Das Team der Inselwelten heißt euch herzlich Willkommen und steht euch bei allen Problemen mit Rat und Tat zur Seite. Bei den Piratenoberhäuptern findet ihr eine helfende Hand für eure Fragen.
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Liam Casey ist 25 Jahre alt und wurde unter den Sternen der ersten Welt auf der Insel Yvenes geboren. Dieser mutige Pirat reist als Seemann durch die Meere der Inselwelten und plünderte mit der Crew bereits auf 149 Streifzügen in 50 Tavernen.
Habseligkeiten
ein Lederarmband mit drei bearbeiteten Amethysten, eine Geige aus Schwarznuss, eine mysteriös-eisige Schatzkarte, Ginsterkatze Sineca, ein silbernes Diadem
Körperliche Verfassung
Uneingeschränkt mit leichter Belastungsdyspnoe.
Vormittag des 18. Juni 1822
Skadi Nordskov & Liam Casey
Das erste, was sich zurück in sein Bewusstsein kämpfte, war ein Stechen in der Schläfe. Mit einem leisen Ächzen drehte er sich von der Seite zurück auf den Rücken. Die Hängematte kam ihm ungewöhnlich hart vor an diesem Morgen und auch die Geräusche waren irgendwie anders als sonst. Er fühlte sich wie nach einer durchzechten Nacht. Nur fehlten die Erinnerungsfetzen an eine ausgelassene Feierei. Stattdessen war da Rúnar, eine Lampe und ein Drache. Langsam, ohne die Augen zu öffnen, wollte er die Hand heben, um sich die Augen zu reiben, zog sie aber rasch zur Seite, als er an etwas an seiner Bettkante hängen blieb und wählte somit doch den Schnellstart. Es dauerte einen Herzschlag, bis sich der Schleier vor seinen Augen legte und er Skadi erkannte, die in einer augenscheinlich eher unbequemen Lage mit dem Oberkörper auf der Bettkante zu schlafen schien. „Skadi…“, murmelte er. Beim Umsehen verstand er auch, weshalb sich seine Hängematte heute so komisch angefühlt hatte. Das Lazarett. Die Vögel. Rúnar. Ihr improvisierter Plan. Dann fehlte etwas in seinen Erinnerungen. Die Suche danach verhinderte der Kopfschmerz, also ließ er es bleiben. Stattdessen kniff er noch einmal die Augen zusammen und richtete sich auf. Der Anblick Skadis hinterließ ein blasses Lächeln auf seinen Lippen. Vorsichtig, ohne die Absicht, sie zu wecken, streckte er die Hand aus und fuhr ihr sanft übers Haar. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Ihre Nacht konnte unmöglich erholsam gewesen sein.
Krallen streckten sich nach ihr aus. Spitz und schuppig. Sie wich gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor der Vogel ins Geländer krachte und dicke Holzsplitter in die Luft stoben. Isala schrie in ihrem Rücken. Ohrenbetäubend. Und als sie sich herum wandte, den Blick weit geöffnet, berührte sie etwas am Hinterkopf. Schlagartig löste sich ihre Hand vom Bett und schnellte um das Handgelenk des Musikers. Zog es in einer ruckartigen Bewegung zur Seite, in der sie Liam beinahe mehr als unsanft aus dem Bett katapultierte. Wie ein erschrockenes Reh starrte sie zu ihm hinüber. Mit aufgerichtetem Oberkörper und vor Adrenalin pochendem Herzen. Und realisierte erst Sekunden später, dass sie geträumt hatte. Dass sie wohl neben Liam eingeschlafen war, als sie das letzte Mal nach ihm hatte sehen wollen. Augenblicklich lockerte sie ihre Finger, ließ von ihm ab und schluckte betroffen. „Tschuldige... hab ich dir weh getan?“ Ihre Augen wanderten von seinem verzerrtem Gesicht auf den Rest seines Körpers - weitgehend unversehrt, wenn man von seiner Hand absah.
Er hatte sich das anders vorgestellt. Zugegeben – hätte er einen Moment länger darüber nachgedacht, wäre ihre Reaktion vermutlich nicht ganz so überraschend ausgefallen, wie sie es jetzt tat. Mit brummendem Schädel, unheimlich schweren Gliedern und einer benebelten Erinnerung, die nicht damit herausrücken wollte, was die letzten zwölf Stunden passiert war. Im Grunde hatte er Skadi noch nicht einmal richtig berührt, als sie schon hochfuhr und seinen gesamten Körper nur an seinem Handgelenk herumwendete. In erster Linie, weil Liam ihrer Bewegung nachgab, um weitere Schmerzen oder gar einen Bruch zu verhindern. Noch ehe er es gänzlich realisiert hatte, fand er sich ungemütlich zusammengefaltet am Fußende wieder. Der Schreck stand der Nordskov förmlich ins Gesicht geschrieben. Liam bemühte sich um ein Lächeln. Er brauchte einen Moment, bis sich seine Züge wieder entspannten und er nicht mehr damit rechnete, im nächsten Augenblick tatsächlich noch mehr davonzutragen als erhofft. „Alles gut. Jetzt weiß ich wenigstens, dass ich nicht träume.“ Oder tot war. Seine Stimme klang etwas atemloser als sonst, doch das unangenehme Ziehen ließ bereits nach. Möglichst unauffällig rieb er sich das betroffene Handgelenkt mit der anderen Hand, zog die Beine unter seiner ungemütlichen Position heraus und setzte sich auf. „Ich wollte dich nicht wecken. Hast du die ganze Nacht dort gekauert?“ Er war sichtlich berührt, aber auch sein schlechtes Gewissen war ihm deutlich anzusehen, als er eine einladende Geste auf die Pritsche machte, die er für die Nacht wohl sein Eigen genannt hatte.
Sie wollte sich erheben. Mit beiden Händen vom Rand des Bettes abstützen, um ihm zurück auf seine fünf Buchstaben zu helfen. Doch Liams Lächeln nagelte sie an Ort und Stelle fest. Der Schreck saß wohl für einen Bruchteil von Sekunden in ihrer beider Knochen. Somit seufzte sie. Etwas erleichtert, dass sie ihn nicht gänzlich vom Krankenbett geschleudert und ihm irgendwas gebrochen hatte. Seltsame Vögel und eine unkooperative Handelsschiffsbesatzung reichten wohl für die nächsten paar Tage. Zumindest würde sich Skadi in nächster Zeit nicht über zu wenig Abenteuer beschweren - wenn sie es je zuvor getan hätte. „Ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht doch noch das Gift aus dem Schrank abbekommen hast.“, brummte sie kleinlaut und presste die Lippen aufeinander. Taktierte ihn mit ihren Blicken, damit er sehr genau wusste, wie dumm es gewesen war, sie nicht sofort zu sich zu rufen. Gregory hatte sie bereits die Leviten gelesen, nachdem er sie endlich in die Vorkommnisse eingeweiht hatte. Liam selbst war dafür zu schwach und größtenteils bewusstlos gewesen. „Und dabei hatte ich gedacht, dass dieser Platz der beste Aufbewahrungsort für meine Gifte ist... vielleicht sollte ich doch nicht mehr Trevor als Maßstab für meine Sicherheitsstandards nehmen.“ Auch wenn der Anflug eines Schmunzelns über ihren Mundwinkel zuckte, schnipste sie Liam tadeln gegen die Brust. Kletterte bei seiner Geste bereits über die Bettkannte und ließ sich schwer seufzend neben ihm auf der Pritsche nieder. „Wie geht's dir? Du hast gestern furchtbar ausgesehen.“
Skadis Züge machten kein Geheimnis daraus, dass sie verstimmt war. Liam erinnerte sich zwar nicht genau daran, aber irgendetwas in seinem Gedächtnis regte sich und sagte ihm dass sie das Thema bereits hatten. Der Lockenkopf verzog die Lippen, nahm sich aber vor, das Thema gar nicht weiter zu vertiefen – im Gegensatz zu Skadi, die ihn zwar mit neckendem Unterton, aber ohne Zögern der Gefahr gleichsetzte, die Trevor allgemein für allerlei Dinge verbreitete. „Als die Sphinx fast gekentert ist, ist alles Mögliche aus den Schränken gefallen. Es war Pech, mehr nicht.“, zeigte er leise Reue und gab scherzhaft ihrem Tadel nach. Als sie nach seinem Befinden fragte, verengte er die Augen und blinzelte ein paar Mal, um seine Antwort genauer auszuloten. „Ich fühle mich, als hätte ich drei Nächte durchgemacht. Ohne Schlaf. Und ohne dem Alkohol auch nur einmal abzuschwören.“ Er rieb sich die Stirn, doch die Kopfschmerzen ließen sich dadurch mit Nichten vertreiben. „Wie lange war ich weg?“ Skadis ‚gestern‘ entschärften seine schlimmsten Befürchtungen zwar bereits, aber er wollte sicher gehen, dass es nicht wirklich drei Nächte gewesen waren. „Und Rúnar. Wie geht es Rúnar?“
Wenn er nur die Kopfschmerzen waren, konnte er sich in ihren Augen mehr als glücklich schätzen. Im besten Fall hatte er sich ihr hochprozentiges Kamillenfläschchen einverleibt. Andernfalls hätte sie wohl wahrhaftig Himmel und Hölle in Bewegung setzen müssen. „Das Glück des Straßenköters, was?“, schob es sich mit einem hörbaren Schmunzeln zwischen ihren Lippen ins Freie, ehe sie ihm liebevoll mit dem Ellenbogen in die Seite pikste. „Ich schätze einen halben Tag und die ganze Nacht.“ Ehrlich gesagt hatte sie dank des Nebels ein wenig das Zeitgefühl verloren. Es konnte auch gut sein, dass Liam nur die Nacht über kaum ansprechbar gewesen war und mehr als nur seinen Rausch ausgeschlafen hatte. „Dem geht’s… ganz okay.“ Ihr Blick wanderte zur Bestätigung auf das gegenüberliegende Bett. Allein die zerknüllten Laken zeugten von dem warmen Körper, der noch vor wenigen Stunden dort geschlafen hatte. Vielleicht hatte er aber auch seinen Platz mit Isala getauscht. Skadi war sich selbst nicht mehr wirklich sicher. Es war einfach so unfassbar viel passiert, dass die Stunden völlig verschwammen. „Lust auf nen Tee? Vielleicht hilft das ein wenig gegen deine Kopfschmerzen?“ Die dunklen Augen wanderten zurück auf die feinen Furchen auf seiner Stirn. Irgendwo in ihrem Fundus musste sie noch ein paar Kräuter verstaut haben, die der Nebel nicht dahin gerafft hatte.
