28.01.2018, 23:40
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» Ernährung an Bord
Die medizinische Versorgung war - wie auch frische Lebensmittel - eher Mangelware an Bord eines Piratenschiffes. Die wenigsten Crews hatten das Glück, einen Arzt in ihrem Dienst zu haben, der fähig genug war, sich um ernsthafte Krankheiten zu kümmern. Die meisten Mediziner dienten am Hofe, nur sehr wenige verirrten sich auf ein Schiff. Denn die Bezahlung war schlecht und im Falle einer Enterung durch Piraten bestand die große Gefahr, als Geisel genommen zu werden. Für sie zu arbeiten war dann die einzige Chance, am Leben zu bleiben.
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Daraus ergab sich für eine Piratencrew allerdings häufig ein weiteres Problem. Bei vielen Medizinern an Bord eines Schiffes handelte es sich, wenn überhaupt, lediglich um Chirurgen. Sie konnten also Gliedmaßen amputieren, Wunden versorgen – für Innere Medizin waren sie meist nicht ausgebildet. Doch noch viel häufiger als richtige Mediziner stellten ehemalige Barbiere mit zweifelhafter Geschichte oder Quacksalber unterschiedlichster Arten die Schiffsärzte auf Handels- oder Piratenschiffen. Schwere Krankheiten, die nicht mit dem bloßen Abtrennen eines Arms erledigt waren, stellten fast jeden von ihnen vor Rätsel.
Als eine der häufigsten und gefährlichsten dieser Krankheiten galt Skorbut, der bereits ganze Crews dahin gerafft hat. Es hatte also gute Gründe, dass jeder Seemann diese Erkrankung fürchtete. Sie wurde durch einen Mangel an Vitamin C hervorgerufen, dem allerdings nur schwer beizukommen war. Denn Schiffe, die teilweise monatelang auf See unterwegs waren, hatten in der Regel keine Möglichkeit, frisches Obst zu transportieren. Es verdarb viel zu schnell und das, was länger hielt, fiel oft den Maden zum Opfer.
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Die Symptome für Skorbut waren zahlreich – genauso wie die Mythen um eine Heilung. Die Erkrankten litten unter starkem Durchfall, hohem Fieber, Zahnfleischbluten bis hin zu Zahnverlust, dauernder Müdigkeit und Muskelschwund. Manch ein Arzt empfahl daraufhin, den Erkrankten einen Tag lang bis zum Hals in Erde einzugraben; ein anderer einen Einlauf mit Salzwasser. Die Symptome, die etwa nach zwei bis vier Monaten ohne Vitamin C auftraten, linderte jedoch weder das eine noch das andere. Heilungschancen bestanden nur in der Aufnahme von Vitamin C – andernfalls führte diese Krankheit unweigerlich zum Tod.
Weitere Quellen für zahlreiche Krankheiten an Bord eines Schiffes waren die fehlende Hygiene und die schlechte Belüftung, die Nährboden für unsichtbare Keime bildeten. Das und die unzureichende Beleuchtung stellten die Schiffsärzte vor weitere Probleme, wenn es darüber hinaus um die Versorgung von Wunden ging. Denn zu Verletzungen aller Ausmaße - vom kleinen Schnitt bis zu Brüchen oder Schusswunden - kam es zu jeder Zeit. Entweder während eines Kampfes, während des Arbeitsalltags oder schlicht ein Unfall im betrunkenen Zustand.
Das einzige, was zur Verfügung stand, um Wunden sauber zu halten, waren Salzwasser - in dem sich oft selbst Schmutzpartikel befanden - und Alkohol - je hochprozentiger, desto besser. Kleine Wunden aus Gefechten ließen sich damit gut versorgen, größere Verletzungen brauchten mehr als das. Doch egal, ob mit Alkohol desinfiziert oder nicht, viele Wunden entzündeten sich und die Versorgung mit Medikamenten war oft dürftig. Nicht selten wurde an Verletzungen herum experimentiert: Es wurde genäht, wieder geöffnet, abgeklemmt oder ausgebrannt und mit selbst gemischten Salben und Tinkturen eine Heilung versucht. In manchen Fällen blieb jedoch nicht viel übrig, was man noch tun konnte. Aus manch anfangs kleiner Verletzung wurde dann der Verlust einer Gliedmaße – und im schlimmsten Fall sogar der Tod des Betroffenen.
Besonders bei offenen Frakturen bestand ein hohes Infektionsrisiko, weshalb man sich hier schnell für eine Amputation entschied, um dem Patienten das schmerzvolle Fieber zu ersparen und sein Leben zu retten. Andere Frakturen wurden geschient, entweder mit Holz oder einem anderen harten Gegenstand, der dabei half, das gebrochene Körperteil ruhig zu halten. Aber nicht selten wuchsen die Knochen schief zusammen, was neben der eingeschränkten Arbeitskraft Schmerzen mit sich brachte – und auch das führte letztendlich oft zu einer Amputation.
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Kleinere Wunden konnten mit heißem Eisen ausgebrannt werden. Dazu wurde meist eine Klinge in offenes Feuer gehalten, bis sie heiß genug war, um auf die Wunde gedrückt zu werden. Diese schmerzhafte Methode stillte Blutungen recht zuverlässig, hinterließ jedoch deutliche Narben und schützte auch nicht vor Wundinfektionen.
Anästhesie gab es in diesem Sinne nicht, die einzige 'Betäubung' auf die man bei solchen Operationen zurückgreifen konnte, war Alkohol. Trotzdem litten die Betroffenen Schmerzen, sodass sie von anderen Crewmitgliedern festgehalten werden mussten. Das Beste, was einem Patienten in einem solchen Fall passieren konnte, war, das Bewusstsein zu verlieren und so nichts von der Prozedur mitzubekommen.
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- Weiterführende Links
» zm-online - Allrounder mit beschränkten Mitteln
» GeschiMag - Geschichte der Schiffsmedizin
Bildquellen
Schiffsarzt - zeitgenössischer Stich, britische Privatsammlung
Zitronen - https://www.flickr.com/photos/jeepersmedia/15134750115/
Tinktur - https://www.flickr.com/photos/archeon/192691553/