08.11.2018, 18:25
Auf einer einsamen Insel im ehemaligen Herzogtum Birlan
Aspen & Lucien
23. März 1822 | Abends | am Heck der Sphinx
Mit sicheren Handgriffen, die von der jahrelangen Gewohnheit zeugten, zurrte Lucien das schlanke Tau fest, das zwei der drei Fässer im Heck des kleinen Beiboots an den Halterungen unterhalb der flachen Reling fixierte. Scheinbar willkürlich überspannte das Seil die bauchigen Formen, doch als der junge Captain probehalber an einem der Fässer zu rütteln versuchte, bewegte es sich keinen Millimeter weit. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, ihn überwältigte auf der kurzen Strecke zwischen der Sphinx und dem nahen Strand ein schwerer Sturm, würde er zumindest diesen Teil seiner Fracht nicht verlieren.
Das dritte Fass ebenso sorgfältig zu sichern, daran machte er sich einen Moment später. Mit Greos Hilfe hatte er die leeren Behälter am Mittag an Deck geschafft und sie für die Aufnahme von frischem Trinkwasser vorbereitet, sie also auf Schäden geprüft und mit Salzwasser gründlich gereinigt. Im Fußraum des Bootes lagen bereits zwei Fackeln, dick in Brennöl getaucht, um die Fässer an Land noch ein letztes Mal auszubrennen, bevor sie schlussendlich mit frischem Wasser befüllt werden konnten. Das zumindest war die Aufgabe, die er sich für diesen Abend vorgenommen hatte.
Doch da das größere Beiboot der Sphinx bereits am Strand lag, weil einige andere Crewmitglieder am Nachmittag zur Insel hinüber gefahren waren, blieb dem 21-Jährigen nichts anderes übrig, als das kleinere der beiden Boote fertig zu machen, das in einer Halterung am Heck des Dreimasters vertäut war. Und das wiederum hieß, dass er wohl mehr als einmal hin und her fahren würde, um alle Fässer zurück zur Sphinx zu schaffen. Immerhin standen noch drei weitere bereits am Strand – zusammen mit dem großen Kessel, in dem das Trinkwasser vor dem Umfüllen abgekocht werden sollte. Auch diese Dinge waren am Nachmittag bereits zur Insel geschafft worden.
Geschickt fädelte Lucien das Ende des Seils ein letztes Mal um das dritte Fass, zurrte einen festen Knoten, um es am Holz zu fixieren und vertäute das ganze dann wieder an den Halterungen in der Bordwand. Nur um das ganze Spiel auf der anderen Seite zu wiederholen. Das Beiboot schaukelte dabei leicht über dem Boden und die eisernen Seilwinden, mit denen man das Boot schließlich zu Wasser lassen konnte, quietschten vernehmlich. Ansonsten unterbrach kein anderes Geräusch seine Arbeit, außer das leise Knattern des Windes in den eingeholten Segeln und das ferne Rauschen der Wellen, die sich am Strand brachen.