„Scheinbar.“, schmunzelte er und zuckte machtlos mit der Schulter. Skadis Gemüt schien sich allmählich zu beruhigen und er war froh, dass es so war. Es ging ihm verhältnismäßig gut und das letzte, was er wollte, war, ihr Sorgen zu bereiten. „Ich hab‘ dir doch schon mal gesagt: Unkraut vergeht nicht.“ Es war kein Wunder, dass er sich derart erschlagen fühlte. Nach so viel Schlaf war das fast schon vorprogrammiert. Liam runzelte abermals dir Stirn, weil ihn das Gefühl überkam, irgendetwas vergessen zu haben. Das besserte sich auch nicht, nachdem Skadi ihm versichert hatte, dass Rúnar noch an einem Stück war. „Das… beruhigt mich.“ Sehr sogar. Er hätte nur schwer damit leben können, den Jüngeren auf dem Gewissen zu haben. Das Risiko waren sie beide eingegangen - aber hoffend, es nicht zu bereuen. Ein wohliger Laut verließ seine Kehle, als sie Tee vorschlug. Sein Mund war trocken. „Ja, das klingt gut.“, nickte er und lächelte ihrer besorgten Miene entgegen. „Es geht mir gut, Skadi. Gib mir zwei, drei Stunden und ich bin wieder ganz der Alte. Naja. Vielleicht auch fünf… Aber spielt auch keine Rolle.“ Zuversichtlich drückte er ihre Hand. Mochte sein, dass er wiedermal mehr Glück als Verstand bewiesen hatte - aber sie lebten. Das war es, was zählte.
Zwei, drei Stunden. Skadi schnaubte. Konnte sich das schmale Lächeln dennoch nicht verkneifen, als sie sich langsam vom Bett schob. Liam hatte wirklich Nerven. „Wenn nicht, stopf ich dich mit so vielen Kräutern voll, dass du die nächsten Jahre nicht mehr krank wirst.“ Innerlich desinfiziert, würde man vielleicht sagen. „Und ja… das war eine Drohung.“ Auch wenn es weder wie eine klang noch aussah. Denn mit einem breiten Grinsen neben seinem Bett zu stehen, hatte wenig von tadelnder Strenge. Und dessen konnte sich die Nordskov nur all zu leicht bedienen. Das wussten sie beide. „Bin gleich zurück.“ War das letzte, dass sie an ihn wandte, ehe sie auf dem Absatz Kehrt machte und zur Kombüse verschwand. Rayon hatte noch etwas Restwasser vom Frühstück über. Und mit dem kleinen Rest aus ihrem Vorrat in einem der Krüge, kehrte sie wieder zurück. Schob mit dem Fuß die Tür in den Raum, um mit ausgestreckter Hand durch den Spalt zu schlüpfen.
„Ich bin doch kein Braten.“, brummte er gutmütig, hob dann aber in demütiger Geste die Handflächen, als Skadi den Ernst ihrer Drohung klarstellte. In seinen Mundwinkeln hockte noch immer ein Schmunzeln, als er ihr nachsah und Dankbarkeit für die Leichtigkeit empfand. Der Lockenkopf zwang sich zu einem tiefen Atemzug und schloss die Augen, ehe er sich das erste Mal überhaupt richtig im Lazarett umsah. Wie es aussah, waren sie tatsächlich erstaunlich gut aus der Situation gekommen. Mehr Glück als Verstand – ein Motto, dass der Sphinx wohl am Heck klebte wie Muscheln an modrigem Holz. Und trotzdem – irgendetwas war da, was er vergessen hatte. Etwas, was ihm wichtig war, auf das er aber partout nicht kommen wollte. Als Skadi zurückkehrte, sah er auf. „Danke.“ Eine kurze Pause entstand. „Was ist mit dir? Hast du gestern etwas abbekommen?“, schob er dann leise besorgt hinterher und sah sie an. Es war alles drunter und drüber gegangen. Sie hatten keine Zeit gehabt, etwas anderes zu tun, als sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das war auch gut so gewesen. Und während er ihre feinen Züge inspizierte, die selbst das Veilchen nicht entstellen konnte, dämmerte ihm, was er vergessen hatte. Plötzlich sprang er auf, bereute es im gleichen Moment allerdings wieder, als die Welt unangenehm zu schwanken begann. „Ich muss was holen.“, erklärte er, während er mit zugekniffenen Augen darauf wartete, dass sich sein Kreislauf an den Positionswechsel gewöhnt hatte.
„Nein. Was ein Wunder ist... wenn man sich Isala so anschaut.“ Seufzend ließ sich die Nordskov auf der Bettkannte nieder, den warmen Becher in Liams ausgestreckten Hände platzierend. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht sonderlich darüber nachgedacht, was passiert war. Mit wie viel unverschämten Glück sie gesegnet gewesen sein musste, um mit nicht mehr als ein paar Schnittwunden von umherfliegenden Holzsplittern davongekommen zu sein. Der Vogel war so nah gewesen. Er hätte nur von einer gezielten Bewegung seines spitzen Schnabels oder seiner Klauen Gebrauch machen müssen, um sie in zwei Teile zu zerhacken. „Hab nur einen Dolch verloren, der wahrscheinlich noch immer im Bein von diesem Federvieh steckt.“ Was ein durchaus verschmerzbarer Verlust war, den sie mit einem fast schon erleichterten Schmunzeln hinnahm. „Aber dafür kann ich dir gern im Detail erzählen, wie dieses Tier aussah, falls du es malen willst. Beeindruckend war es definitiv... so etwas... hab ich noch nie zuvor...“ Doch weiter kam Skadi nicht. Realisierte die plötzliche Bewegung neben sich und streckte bereits eine Hand schützend vor ihm aus, als er zu taumeln begann. Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte sie ihn. Wartete, bis sein Stand bei weitem fester war, bevor sie sich zurück zog. Ein Wunder, dass er nicht den ganzen Tee auf dem Krankenbett verschüttet hatte. „Muss das unbedingt jetzt sein? Kann das nicht zwei drei Stunden warte, bis du nicht mehr umkippst wie ein Neugeborenes, das noch nicht laufen kann?“
Auch, wenn er sich nichts anmerken ließ, fiel ihm zweifellos ein Stein vom Herzen. Wie schlimm es Isala erwischt hatte, hatte er gestern gar nicht überschlagen, als sie ihre Hilfe angeboten hatte. Letztlich zeugte ihre Bereitschaft, sich trotzdem nochmal zum Vogelfutter ernennen zu lassen von viel Mut. Und einer ordentlichen Portion Lebensmüdigkeit. Seine Mundwinkel zuckten aussagelos, als sie fortfuhr und vielleicht war gerade das der Punkt, der ihm die Erinnerung ins Bewusstsein rief. Das Angebot, ihm die Epogryphen aus der Nähe zu beschreiben, nahm er im Grunde nur noch oberflächlich wahr, ohne den Inhalt dahinter wirklich aufzunehmen. Den Ärger, der in der Stimme der Nordskov mitschwang, als er mehr schlecht als Recht auf den Beinen stand, konnte er sogar nachvollziehen. Aber brachte ihn nicht mal ansatzweise dazu, von seinem Vorhaben abzuhalten. „Nein. Kann es nicht.“, beteuerte er mit ungewohntem Nachdruck in der Stimme, ohne dass das Lächeln von seinen Zügen verschwand. Das Wanken ließ nach und auch der Tunnel um sein Sichtfeld herum zog sich zurück, als er Skadi den Becher wieder in die Hand drückte, ohne auch nur einen Schluck genommen zu haben. „Bin gleich zurück.“
Er verschwand in Richtung der Kajüten. Dort angekommen, kniete er sich vor seine unverschlossene Truhe und zog einen kleinen Kalender hervor, auf dem die Tage abgestrichen waren, seit sie wieder in See gestochen waren. Nach einer kurzen Versicherung warf er ihn zurück in das Chaos der Truhe und holte stattdessen einen kleinen Beutel hervor, mit dem er sich zurück zu seinem Ausweichquartier begab. Langsam setzte er sich wieder neben Skadi auf die Pritsche, einen etwa anderthalb Hand hohen Beutel in der Hand, der oben mit Lederriemen verschlossen war. An diesen Riemen hing – ebenfalls mit dünnem Leder befestigt - eine lederne Messerscheide, aus der ein nicht prunkvoll, aber einfach verzierter Griff aus Kirsche ragte. „Ich, ehm.“, druckste er kurz herum, ehe er den Blick zu Skadis verdutzem Gesicht hob und ihr ein warmes Lächeln schenkte. „Enrique hat es in Silvestre ausgeplaudert und… Ich habe die Tage gezählt, weil auf See die Zeit ja oftmals verschwimmt.“ Sie mochte eine Verspätung also hoffentlich zu entschuldigen wissen. „Alles Gute zum Geburtstag.“, kürzte er schließlich ab und reichte ihr den Beutel, der randvoll mit Honigbonbons gefüllt war.
Es erschien ihr schleierhaft, wieso er so dermaßen darauf erpicht war, JETZT etwas holen zu müssen, was keine Beine bekam und vom Schiff sprang. Doch sie ließ ihn einfach machen. Sah ihm schweigend, wenn auch skeptisch nach und ließ sich dann schwer seufzend rücklings aufs Bett fallen. Hörte die dumpfen Stimmen über sich auf dem Deck durch die dicken Bohlen vibrieren. Zählte die Furchen in der Decke und schmunzelte tief in sich hinein. Sie war glücklich. Zum ersten Mal seit Wochen. Nein. Seit Monaten. Fühlte sich frei und unbeschwert. Sie hatten den Angriff überlegt. Weitesgehend unbeschadet. Jón war aufs Schiff gekommen, etwas, dass sowohl sie selbst als auch Rúnar vollkommen unvorbereitet getroffen hatte. Enrique ging es gut. Talin und Lucien waren wie eh und je. Und Liam... ein Gedanke an ihn und Skadi dreht sich tief durchatmend auf die Seite. Schloss die Augen und spürte der Wärme nach, die er auf den Laken zurückgelassen hatte. Ihr Streit war schon in den Hintergrund gerückt und dermaßen lächerlich, wenn sie so darüber nachdachte. Auch wenn ihr klar war, dass er schneller wiederkehren konnte, als ihnen lieb war. Dafür waren sie in diesem Punkt ihrer beider Leben einfach zu unterschiedlich. Es brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis Liam zurück war. Skadi hatte sich indes wieder auf den Rücken gerollt und den Tee zur Sicherheit mit einer Hand auf ihrem Bauch platziert. Erhob sich, als sich die Tür leise knarzend vom Rahmen entfernte und beobachtete, wie Liam ans Bett heran trat.
