogar als unterschwelliges Angebot verstehen können. Er erwiderte ihr Grinsen unscheinbar und wog den Kopf in einer Geste, dass dies wohl eine faire Abmachung war. „Willst du nachhelfen?“, fragte er dann und hob mit unschuldiger Miene den Eimer empor, den er vom Boden aufgesammelt hatte. Jetzt war er wirklich gespannt. Jemanden zu haben, der Ceall zufällig einen Eimer Wasser überleerte, während Alex ganz unschuldig daneben stehen konnte, würde dem Blonden so gar nicht schmecken. „Wobei der Wind heute eher nicht auf unserer Seite ist. Da bringt auch keine Crew etwas, die voll Tatendrang übers Deck eiert. Da ist die Ruhe vielleicht doch die bessere Alternative.“
Vielleicht war es die Müdigkeit, die Shanaya tief in den Knochen steckt, oder aber die schlichte Erwartung an Alex, weil er eben ein Mann war. Er hob den Eimer etwas an und damit war die junge Frau sich relativ sicher, dass er mit seiner Frage darauf abgezielt hatte, ob sie ihm beim Ausziehen behilflich sein wollte. Kurz fuhr sich die Schwarzhaarige mit einer Hand durch die nassen Haare, grinste dem Lockenkopf dann amüsiert entgegen. „Ich fürchte, wir sind heute schon zu spät, wenn man den lauter werdenden Stimmen glauben kann. Aber… das behalten wir auf jeden Fall im Hinterkopf. Das wird nicht der letzte Morgen sein, an dem ich so früh wach bin.“ Sie senkte den Kopf ein wenig, blickte dem Mann leicht von unten entgegen, auf den Lippen ein hämisches Grinsen. „Pass also gut auf… Nicht, dass du mein erwähltes Opfer bist. Wo ich jetzt weiß, wie gut deine Laune so früh morgens ist.“
Das Schmunzeln in seinen Mundwinkeln verschwand, als Shanayas Antwort nicht so ganz zu dem passte, was ihm vorgeschwebt hatte. Sein Blick verlor sich im Horizont, während er ihrem Gedanken zu folgen versuchte, es aber recht bald aufgab. Er hatte eher daran gedacht, einem der verschlafenen Schnarchbeulen unter Deck ebenfalls mit einer nassen Dusche auf die Beine zu helfen. Dann allerdings klang es doch wieder so, als hätte sie sein Vorhaben durchaus verstanden. Vielleicht war es einfach noch zu früh, um irgendwem gedanklich zu folgen. Alex gab es endgültig auf. „Wenn du das Echo verträgst.“, zuckte er unbeeindruckt mit der Schulter. Das nächste Mal würde er sie eben ein bisschen länger schwimmen lassen. Er hatte da nur wenige moralische Konflikte mit sich selbst. „Was meinst du, wie lange wir noch bis Ritu brauchen? Ich würd‘ mich gern nochmal in Ruhe vom Zustand es Schiffs überzeugen."
Aus den Augenwinkeln erkannte die Shanaya die Veränderung auf der Mimik des Mannes, schmunzelte darüber. Was auch immer das nun genau verursacht hatte, es amüsierte die Schwarzhaarige, genau wie die Worte, die kurz darauf folgten. Angestrengt tat sie so, als müsse sie genau überleben. Konnte sie mit Konsequenzen leben? Eine gute Frage. „Ich glaube, wenn keine Konsequenzen folgen würden, könnte ich dich eh nicht mehr ernst nehmen.“ Und das war eine Tatsache, sie konnte nicht mit Menschen, die einfach alles hin nahmen. Seine Frage, so aus dem Zusammenhang gerissen, ließ die junge Frau kurz aufmerken, ehe sich ihr blauer Blick nun selbst auf den Horizont richtete. „Wenn wir gute Fahrt machen, nicht mehr als ein paar Tage. Wenn du also jeden Winkel untersuchen willst, solltest du dich ran halten.“
„Dann sind wir uns ja einig.“, schmunzelte er mit leiser Vorfreude und verschränkte die Arme vor der Brust, nur um sie gleich wieder zu öffnen. Die nassen Klamotten klebten unangenehm an seinem Körper. Alex rümpfte die Nase, flüchtig nur, ehe er sich wieder der Dunkelhaarigen zuwandte. „Die groben Dinge sind längst erledigt. Alles andere bietet sich vermutlich eher an, wenn wir in irgendeiner Bucht vor Anker liegen. Deine Route sollte also schnell genug sein, damit uns die Sphinx nicht unter’m Arsch wegbricht.“ Sie wussten wohl beide, dass diese Drohung leer ausgehen würde. Seiner Einschätzung nach war die Sphinx seetüchtig genug, um das Ziel zu erreichen – musste sie auch, denn einen andere Möglichkeit hatten sie nicht. „Aber erstmal“, begann er dann bedeutungsschwer und klaubte den Eimer vom Boden auf. „- hole ich mir einen Kaffee.“ Manch anderer hätte ihr wohl ebenso einen angeboten. Aber Alex war kein Gentleman. Das war nichts Persönliches. „Solltest du vielleicht auch, früher Vogel.“ Mit einem Lächeln wandte er sich zum Gehen und verschwand unter Deck, um sich erst einmal um trockene Klamotten zu kümmern.