Mit einem Beutel in der Hand. Beiläufig schob sie den Krug von sich auf die oberen Seite des Bettes. Starrte auf die Messerscheide, dann auf den Beutel, dann hinauf zu Liam. Hatte sie sich gerade verhört? „Für mich?“ Es war vielleicht eine rhetorische Frage, doch die Nordskov schien in diesem Moment zu perplex, um etwas anderes zu erwidern. Wie gebannt sah sie zurück auf den Beutel. Nahm ihn behutsam entgegen und schluckte. Enrique wusste, wann sie Geburtstag hatte? Sie selbst hatte es vollkommen vergessen. Wie war es also möglich, dass irgendwer sonst daran dachte? Eine Weile herrschte Stille in dem kleinen Raum. Skadi war zu sehr gebannt von dem Geschenk, das recht schwer in ihren Händen wog. Traute sich kaum den Lederriemen zu öffnen, der spielend leicht unter ihren Fingern nachgab. Helles Gold eröffnete sich im Inneren des Beutels. Wohlig duftend. Behutsam nahm sie eine der Perlen zwischen die Finger, hob sie vor ihr Gesicht und schnupperte daran, ehe sie zwischen ihren Lippen verschwand. Der Geschmack von Honig legte sich um ihre Zunge und hinterließ ein wohliges Brummen und breites Lächeln auf ihren Zügen. „Danke... das... wäre nicht nötig gewesen.“ Sie hielt ihm den Beutel entgegen, in einer stillen Geste, dass er sich daran bedienen sollte. Stellte dann den Beutel neben sich aufs Bett und löste die Messerscheide vom Rest. Der Griff war mit feinen Ornamenten versehen. Feinste Handarbeit, wie sie mit einem näheren Blick erkannte. Fast als könne sie mit einer falschen Bewegung etwas zerstören, zog sie an dem Griff und starrte mit offenem Mund auf das schimmernde Metall. Hatte sie geglaubt, dass das aufbereitete Kirschholz bereits kostbar gewesen sein musste, blieb ihr beim Anblick der Klinge regelrecht die Spucke weg.
Skadi Nordskov ist 23 Jahre alt und wurde unter den Sternen der ersten Welt auf der Insel Trithên geboren. Dieser mutige Pirat reist als Master Gunner durch die Meere der Inselwelten und plünderte mit der Crew bereits auf 83 Streifzügen in 48 Tavernen.
Habseligkeiten
jeweils einen Dolch im Stiefel, 3 Wurfmesser in der Tasche an ihrem Hüftgurt, sowie eine Hand voll Giftpfeile und Tinkturen und ein Säbel an ihrem Rücken
Körperliche Verfassung
Ein fast verheiltes Veilchen auf der rechten Gesichtshälfte direkt am Jochbein und feine Schnitte am Oberkörper (von Holzsplittern).
Skadi schien nicht damit zu rechnen. Viel mehr stand ihr ihre Verwirrung förmlich ins Gesicht geschrieben, als er mit dem Beutel zurückkehrte und sich wieder neben sie setzte. In diesem Augenblick wirkte sie wie ein Kind, dessen Eltern finanziell nie in der Lage gewesen waren, ihm materiell eine kleine Freude zu machen, egal wie sehr sie sich bemühten, ackerten und versuchten, ihm ein möglichst sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Ihre Überraschung verlieh seinem Lächeln eine noch wärmere Note. Er nickte als Bestätigung auf ihren Unglauben hin und hielt ihr das Geschenk entgegen, bis sie es vorsichtig entgegennahm, als würde es jede Sekunde zerbrechen können. Skadi schwieg. Und Liam beobachtete sie voller Zufriedenheit dabei, wie sie den kleinen Beutel erkundete. Allein das war es wert gewesen. Diese kindliche Freunde in ihrem Gesicht, die es zumindest für eine kurze Zeit vermochte, die Härte und Bitterkeit der Vergangenheit aus ihren Zügen zu vertreiben. „Doch. Allein dafür, dich so glücklich zu sehen.“ Liams Lächeln war warm und ehrlich. Ihre Freude war ein viel größeres Geschenk für ihn als das, was er ihr überreicht hatte. Aber das behielt er für sich. Für den Moment sah er sie einfach nur an, fischte sich dann ebenfalls ein Bonbon aus dem Beutel, das mit einer feinen, natürlichen Süße zu bestechen wusste. Skadi hatte sich indes dem Dolch zugewendet. Liam sah sich kurz um, lehnte sich dann hinter ihr nach oben Richtung Bettende und sammelte den Tee wieder ein, dem er eben keine Aufmerksamkeit mehr hatte schenken können. Er ließ ihr die Zeit, die sie brauchte und schwieg, erfreute sich lediglich an ihrer Sprachlosigkeit. „Alex hat mir geholfen.“ Er war niemand, der sich mit fremden Federn schmückte und wenn es um Holz ging, kannte sich der Ältere zweifellos besser aus als Liam selbst. „Es ist möglichst flach gehalten, damit man es möglichst einfach verstecken kann.“ Im Stiefel zum Beispiel. Wahlweise auch im Ärmel. Ganz nach Situation eben.
Die Oberfläche funkelte im Licht, das durch das winzige Fenster in den Raum fiel. Immer wieder drehte Skadi den Schaft zwischen ihren Fingern. Bestaunte die feinen Linien und Gravuren. Es sah atemberaubend aus. Nicht dafür gemacht, jemals benutzt zu werden. Der heilige Gral unter all den Messern und Dolchen, die sie jemals besessen hatte. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass er losgezogen war, um es allein für ihren Geburtstag zu kaufen. Zudem vor so unfassbar langer Zeit. Der Hauch eines schlechten Gewissens bahnte sich in ihre Magengrube. Jetzt erschien ihr der Streit noch furchtbarer als ohnehin schon. Alles was sie je für ihn getan hatte, war ihre Launen an ihm auszulassen. Während er los zog und selbst Alex dazu brachte, ihm bei der Auswahl ihres Geschenks zu helfen. Und ja, eine Sekunde später war ihr durchaus bewusst, dass er ihm dieses Detail sehr wahrscheinlich verschwiegen hatte. Doch es änderte nichts daran. Nun besaß sie zwei wichtige Dinge in ihrem Leben, die sie hüten würde, wie ihren Augapfel. Die kleine Okarina, die sie seit ihrem Ausflug immer bei sich trug und nun diesen Dolch. Mit funkelnden Augen sah die Nordskov auf und lächelte. „Du bist wunderbar, das weißt du oder?“ Ihr Herz schlug mit jeder verstreichenden Sekunde kraftvoller gegen ihre Rippen. Explodiert förmlich, weil sie kaum wusste, was sie zuerst tun sollte. Ihre Freudentränen unterdrücken. Über ihn herfallen oder einfach nur das Glück genießen, das sie empfand. „Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe.“, fügte sie leise hinzu. Presste die Lippen aufeinander und wandte den Blick wieder auf den Dolch in ihren Händen.
Das Lächeln auf seinen Zügen wurde breiter, als er ihr Kompliment entgegennahm, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, es zu rationalisieren. Untypisch für ihn, aber vielleicht lag es auch daran, dass es Skadis Art war, ihre Dankbarkeit auszudrücken. Liam nahm einen Schluck Tee und sah ihr dabei zu, wie sie ihren neugewonnenen Schatz inspizierte – denn genau so musterte sie ihn. Wie einen unbezahlbaren Schatz am Ende einer langen, schwierigen Schatzsuche. „Nicht ‚womit‘.“, korrigierte er sie mit einem kurzen Kopfschütteln und behielt den Becher in beiden Händen. „Du hast es verdient.“ Der Gedanke, etwas dafür tun zu müssen, um sich eine Aufmerksamkeit zu verdienen, war kein gesunder Gedanke. Vielleicht stand Liam mit dieser Einstellung recht alleine da, nachdem er auch nicht unbedingt sehr an materiellen Dingen für sich selbst interessiert war. Skadis Freude war ihm so viel mehr Wert als Gold es je sein konnte. „Hast du mir nicht gesagt, ich soll nicht immer so bescheiden sein?“ Neckend bedachte er sie von der Seite und nahm einen weiteren Schluck seines Tees. Die Wärme tat gut und besänftigte tatsächlich das Brummen in seinem Kopf.
„Hab ich das?“ Ein amüsiertes Schnauben entwich ihr. Abermals wandte sich die Klinge zwischen ihren Fingern. Funkelte und verschwand dann, geräuschvoll in ihrer ledernen Verkleidung. „Und selbst wenn...“ Der dunkle Haarschopf wandte sich herum. Offenbarte ein breites Grinsen auf den Zügen der Nordskov, das eine Spur spitzbübischer über ihre Schulter ragte, als ihre Augen zu leuchten begannen. „... halt die Klappe.“ Lachend ließ sie sich wieder auf den Rücken fallen, den Beutel Bonbons zwischen sich und dem Lockenkopf. Den Dolch sicher gegen ihren Bauch gepresst. Sie würde bei Zeiten ein gutes Versteck dafür brauchen. Ob im Stiefel, ihrem ledernen Bustier oder einem Oberschenkelgurt - Hauptsache sie trug es ebenso nah bei sich wie die Okarina, die in der kleinen Ledertasche an ihrer Hüfte auf ihren nächsten Einsatz wartete. „Allerdings frag ich mich noch immer, wieso wir auf einmal so weit vom Kurs abgekommen sind... oder woher diese Vögel auf einmal kamen. Das hatte schon irgendwie... was mystisches an sich. Meinst du nicht?“ Ihr Blick fiel von der Decke auf die feinen Züge des Musikers.
Wusste sie jetzt, warum es nicht hatte warten können? Böse Zungen hätten wohl behauptet, es hätte einzig dem Zweck gedient, ihren Ärger zu stillen. Doch wer Liam kannte, wusste, dass er keineswegs berechnend war. Selbst wenn der Zwist zwischen ihnen noch gewütet hätte - er hätte ihr das Geschenk ebenso überreicht. Nicht persönlich vielleicht, aber zumindest bei ihrer Hängematte deponiert, um ihr ihren Abstand zu lassen. Ihren Frieden. Ihre Antworten auf Fragen, die sie ihm nie gestellt hatte - deren Beantwortung sie ihm in Zukunft aber hoffentlich selbst überlassen würde. Er lächelte hörbar, als sich Skadi galant aus der Verantwortung zog, ihm aber damit gleichzeitig bedeutete, dass sie den Wink verstanden hatte. Gemeinsam mit ihrem Schatz kippte sie zur Seite in die Laken. Liam leerte den Tee in seiner Hand und stellte den Becher schließlich hinter sich auf den Boden neben der Pritsche. Auch die Bonbons verschnürte er und machte Platz, um sich zur Seite umzulegen. Die Liege bot kaum Platz für zwei Personen. Er blieb auf der Seite liegen und bette den Kopf mit einem ruhigen Atemzug auf Skadis Mitte unterhalb des Dolches in ihren Händen, statt nach oben zu rutschen. „Sie brüten dort. Ich weiß nicht, wie wir so weit abkommen konnten, aber die Gewässer sind berüchtigt für Epogryphen. Die heimischen Händler meiden die Route derart nah an diesem Gebiet. Nur der Nebel - davon habe ich noch nie jemanden erzählen hören. Als wir das letzte Mal auf diesem Seeweg unterwegs waren, war freie Sicht.“, erzählte er mit geschlossenen Augen. Er konzentrierte sich auf das sanfte Heben ihres Brustkorbs und das deutlich spürbare Schlagen ihres Herzens, dass er selbst auf Höhe ihres Bauches noch wahrnehmen konnte. Und - nicht zuletzt - auf ihren unverwechselbaren Duft, der ihm die Ruhe brachte, noch ewig hier liegen zu können. Zumindest die - unter diesen Umständen hoffte er wirklich auf mindestens fünf - Stunden, bis das Brummen in seinem Kopf wirklich nur noch ein Ziehen war. „Geschweigedenn etwas gelesen. Auf der See sind wir den Epogryphen schutzlos ausgeliefert. Das zu untersuchen wäre also vermutlich eine Reise ohne Widerkehr.“ Hörte man ihm da etwa leise Enttäuschung an? Er wäre der Sache furchtbar gerne auf den Grund gegangen. Aber ständig mit der Gefahr im Nacken, den Vögeln zum Opfer zu fallen, war dieses Vorhaben mehr als aussichtslos. Musste selbst er sich eingestehen.
Die Vögel waren also eine Gefahr, die durchaus bekannt gewesen war? Skadi runzelte die Stirn bei diesen Worten. Rief sich in Erinnerung was Jón erzählt hatte und dann die Karte, die Shanaya auf einem der Tische ausgerollt hatte, um sich dort Position und Radius zu vermerken. „Als hätte uns der Nebel dorthin gesogen.“, murmelte sie in Gedanken versunken und ließ ihren Blick von Liams dichten Locken an die Decke schweifen. „Ich frage mich wirklich was es damit auf sich hatte.“ Ob der Nebel zufällig dort gewesen war. Ob die Ladung des anderen Schiffes diese Erscheinung verursacht hatte. Oder ob der Nebel mit den Vögel kam und ging. Letzteres erschien ihr fast am unwahrscheinlichsten. Die Tiere hatten das gefährliche Weiß partout gemieden. „Ist dir eigentlich aufgefallen, dass, sobald wir wieder drin waren, die Haut angefangen hat zu kribbeln? Vor allem an den Wunden?“ Wenn es bereits bei ihren minimalen Schnittverletzungen gebrannt hatte, konnte sie sich gut ausmalen, wie es mit einer blutenden Hand gewesen sein musste. „Als hätten wir in Säure gebadet.“ Womöglich war es das auch. Anders ließ sich der Zustand ihrer Waffen und des Holzes kaum erklären. „Selbst die Vögel sind immer wieder davor weggeflogen. Einen hatte es sogar so schlimm erwischt, dass seine Schuppen matt und rau geworden sind. Wahrscheinlich hab ichs allein deshalb nur geschafft, ihn vom Mast loszueisen. Deren Haut sah nicht danach aus, als könnte man sie so kinderleicht mit einem Dolch durchtrennen.“ Und dann kam der Nordskov etwas in den Sinn. Langsam legte sie den Dolch zur Seite, umfasste Liams Gesicht mit beiden Händen und richtete sie auf. Schob seinen Kopf behutsam auf ihren Schoß. Ihre Miene wirkte nachdenklich. Fast schon zu ernst. „Meinst du jemand hat Jagd auf die Tiere gemacht und diesen Nebel absichtlich erzeugt? Wäre das denkbar?“
Liam brummte nachdenklich, ohne dass er die Augen öffnete. Mit ihrer Frage stand sie nicht alleine da. Und damit meinte er nicht nur sich selbst. So, wie er Talin und Lucien inzwischen kennengelernt hatte, spuckte auch ihnen vermutlich eben dieser Gedanke durch den Kopf. Aber solange sie die Schäden der Sphinx und für ihre Gesundheit nicht richtig einordnen konnten, war es selbst in Liam Augen Irrsinn, der Sache nachzugehen. Beiboote, vielleicht sogar eine Flotte, die die Position des Nebels beobachtete und kartierte. Alleine war es schier unmöglich, mehr herauszufinden. „Ja. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn du nicht auf die Idee mit den Tüchern gekommen wärst.“ Obwohl er aussah, als würde er ruhen, hatte die Jüngere ihn mit ihrer Fragerei angesteckt. Trotz der schweren Augenlider jagte dahinter ein Gedanke den anderen. „Vermutlich hast du uns damit das Leben gerettet.“, erinnerte er sie mit leiser Anerkennung. Mit einem Dolch auf ein beschupptes Tier loszugehen, war eine Idee, die vermutlich ebenso von Liam hätte stammen können. Nicht erfolgsversprechend, aber lebensrettend, wenn es doch funktionierte. Er öffnete die Augen, als er Skadis Hände spürte und sah fragend auf, gab ihrer Bewegung allerdings ohne Zögern nach. Irritiert blinzelte er ihr entgegen, verstand dann aber und schloss die Augen wieder, kaum dass die Nordskov seinen Kopf in ihrem Schoß gebettet hatte. Das Nächste, was sie sagte, klang ernster als die vagen Vermutungen zuvor. Nun drehte sich Liam doch auf den Rücken in eine bequemere Position und sah zu Skadi auf, bedachte sie nachdenklich und runzelte die Stirn. „Ganz abwegig ist es wohl nicht. Auf dem Schwarzmarkt bekommt man hohe Summen für Klauen, Schnäbel oder Schuppen. Oder natürlich Federn.“ Und wozu Menschen für Geld bereit waren, wussten sie beide nur allzu gut. „… Erinnerst du dich, dass wir uns dem Handelsschiff an die Fersen gehängt haben? Vermutlich haben wir dabei die sichere Distanz verlassen. Ceallagh kommt, soweit ich weiß, aus dieser Gegend – ich kann mir nicht vorstellen, dass er Shanaya nicht darüber in Kenntnis gesetzt hat. Und wenn das Handelsschiff in heimischen Gewässern unterwegs war, wussten auch sie von den Epogryphen.“ Das allerdings wusste er nicht, versprach sich aber von Skadi eine Antwort auf diese Frage. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich an einem Tag gleich zwei Schiffe unwissend in diese Zone verirren? Was, wenn das Handelsschiff in diese Richtung geflohen ist, weil sie glaubten, dass wir um das Risiko wussten und abdrehen würden, bevor sie selbst im Gefahrengebiet ankamen? Wenn der Nebel auf ihrem Mist gewachsen ist, würde das zumindest erklären, warum sie so mutwillig hineingesteuert sind. Oder aber…“ Eine kurze Pause entstand, in der Liams Blick sich in seinen Gedanken verlor. Erst zwei, drei Herzschläge später sah er wieder in das dunkle Braun ihrer Augen. „Da war noch ein anderes Schiff, oder? Das Wrack?“ Wie lange es dort gelegen hatte, war ob der reizenden Wirkung dieses Nebels wohl unmöglich zu sagen.
Die Tücher. Ja, das war eine gute Idee gewesen, in Anbetracht der Umstände. Dennoch konnte sie nur über das Lob hinweglächeln. Das Leben gerettet klang in ihren Ohren ohnehin ein bisschen überdramatisch. Was er dann jedoch von sich gab, ließ sie in ihre Gedanken zurückfallen. An den dicken Locken spielen, die sich butterweich über ihre Oberschenkel legten und sanft auf der Haut kitzelten. Wie früher, wann immer sie ihren Schwestern von großen Kriegern und alten Geschichten erzählt hatte. Nur um die kleinen Quälgeister endlich zum Einschlafen zu bewegen. „Laut Karte lagen etliche Meilen zwischen unserem Ausgangspunkt und dem Gebiet. Ich bezweifle, dass sie es waren, die dort auf Vogeljagd gegangen sind oder uns wissentlich da hinein gelockt haben. Ganz davon abgesehen, hätte Jón uns davon erzählt, wenn dem so wäre.“ Zumindest glaubte sie, dass er es getan hätte. Immerhin hatte er keinen Grund zu lügen. Weder vor ihr und erst Recht nicht Rúnar. „Aber Recht hast du... da war noch ein anderes Schiff. Allerdings weiß ich nicht, wie lange es dort schon lag und wieso es überhaupt so gut zu sehen gewesen war. Ich mein... das Meer müsste hier so tief sein... wir hätten absolut nichts sehen dürfen. Und laut Ceallagh gibt es hier auch keine Sandbänke. Erst recht nicht so weit auf offenem Meer. Das ist alles irgendwie... sehr sehr seltsam.“
Für den Moment trat ein fragender Ausdruck auf seine Züge. „Jón?“, wiederholte er den Namen, den sie genannt hatte und fischte abermals im Dunkel seiner Erinnerungen. Letztlich traute er Skadis Einschätzung allerdings und strich die Möglichkeit somit aus seinen Gedanken. Er genoss das leichte Spiel ihrer Finger, ließ sich aber davon nicht von ihren Überlegungen ablenken. „Vielleicht wurde denen ihr Vorhaben zum Verhängnis.“, hielt er es für möglich. Den Nebel oder das ausbleibende Sinken erklärte es allerdings nicht. „Irgendetwas, was mit Wasser reagiert… „ Er kannte sich nicht gut genug aus, um jetzt mit irgendwelchen Stoffen hantieren zu können, die in Frage kamen. Aber sicherlich gab es auch Stoffe, die bei solch einer Reaktion genügend Gase erzeugten, die einen Teil eines Schiffes oben halten konnten, oder? „Angenommen, im Rumpf hat sich Luft gesammelt, die nicht mehr entweichen konnte – dann würde das Schiff nicht untergehen. Wie viel Luft das allerdings sein muss, dass sogar ein zweites Schiff einfach auflaufen kann, weiß ich nicht. Und von irgendeiner Kreatur, die Nebel erzeugen kann… Es gibt eine Geschichte von einem Jüngling, der dazu verdammt wurde, in Gestalt eines Pferdes über das Meer zu irren. Seine Anwesenheit wird oftmals in Nebelbänken oder Sturmtiefs gesehen, die unvorhergesehen aufziehen. Aber auch da ist nicht von Säure die Rede.“
Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Liam nie von ihm erzählt hatte. Nur einmal. In einer ihrer wenigen Geschichten aus der Vergangenheit. Kurz hielt sie inne. Forschte dem kleinen Kitzeln in ihrer Magengegend nach und war bereits mit den Gedanken so fernab, dass sie erst nach einem tiefen Atemzug bemerkte, dass Liam weitersprach. Sie blieb ihm wohl bis zum Ende dieser Ideenspinnerei eine Antwort schuldig. „Mh. Luft im Schiff. Darüber habe ich nie nachgedacht. Aber... jetzt wo du es sagst... mir kommt die Geschichte mit dem Pferd irgendwie bekannt vor.“ Ihre Augen kreisten forschend um Liams Nasenspitzen, bis sie sich just aufklarten und Skadi dazu überging sanft durch Liams Mähne zu streichen. „Rúnar... ja... er hat mir damals davon erzählt. Gott... es ist schon so viele Jahre her, dass ich es schlichtweg vergessen hatte.“ Damals, als sie sich im Weinkeller der Familie versteckt hatten, um den wütenden Blicken der Erwachsenen zu entgehen. Und nein. Eigentlich war es Jón, der ihr davon erzählt hatte. Während sie sich an ihm festhielt und die Treppenstufen im Blick behielt „Aber... mir fällt es schwer daran zu glauben.. ich mein... ich hab keinen Mann gesehen oder gehört. Geschweige denn ein Pferd.“ Alles was darauf hätte hindeuten können, war nie eingetreten. „Na ja... was auch immer es war. Wir werden es wohl nie herausfinden.“
Seine Augen erkundeten die Grübchen, die sich in Skadis nachdenklichem Gesicht abzeichneten. Seine Mundwinkel zuckten, als sie ihren Unglauben bekundete und der Lockenkopf schloss wieder die Augen. „Das ist die Sache mit Legenden. Man weiß erst, ob etwas Wahres dran ist, wenn man es selbst erlebt hat.“ Nicht umsonst sammelte er solche Geschichten und war bereit, ihnen auf den Grund zu gehen. Irrlichtern zu folgen, Sirenen zu lauschen oder sich von einem Kelpie über einen Fluss tragen zu lassen. „Was, wenn er sich uns nur nicht zeigen wollte?“, warf er ein und zuckte angedeutet mit der Schulter, klang aber mehr amüsiert als ernst. „Wer weiß, was uns noch erwartet. Für’s nächste Mal sind wir jedenfalls vorbereiteter. Und dann bekommen wir vielleicht auch die Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen. Wir sollten uns jedenfalls im nächsten Hafen ein bisschen genauer umhören.“ Jetzt runzelte er kurz die Stirn. Der Nebel hatte die Sphinx deutlich in Mitleidenschaft gezogen. „Gab es eine Planänderung im Kurs? Hat Alex was gesagt, in welchem Zustand die Sphinx ist?“
Legenden. Mythen. In den meisten Fällen waren es Geschichten, um Kinder zu Gehorsam zu erziehen. Hoffnung zu schüren, wo vielleicht keine mehr war und den Glauben an das Gute in der Welt aufrecht zu erhalten. Und egal, ob sie daran glaubte oder nicht - es macht letztlich keinen Unterschied. Seitdem sie auf diesem Schiff war, geschahen allerlei seltsame Dinge. Sie hinterfragte das Schicksal nicht einmal mehr, weil es vollkommen sinnlos sein würde. Nahm es wie es kam. Und musterte Liams Miene schweigend, während er die Augen erneut schloss. Ein wortloses Lächeln huschte über die vollen Lippen der Nordskov. Ließ ihre Fingerspitze von den dichten Locken zu seiner Wange und über den schmalen Nasenrücken streichen. Dann holte sie tief Luft und ließ von ihm ab. Lehnte sich ein Stück weiter zurück und wandte die dunklen Augen auf das kleine Fenster. „Soweit ich weiß sind wir jetzt in Richtung Ritu unterwegs. Haben gestern schon angefangen jeden Winkel des Schiffes zu putzen, um die Säure los zu werden. Gott sei Dank zeigen sich die Neulinge vom Handelsschiff recht kooperativ.“ Andernfalls hätte sie Jón auch übers Knie gelegt.
Liam Casey ist 25 Jahre alt und wurde unter den Sternen der ersten Welt auf der Insel Yvenes geboren. Dieser mutige Pirat reist als Seemann durch die Meere der Inselwelten und plünderte mit der Crew bereits auf 149 Streifzügen in 50 Tavernen.
Habseligkeiten
ein Lederarmband mit drei bearbeiteten Amethysten, eine Geige aus Schwarznuss, eine mysteriös-eisige Schatzkarte, Ginsterkatze Sineca, ein silbernes Diadem
Körperliche Verfassung
Uneingeschränkt mit leichter Belastungsdyspnoe.
Seine Mundwinkel umspielte ein Lächeln, als er ihre Finger auf seiner Haut spürte, das aber mit dem Verschwinden ihrer Berührung ebenso wieder verschwand. Er brummte nachdenklich, während er versuchte, sich ihre Position auf der Karte vors innere Auge zu rufen, um die Auswirkungen grob abschätzen zu können. Viel wichtiger war aber, was Skadi danach anmerkte und was ihm bislang vollkommen entfallen gewesen war. Mit einem tiefen, geräuschvollen Atemzug kehrte die Spannung zurück in seinen Körper. Er streckte sich und wehrte sich noch einen Herzschlag lang dagegen die Augen zu öffnen, ehe er kurzum an die Decke starrte. „Sieht du – noch ein Grund, hier nicht tatenlos rumzuliegen.“, begann er mit gespieltem Tatendrang und überstreckte den Kopf, um das Gesicht der Nordskov wieder sehen zu können. „So gerne ich hier liegenbleiben würde.“ Ein ehrliches, warmes Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er sich aufrichtete.
Liam erhob sich. Langsam, wie sie bemerkte. Und dennoch. Skadi wandte nicht sofort ihren Kopf herum. Beobachtete ihn für einen Augenblick nur aus den Augenwinkeln. Man konnte ja fast meinen, dass er sich sehr gern aus dem Bett schälte, um sich an der Putzaktion zu beteiligen. Die Tage des faulenzenden Musikers waren wohl gezählt, hm? Das warme Lächeln auf seinen Lippen legte sich süßlich, warm auf ihre Brust. Zwirbelte ihre Mundwinkel hinauf und streckte die langen Finger der Nordskov in Richtung seines Bauches aus, um ihn daran zu hindern sofort aus dem Bett zu hüpfen. Was sein vor Schmerzen geplagter Kopf ohnehin nicht zulassen würde, wie sie wusste. „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht. Ich.. hab mir wirklich Sorgen gemacht.“
Er wollte sich selbst von den Dingen vergewissern. Wollte Rúnar wohlauf sehen und Alex sagen hören, dass sie es bis in den nächsten Hafen schaffen würden. Und vor allem wollte er Skadi nicht mit seiner Untätigkeit selbst von der Arbeit abhalten. Seelisch und moralisch bereitete er sich bereits darauf vor, sich zumindest irgendwie ein wenig nützlich zu machen, statt sich auf seinem Kater auszuruhen. Doch Skadis Griff hielt ihn davon ab, sein Vorhaben wirklich in die Tat umzusetzen. Nicht direkt zumindest. Er wandte den Kopf herum und schenkte ihr ein warmes Lächeln, während seine Augen ihre Züge erkundeten. Seine Antwort fiel dieses Mal weniger redselig aus. Stattdessen beugte er sich vor und stahl sich, wonach ihm die ganze Zeit schon gewesen war. Als seine Lippen sich von ihren lösten, drückte er kurz die Stirn an ihre, zog den Kopf dann zurück und schenkte ihr ein unverwüstliches, schräges Lächeln und ein ehrliches Geständnis.. „Ich hatte auch wahnsinnig Bammel.“
„So?“ Sie lächelte verschmitzt. Wünschte sich in diesem Moment, dass sie bereits Land in Sicht hatten, um mehr von dem zu genießen, was ihr die Lebendigkeit des Schiffes immer mehr verweigerte. Die kleinen Verstecke auf und unter Deck waren rar gesät. Die Augen zahlreicher, die jeden ihrer Schritte beobachteten. Es wurde Zeit sich wieder auszuleben. Die Beine auszustrecken. Zu tun worauf sie Lust hatte, ohne darauf zu achten, ob irgendjemand im Raum war, etwas wollte, mit ihnen sprach oder mit einer neuen Aufgabe aufwartete. Sie vermisste die Stunden, in denen sie quer Wald ein gelaufen waren. „Ich hab euch da wohl auch nicht gerade.. die Angst genommen.“, fügte sie halb lachend hinzu und senkte den Kopf. Bettete erst ihre Lippen auf seiner Schultern, dann ihren Kopf. Atmete tief seinen Duft ein und richtete sich auf. Löste ihre Hand von ihm - nicht ohne von seinem Bauch über seinen Brustkorb zu fahren und kurze an seinem Hals zu verweilen. „Wieso können wir nicht eigentlich schon irgendwo an Land in einer Taverne sitzen...“ Sie hätte so viel angenehmeres im Sinn, als gleich aus dem Raum zu spazieren und sich die Waffenkammer vorzuknöpfen. Der Anblick würde ihr nämlich definitiv nicht gefallen, das war ihr bereits jetzt klar.
In Wahrheit hatte sie ihm bewusst gemacht, was er zu verlieren hatte. Und wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass es soweit kam. Liam sprach es nicht aus, lächelte stattdessen etwas blasser und fühlte ihrer Berührung nach, als sie sich an ihn lehnte. Wiedermal wurde ihm bewusst, wie sehr er es vermisst hatte. Und dass es nicht um irgendeine Berührung ging, nicht um den Verzicht, den das Leben auf See eben mit sich brachte. Es war ungewohnt, anders. Aber Liam hatte noch keinen Grund gefunden, es nicht zu genießen. Ihre Finger hinterließen ein Kribbeln auf seiner Haut. Er lehnte sich in ihre Hand, als sie an seinem Hals verweilte. „Meinetwegen könnten wir die Taverne auch überspringen.“, raunte er ehrlich und blickte ihr mit einem entbehrungsreichen Seufzen ins Gesicht. „Wir haben immerhin noch ein bisschen was nachzuholen.“ Ein Grinsen. Vorfreude gepaart mit Missmut. „Und deinen Geburtstag können wir dann auch noch gebührend feiern.“ Wie sie – oder was sie – genau darunter verstand, überließ er ihr.
Ihr Kopf kippte zur Seite, während sie ihn beobachte. Das leichte Zucken auf seiner Haut, das schmale Lächeln auf seinen Lippen, das sich augenblicklich zu einem Grinsen weitete. Seine Worte boten unfassbar viel Raum für Interpretation. Brachten die Nordskov wahrlich zum Lachen, ehe sie sich auf die Unterlippe biss und den Blick fest auf den seinen legte. „Bring mich nicht auf dumme Gedanken Casey...“, murmelte sie ihm entgegen. Beugte sich dann langsam voraus. Die Hand wieder auf seiner Brust. Die Augen auf seine Lippen gerichtet. „Nicht dass dir am Ende doch noch der Kopf platzt.“ Sie sah auf. Verharrte. Spürte dem Klopfen hinter seiner Brust nach, das sich wie Öl in ihr inneres Feuer goss. Schluckte, während sich bei jedem tiefen Atemzug sein Duft auf ihre Sinne legte. Zu lange hatte sie ihn gemieden. Es gemieden. Spürte, wie sich der Verzicht schlagartig dafür rächte und jeden Nerv in ihrem Körper taktierte. Es war vielleicht von Vorteil, dass Rúnar (oder Isala) frühzeitig das Bett verlassen hatte und die Geräusche vom Deck geschäftig genug klangen, als dass sie jemand in den kommenden Minuten vermissen würde. Einzig und allein zwei Menschen konnten diesen Augenblick stören, vielleicht sogar drei, wenn man Gregory dazu zählte. Der einzige Mensch, der einen Grund hatte das Lazarett häufiger zu betreten als jeder andere.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hoffte er eigentlich, dass es längst zu spät war, sie nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Dass sie von ähnlichem Verlangen erfüllt war wie er in ihrer viel zu kostbaren Zweisamkeit. Anders wäre ihr nächster Schritt mehr als arglistig gewesen. Ihn nur noch mehr zu rätzen, ihm den Kopf mit angenehmeren Gedanken zu benebeln als dem dumpfen Klopfen hinter seiner Stirn, nur um ihn dann auf später zu vertrösten. Vermutlich hätte Liam es sogar geschafft, daran etwas zu finden - aber mit Sicherheit nicht das, was ihm wirklich Freude bereitete. Seine Augen lagen fest auf ihren Zügen. Er ertrug ihre Nähe und letztlich umspielte zwischen kontrollierten Atemzügen ein verschmitztes Grinsen hörbar seine Mundwinkel. „Wir haben gerade Epogryphen überlebt. Ich glaube, das Risiko gehe ich ein.“ Das bedeutete aber auch, dass ihr Glück vermutlich komplett verzerrt war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand nach dem Rechten sah. Aber das war Liam egal. Und wenn es nur reichte, ihr ein, zwei weitere kleine Geschenke mit in den Tag zu geben - es genügte ihm. Er wollte sich nicht mehr beherrschen. Wollte dem Trieb nachgeben, der sich unter Skadis Hand in seinem Körper ausbreitete wie ein Lauffeuer, wollte sie fühlen, schmecken. Er zog die Beine zurück auf die Pritsche und wandte sich herum, um im nächsten Moment der Distanz nachzugeben, die sie ihm gelassen hatte, um nicht gleich den Verstand zu verlieren, kostete bestimmt von ihren vollen Lippen und schob sich nach oben und damit auch zwangsläufig ihren Körper zurück in die Laken.
Sie hatten mehr als das überstanden. Eine Schiffsexplosion, die ganze Teile der Marinebesatzung regelrecht in alle Winde zerstreute. Chaos und Wachen in diversen Städten. Räuberbanden und düstere Gestalten. Selbst Kopfgeldjäger. Skadi schmunzelte wissend unter seinen Worten. Legte ihre Arme um seinen Hals, während sie seine Bewegungen spiegelte und ohne Wiederstand aufs Bett zurück glitt. „Mh.“, schnurrte sie leise, die Augen noch immer unverwandt in das Gesicht des Älteren gerichtet, dessen Lippen ihr immer wieder den Atem raubten. „Mir gefällt deine Abenteuerbereitschaft Casey.“ Ein leises Lachen stahl sich aus ihrer Kehle. Kletterte an Liams Wangen zu seinen Locken empor und verschwand in dem Lichtstrahl des Fensters über ihnen. Mit einer Bewegung zog die Nordskov den Körper des Musikers näher an sich heran. Schlang ihre Beine um seine Hüften, um jeden verbleibenden Zentimeter zwischen ihnen auszumerzen. Ihr war vollkommen klar, was sie hier tat. Und so, wie sie es in den funkelnden Augen ihres Gegenübers las, rannte sie an diesem Morgen keine verschlossenen Türen ein. Vielleicht würde sie ein wenig Rücksicht auf seine Kopfschmerzen nehmen. Doch das hing ganz davon ab, wie sehr er ihre Nervenenden strapazierte. Denn das war ein Talent, das der Musiker besaß wie selten jemand, den sie bisher so nah an sich heran gelassen hatte.
Wie hatte er es vermisst. Ihr wohliges Lächeln auf seiner Haut, ihre Finger, die die sich bestimmt in seine Haare schoben und die Bereitschaft, sich ganz dem anderen hinzugeben. „Ich dachte schon, du lobst jetzt meinen Arbeitseifer.“, hauchte er mit einem Lächeln gegen ihre Lippen, das bis zu seinen Augen reichte. Das Pochen in seinem Kopf verlor bei weitem gegen das Verlangen, das Skadi just in diesem Moment in ihm weckte. Die Einzige, die seine Aufmerksamkeit in diesem Augenblick verdient hatte, war sie. Für Kopfschmerzen hatte er auch später noch Zeit. Er ließ von ihren Lippen ab, wanderte an ihrem Hals hinab und suchte gleichzeitig mit einer Hand den Verschluss ihres Bustiers. Seine Lust sammelte sich in seinen Lenden, während er die Reise über ihren Körper fortsetzte, um sein stummes Versprechen zu halten. Dass Skadi ihn so vereinnahmte, hatte einen weiteren positiven Nebeneffekt – er hatte gar keine Gelegenheit, dem Schmerz in seiner Schläfe nachzufühlen. Und als es nicht mehr sein Verlangen war, das ihn benebelte, war es ihr Duft, der sich mit dem schweißigen Geruch ihrer beider Körper mischte, als er neben ihr zur Ruhe kam. Sein Körper fühlte noch immer ihren intensiven Berührungen nach, die ihm einen angenehmen Schauder über die Haut jagten.
„Mh... erst wenn du auch wirklich fleißig warst.“, hauchte sie ihm gegen die Lippen. Genoss die Wärme, die sich sprudelnd ihren Körper hinauf schraubte und jeden Winkel erreichte. Innerlich brannte sie womöglich lichterloh, fühlte sich fiebrig. Aufgedreht. Mit jedem Kuss und jeder Berührung mehr, mit der sich der Musiker in wechselnden Bahnen ihren Körper entlang hangelte. Ausgeblendet waren die Geräusche über ihren Köpfen, die Gefahr erwischt zu werden, während der Rest der Crew geschäftig ihren fahrbaren Untersatz rettete. Ihr Kopf war zum Bersten gefüllt mit lang zurückgehaltenen Träumen und Sehnsüchten, die sie nur noch gedämpft durch die Hände über ihren Lippen in die Außenwelt trug. Nur für Liam und niemanden sonst zu hören. - - - Tief ein und ausatmend umkreisten die dunklen Augen das zufriedene Gesicht auf der anderen Seite der Pritsche, das just ein warmes, wenn auch süffisantes Lächeln auslöste. „Hast du heimlich geübt?“ Nicht, dass sie wirklich davon ausging. Sehr wahrscheinlich war ihr Körper einfach nicht mehr an seine Küste gewohnt und ausgezehrt. Reagierte weitaus sensibler auf jede seiner Berührung, als er es damals getan hatte. „Das Lazarett können wir jetzt wohl von unserer Liste streichen, huh?“ Skadi grinste. Streckte sich noch einmal für einen langen, intensiven Kuss hinüber, ehe sie sich aufsetzte und nach ihrem Bustier fischte.
Die Worte der Nordskov verfehlten ihre Wirkung nicht. Obgleich es nur Geplänkel war, trieb sie seine Lippen zu einem noch breiteren Grinsen an, ehe er die Augen aufschlug und in das dunkle Braun blickte, das unweit seines Gesichtes ebenfalls zum Ruhen gekommen war. „Geburtstagsbonus.“, raunte er in die kleine Welt zwischen ihnen, die sich langsam aber unaufhaltsam wieder der Realität anschloss. Ein leises Lachen verließ seine Kehle schließlich und ließ ihn bei seiner nächsten Antwort zweifellos nicht abgeneigt klingen. „Ich wusste gar nicht, dass wir eine Liste haben.“ Jetzt eben schon - und auch, wenn er derlei Dinge wie Listen (meist an Ermangelung der Möglichkeiten, wenn man an all die Kreaturen dachte, die er irgendwo finden wollte) zuende brachte, wusste diese Liste mit besonderer Motivation zu bestechen. Ein letzter Kuss trennte ihre kleine Welt davon, sich in Luft aufzulösen. Langsam aber unaufhaltsam drang das Klopfen wieder zurück in seine Schläfen, doch Liam würde sich davon nicht wieder zurück in die Laken zwingen lassen. „Eigentlich sollten die Captains dir danken, dass du mir die Lebensgeister zurückgebracht hast.“ Er schmunzelte verschmitzt und löste den Blick von all der Kunst, die sie ihm zugewandt hatte, um sich selbst nach seiner Kleidung umzusehen. Vielleicht sollte er Talin oder Luc aufsuchen, um sich wieder einsatzbereit zu melden. Dann würde vermutlich allerdings eine genaue Untersuchung Gregorys folgen, um ihm das zu attestieren. „Wo fängst du jetzt an? Brauchst du Hilfe?“, erschien es ihm als bessere Alternative, als Greg vorzumachen zu versuchen, dass er wieder ganz auf den Beinen war, als er sich gerade das Hemd über den Kopf zog.
Leise klimperte das Metall der Laschen zwischen ihren Fingern. Verlor sich unter dem Rascheln des Lappens, den Skadi vom beistehenden Tisch aufsammelte und damit die Überreste ihrer angenehmen Zweisamkeit von ihrem Körper wusch. „Ich glaube sie sind schon dankbar genug, dass ihr mit eurer seltsamen Apparatur dafür gesorgt habt, dass wir die Vögel loswerden konnten.“ Spiegel und Licht zu benutzen, um die Biester zu blenden, war weiß Gott keine dumme Idee gewesen. „Und uns das Schiff nicht regelrecht unterm Arsch weggefault ist.“ Mit einem tiefen Seufzen landete der Lappen in einem beistehenden Eimer. „Ich muss mir unsere Waffenkammer anschauen und sehen, ob noch was zu retten ist. Und den Kanonen einen Besuch abstatten. Ich vermute, dass sie das meiste abbekommen haben.“ Skadi wandte sich herum und griff beherzt nach der Leinenhose auf der Pritsche. Zog sie sich flink über die Beine und verknotete die Laschen am Bund vor ihrem Bauch, ehe sie den Ledergürtel anlegte und die daran befestige Ledertasche zurecht zuppelte. „Ist vielleicht einfacher für dich, als über die Waten zu klettern oder sich an der Schiffswand abzuseilen, um die Außenwand zu schrubben.“ Ein Lächeln lag auf den feinen Zügen, als sie sich mit einem letzten Blick auf Liam abwandte und nach dem Eimer bückte. „Davon abgesehen... deine Gesellschaft hält mich vielleicht davon ab, die Götter und die halbe Welt beim Anblick der Waffen zu verfluchen.“ Auch wenn sie darüber lachte, wusste Skadi, dass es so oder so passierte. Ob mit oder ohne Liam neben sich.
Unschlüssig verzog er die Lippen und zuckte angedeutet mit der Schulter, während er seine Leinenhose verschnürte und sich zurück auf die Pritsche setzte, um sich seine Stiefel anzuziehen, die man ihm gestern Abend freundlicherweise ans Bett gestellt hatte. Hätten sie keine Idee gehabt, hätte sie jemand anderes gehabt – oder sie hätten jetzt keine Möglichkeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Ob ihm deshalb Dank gebührte, wagte er zu bezweifeln. Immerhin war es keine Entscheidung gewesen, ob sie was taten oder nicht. Er blieb allerdings ihrer beider Vorsätze treu und sparte es sich, ihr abermals mit Bescheidenheit zu begegnen. So ungern er es sich eingestand – Skadi klang vernünftiger als es ihm lieb war. Fürs erste hatte er genug von Höhe und eine Arbeit auf stabilem Holz klang verlockender als alles andere. Er überlegte kurz, ob es sich anbot, vorher kurz eine kleine Dusche zu nehmen – sinnvoller war es aber vermutlich nach der Arbeit. Und wenn er sich tatsächlich Skadi anschloss, konnte er sich ein wenig zurücknehmen, wenn es nötig war. Er schmunzelte bei ihrer Vermutung, stellte die Schuhe auf und richtete sich auf. „Ich will dich aber gar nicht davon abhalten.“, gab er gut gelaunt zu. „Ich will dich so genießen, wie du bist. Unverfälscht und fluchend.“ Skadi galt ein ehrliches Zwinkern. Das konnte sie durchaus als Zusage verstehen, dass er ihr zur Hand gehen würde. „Geh‘ ruhig schon mal vor. Ich will noch eben nach Sineca sehen.“ Damit huschte er zuerst aus dem Lazarett hinaus, warf einen flüchtigen Blick nach links und rechts und machte sich dann auf die Suche nach Alex. Dass es der Ginsterkatze gut ging, hatte Alex ihm gestern noch versichert. Und da sie nicht bei seiner Hängematte gewesen war, erwartete der Lockenkopf sie förmlich bei seinem Freund.
Liam war als erster aus dem Raum verschwunden. Ließ eine Skadi zurück, die ihm mit einem schmalen Lächeln nachsah und tief Lufte holte, als auch die letzte Locke hinter der Wand verschwunden war. Sie sollte sich an Momente wie diese erinnern, wenn sie wieder einmal an allem zweifelte und sich in den dunklen Ecken ihrer Selbst vergrub. Um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass ihre Ansichten einem Irrglauben erlagen. Dass es durchaus Menschen auf diesem Schiff gab, für die sie mehr war als ein gut funktionierendes Uhrwerk. Als ein Schutzschild, an dem sich die Außenwelt abreiben konnte. Und dennoch glitt ihr Blick nachdenklich durch den Raum auf das kleine Fenster auf der anderen Seite. Skadi versuchte gar nicht erst ihre Gedanken zu sortieren. Lauschte dem an- und abschwellenden Rauschen, bis sie sich zu dem Lederbeutel und ihrem neuen Dolch bückte und wortlos den Raum verließ. Der Abstecher zu den Schlafplätzen und zur Kombüse belebte ihre Glieder und fegte ihren Kopf auf angenehme Weise frei. Neue Gesichter, die ihren Geist auf anderen Pfade lenkten. Kurzweilige Gespräche, die sich um die kleinen Dinge des hier und jetzt drehten. Und dennoch hockte Skadi vor den Kisten und Regalen der Waffenkammer und brummte verstimmt. Vieles hatte deutlich mehr Rost angesetzt. Die Kisten waren entweder nicht richtig verschlossen oder bereits durchlöchert gewesen. Nicht umwickelte Waffen. Feuchte Schießpulverbehälter. Niemand hatte sich dessen wirklich verantwortungsvoll angenommen. Und eigentlich gab sie sich selbst die größte Schuld. Sie hätte es besser wissen müssen - bei der Marine hatte sie den sorgsamen Umgang mit dieser wertvollen Fracht gelernt. Und sich die letzten Wochen und Monate nur um ihren eigenen Bestand gekümmert. Um ihren kostbaren Bogen. Ihre Dolche und Wurfmesser. Selbst das Blaßrohr und die hauchzarten Pfeile, die Talin. und ihr auf der Kopfgeldinsel das Leben gerettet hatten.
Im ersten Moment hatte die Sonne unangenehm in seinen Augen gebrannt, doch alles am heutigen Tag war besser als Nebel. Sineca war bereits von Alex‘ Schulter gesprungen, bis der Lockenkopf bemerkt hatte, dass jemand von den Toten auferstanden war. Die Erleichterung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, als er seinen Freund wohlauf und auf den Füßen vorfand. Liam war in die Hocke gegangen und die zierliche Ginsterkatze augenblicklich an ihm empor zu seiner Schulter geklettert, um sich an seine Wange zu schmiegen. Auch die anderen schieben sichtlich erleichtert, als er versicherte, dass es ihm gut ging und sie sich schließlich alle wieder an die Arbeit machten. Er nahm sich eine der Lampen mit und verschwand wieder unter Deck, um sich ebenfalls nützlich zu machen, statt nur dabei zuzusehen. Um den Kopfschmerzen Herr zu werden, füllte er vorher aber noch seinen Wasserschlauch, verwahrte ihn an seinem Gürtel. In der Laternenkammer hörte er bereits, dass jemand bindet Kammer dahinter werkelte, stellte die Laterne ab und schob vorsichtig die Tür zur Waffenkammer auf, um sie Skadi nicht ausversehen gegen den Rücken zu rammen. „Hat das Fluchen schon angefangen?“, hörte er aus ihrem Brummen heraus und verstand alsbald auch, wieso. Etwas erschlagen presste er die Luft zwischen den Lippen hindurch und besah sich das Ausmaß vor ihren Augen. Die Waffenkammer war einer der Orte am Schiff, die er nicht häufig aufsuchte. Den Degen, den er nutzte, hatte er oben und pflegte ihn stiefmütterlich. Mit einem Seufzen löste er sich von der Überforderung beim Anblick dieses Chaos‘, fuhr Sineca kurz mit zwei Fingern über den Kopf und kniete sich zur Nordskov hinunter. „Wie ist dein Plan? Sollen wir nach und nach alles raus ins Licht räumen? Lässt sich dort vielleicht besser beurteilen als im Halbdunkeln. Irgendwas muss zu Retten sein.“ Er klang nicht so überzeugt, wie er gerne gewollt hätte.
Skadi Nordskov ist 23 Jahre alt und wurde unter den Sternen der ersten Welt auf der Insel Trithên geboren. Dieser mutige Pirat reist als Master Gunner durch die Meere der Inselwelten und plünderte mit der Crew bereits auf 83 Streifzügen in 48 Tavernen.
Habseligkeiten
jeweils einen Dolch im Stiefel, 3 Wurfmesser in der Tasche an ihrem Hüftgurt, sowie eine Hand voll Giftpfeile und Tinkturen und ein Säbel an ihrem Rücken
Körperliche Verfassung
Ein fast verheiltes Veilchen auf der rechten Gesichtshälfte direkt am Jochbein und feine Schnitte am Oberkörper (von Holzsplittern).
Liams Anwesenheit kündigte sich bereits aus der Ferne an - erreichte jedoch Skadis Aufmerksamkeit erst, als er in den Raum trat. Seufzend richtete sie sich auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Allmählich war der Sommer immer intensiver unterhalb des Decks zu spüren. Erst Recht in Räumen, die keine Fenster besaßen und weitaus schlechter zu belüften waren. "Das wäre das beste.", entgegnete sie auf seinen Vorschlag, der ihr definitiv am sinnvollsten erschien. Das spärliche Licht, das ihnen die Laterne in seinen Händen schenkte, romantisierte den Zustand vielleicht noch mehr, als er sollte. „Sicherlich können wir einen Großteil davon retten, die Frage ist nur, ob wir das richtige Werkzeug dafür da haben und wie viel Zeit wir dafür brauchen.“ Oberflächen von Rost zu befreien war eine Kunst - und definitiv nicht mit ein paar Handgriffen, Wasser und Seife getan. Skadi wusste es noch zu gut von den Anfängen bei der Marine. Das Pflegen der Schwester war eine unliebsame Aufgabe, die man stets an die Anfänger weitertrug. Zur Machtdemonstration. Oder weil man als gehobener Offizier sich zu fein dafür war. „Wenn die Kanonen allerdings genauso aussehen, muss ich definitiv mit Lucien und Talin sprechen. Ich bezweifle, dass wir die allein auf Vordermann bringen können.“ Und Skadi wollte nicht riskieren, dass durch irgendeine unnötige Eitelkeit oder Geldersparnis noch jemand ums Leben kam. Das Befüllen und Säubern war ohnehin keine ungefährliche Sache - zusätzlich also die Sicherheit der anderen zu riskieren, war keine Option. „Nochmal passiert uns sowas nicht. Das schwör ich dir beim Grab meiner Mutter.“, raunte die Nordskov mit absoluter Verstimmung und bückte sich nach einer der morscheren Kisten. „Könntest du mir den Rest mit hoch tragen? Und pass auf... ein paar wirken bereits ziemlich labbrig. Nicht, dass dir noch alles entgegen kommt oder auf die Füße fällt.“
Skadi besaß – was Waffen anging – mehr Erfahrung als er. Wenn sie also sagte, dass vieles zu retten war, hatte er keinen Grund, das zu hinterfragen. Auch, wenn es ihm beim Anblick der rostigen Klingen schwerfiel. „Dann werden abends eben statt Karten gespielt, ein paar Klingen geputzt.“, legte er fest. Ihm persönlich hätte das nichts ausgemacht – das Entfernen des Rostes war eine eintönige, langatmige Arbeit. Eine, bei der man gut in Gedanken versinken und Träumen hinterherhängen konnte. Ihr Vorgeschmack auf das, was sie allerdings mit den Kanonen erwartete, klang nicht mehr ganz so rosig. „Ich weiß, dass du’s dir vermutlich nur ungern sagen lässt, aber… Alex kann dir dabei sicherlich zur Hand gehen, wenn du Hilfe brauchst.“ Er hatte jedenfalls mehr Erfahrung im Umgang mit Kanonen als beispielsweise Liam. Er ließ es als Angebot im Raum stehen, das keinerlei Antwort oder Entscheidung bedurfte. Genau das war es nämlich – ein Angebot, für das sie sich entscheiden konnte oder nicht. Ganz, wie es ihr beliebte. Beim Anblick dieser Waffen blieb ihnen eigentlich nur zu hoffen, dass sie es bis zum nächsten Hafen ohne weitere Zwischenfälle schaffen würden. Bereitwillig nahm er eine der Kisten auf, die am Rand gebrochen waren, um die stabileren Skadi zu überlassen. Mit genug Druck auf den Seiten hielt das Holz noch gut. Eine weitere Sache, bei der Alex ihr hätte zur Hand gehen können – beim Schustern weiterer Kisten, die im Vergleich zu diesen hier tatsächlich noch Last halten konnten. Aber ein zweites Mal aber ging er nicht darauf ein. „Fang du hier ruhig schon an, ich hole die anderen Kisten.“, bot er der Nordskov letztlich an und auch Sineca kletterte von seiner Schulter hinab, um die rostigen Degen und Messer vorsichtig zu beschnuppern. Sein Angebot hatte nichts mit Chauvinismus zu tun. Vermutlich war es nur einfach sinnvoller, wenn Skadi bereits mit der Sichtung startete. Er hatte ja Zeit – egal, wie oft er hoch und runter laufen würde.
Skadi bedachte Liam mit einem fahlen Lächeln. Nicht, weil ihr die Vorstellung zu wieder war, Alex um Hilfe zu bitten und sich diese Siegessicherheit und Überlegenheit auf seiner Miene antun zu müssen. Zumindest nicht ausschließlich. Eher belagerte sie damit ihren Busenfreund Enrique, der sich in letzter Zeit viel zu rar gemacht hatte. „Ich glaub der hat genug mit dem Schiff an sich zu tun.“ Was nicht gelogen war. Ihr fahrbarer Untersatz war bedeutend wichtiger, als das Waffenarsenal. Vor allem für jemanden, der schreinern konnte. Sie würde somit noch weniger den Teufel tun und ihn behelligen - dass ihr das mehr als entgegen kam, sah man ihr womöglich an. Aussprechen tat sie es jedoch nicht. Überließ stattdessen die Kiste in ihren Händen dem Musiker und ging bereits in die Hocke, um die nächste Kiste zu inspizieren. Zuckte unmerklich zusammen, als die feine Nase der Ginsterkatze neben ihr auftauchte. Im Vergleich zum Anfang hatte sie sich schnell an die Anwesenheit des Tieres gewöhnt, auch wenn ihr der Blick aus den dunklen Augen noch immer nicht wirklich geheuer war. „Könnte ich mir vielleicht noch dein Schreibwerkzeug ausleihen?“ Vorsichtig hielt Skadi dem winzigen Geschöpf neben sich als Zeichen des Friedens eine Hand entgegen. Wandte dann den dunklen Haarschopf zu Liam herum, der bereits im Türrahmen stand. „Dann kann ich für Talin und Lucien eine übersichtlichere Liste erstellen, statt mir alles merken zu müssen.“ Sie wusste bereits, dass er zustimmend nicken würde. So war Liam einfach. Er sähe keinen Grund darin, warum sie sich nicht an dem Papier und seinem Bleistift bedienen durfte.
Er wäre nicht Liam gewesen, wäre er nicht auf ihre diplomatisch formulierte Antwort hereingefallen, ohne ihre Beweggründe in Frage zu stellen. Sie ließen das Thema auf sich beruhen und kümmerten sich stattdessen darum, die Kisten an einen helleren Ort zu transportieren. „Klar.“ Als wäre es eine Frage gewesen, ob sie sich an seinen Sachen bedienen durfte. Im Gegensatz zu James, der gestern sehr lange gebraucht hatte, sich zwischen seinem Spiegel und dem womöglichen Überleben zu entscheiden, war es für Liam absolut selbstverständlich, das, was er hatte, mit anderen zu teilen. Abgesehen von Essen und Shanaya, wobei das aber vermutlich eher auf einem Insider zwischen ihnen beruhte. „Meine Truhe ist offen. Da solltest du alles finden.“ Ein offenes Geheimnis im Grunde, dass er sie nie absperrte. Er hatte nichts zu verbergen und traute niemandem von ihnen zu, sich wirklich böswillig an den Sachen der anderen zu bedienen. Außerdem hätte er den Schlüssel vermutlich sowieso früher oder später verlegt. Das Einzige, womit sich Skadi also wahrscheinlich herumschlagen musste, war die Unordnung in seinen Habseligkeiten. „Wenn du’s nicht findest, sag‘ Bescheid. Ich bringe in der Zeit das Zeug hoch.“
Skadi nickte. Im selben Moment war Liam verschwunden. Hinterließ lediglich seine Schritte deutlich vernehmbar auf dem Flur und eine Skadi, die sich mit einem matten Lächeln zu Sineca wandte. „Wenn du in die Kiste hüpfst, kann ich dich gleich mit hochnehmen.“, murmelte sie der Ginsterkatze zu und lachte innerlich über sich selbst. Was war wohl bescheuerter? Darauf zu warten, dass das Tier ihrer Bitte Folge leistete oder zu glauben, dass sie überhaupt ein Wort von dem verstand, was sie sagte? Mit einem tiefen Seufzen umschloss Skadi somit das kratzige Holz mit beiden Händen und war mit wenigen Schritten aus der Kammer verschwunden. Gefolgt von einem leisen Trappeln in ihrem Rücken. ——— An Deck breitete sie bereits die Liste aus. Beschwerte die obere Kante der Blätter mit einem Stück Holz, da der Wind immer wieder leicht von der Seite auffrischte. Sineca hatte unterdes in einer Armlänge Abstand Platz genommen und naschte an einem kleinen Stück Dörrfleisch, das Skadi ihr überlassen hatte. Ihr Appetit war nicht sonderlich groß an diesem Morgen. „Was meinst du… ob man mit deinem Fell das Zeug hier besser sauber bekommt?“ Der Kopf des kleinen Tierchens hob sich, kippte zur Seite und musterte aus wachen Augen die Nordskov, deren Blick über die Dolche und Wurfmesser huschte, die fein säuberlich aufgereiht auf dem Deckel der Kiste lagen.
Mit einem Ächzen stellte er die letzte Kiste unweit der restlichen ab, um dem angegriffenen Holz nicht noch mehr zuzumuten. Liam kniff kurz die Augen zusammen, ehe er den Blick über Skadis bisheriges Werk schweifen ließ. Das Metall der Klingen wirkte matt und bräunlich. Der Nebel schien alle Arbeit geleistet zu haben. Manche der Klingen allerdings hatte der Rost bereits mehr zerfressen. Sie wirkten alt und ungepflegt. Er ging neben ihr in die Hocke und betrachtete das Bild. Sineca sprang kurz auf, drückte sich flüchtig an sein Bein und verschwand wieder zurück zu der Beute, die Skadi ihr überlassen hatte. „Um den Rost abzubekommen, bräuchtest du eine größere Kratzbürste als Sineca.“, witzelte er etwas erschöpft. „Das war die letzte Kiste mit Waffen. Ich denke, die Kanonenkugeln müssen wir nicht alle nach oben tragen, oder?“ Er hätte es getan, wenn sie es verlangte, so war es nicht. Die leise Hoffnung, dass es nicht so war, verheimlichte er ihr dennoch nicht.
Kratzbürste. Irgendetwas an diesem Wort und der Art wie Liam es aussprach, ließ Skadi schmunzeln. Die Frage war womöglich, wer manchmal die größere Kratzbürste von ihnen war - Sineca oder Skadi. Mit einem amüsierten Schnauben beugte sie sich zu dem Papier auf der Kiste hinab und schrieb fein säuberlich - und in absolut grobschlächtiger Druckschrift - die Waffentypen in eine Liste. „Danke dir...die Kanonenkugeln nehmen wir uns ein anderes Mal vor. Die nach oben zu schleppen wäre Zeitverschwundung.“ Zu schwer, zu massiv und würde mehr als eine Hand benötigen, die sie definitiv eher für die Reparatur des Schiffes brauchten. „...ich schau sie mir spätestens bei unserem nächsten Landgang an, wenn wir mit den Kanonen ohnehin zu einem Waffenschmied müssen.“
Zum Glück. Liam atmete innerlich auf, als Skadi das sagte. „Das klingt nach wenig Zeit beim nächsten Landgang.“, seufzte er und ließ den Blick über die ausgebreiteten Waffen gleiten, während er langsam zurück an Skadis Seite trat und über ihre Schulter auf den Zettel spähte. Ein kurzes, nachdenkliches Schweigen trat ein, dann ging er ebenfalls in die Hocke und hielt sich sachte an ihrer Schulter fest. „Denke, das mit den Waffen hast du im Griff, hm?“, gab er seine eher miserablen Hilfsmöglichkeiten in diesem Bereich zu. „Dann sehe ich zu, dass ich mich anders nützlich mache.“ Anstelle eines Kusses festigte sich der Griff um ihre Schulter kurz, ehe er sich erhob. Dann begann er, die nicht benutzten Seile und Netze zusammenzuklauben, um sie auf ihre Schäden zu überprüfen. Unweit von Skadi verstand sich - ohne, dass sie sich in die Quere kamen, aber so, dass sie sich unterhalten konnten, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen.